Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Ihr Götter gebt mir Rat, durch welches Mittel
Wird auf der Unterwelt dies Weib geehrt?“
Minerva sprach: „Das beste Mittel,
O Vater Zeus, ist wohl – ein leerer Titel;
Das Publikum getäuscht stets sein.
Ein Weiser trägt den Stern in sich, doch diese Fratze
Wird nur bemerkt, wenn sie ihn zeigt am Latze.“
Ballade vom verkauften Assessor.
In Bozen war’s, vor’m schwarzen Greifen,
Am Platze, wo Herr Wolter steht,
Zur Zeit, da schon die Kirschen reifen,
So Mitte Mai – und abends spät.
Fahlgelb erschien der Mond vor Neid –
Die Gäste stunden auf und zahlten,
Dieweil um zehn Uhr Schlafenszeit.
Nur einer schnippelt mit dem Messer
Aus Luckenwalde ein Assessor,
Und schaut ins Bierglas stier und stumm.
Und ihm zur Seite sitzt die Gattin –
Auch aus der Gegend, wie es scheint –
Des Himmels Segen ihr vereint.
Allein kein taubenhaft Gebahren
Zeugt von so jungem Ehebund –
Sie sind ja Nacht und Tag gefahren,
Ihn kann man etwas üppig finden,
Ihr mangelt jeder Fülle Spur;
Es unterscheidet vorn und hinten
Nur wenig sich in der Kontur.
Kinn flüchtig und die Nase breit,
Der ganze Stil höchst unpersönlich,
Von selbstbewusster Nichtigkeit.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)