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Verschiedene: Die zehnte Muse

Satiren.


Mésalliance.

Sie war ein Mädchen von hohem Stande,
Den Namen will ich verschweigen.
Tät des Sommers, wo es chik auf dem Lande,
Im Fasching bei Hofe sich zeigen;

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Doch dort, encouriert von Prinzen und Grafen,

Empfand sie nur Neigung – zum Gähnen und Schlafen,
Und trug sie auch stets die neueste Mode,
Sie langweilte sich schier dabei zu Tode.
Die einzige Freude in ihrem Leben

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Schien die zu sein, täglich fünf Körbe zu geben; –

Sogar den Mucki hat sie verschmäht,
Der doch „im zweiten Teil I“ vom fürstlichen Gotha steht!

Da kam einmal, wie von ungefähr,
Ein ganz gewöhnlicher Kerl daher,

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„Ein Dichterling“ oder sonst so ein – Genie;

Den lernte sie kennen, man weiss nicht wie,
Ich glaube gar, auch irgend wo auf dem Lande,
Wo er Hauslehrer war bei zwei Rangen vom Stande.
Der hat ganz frech sie angelacht

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Und, der Teufel weiss! Hokuspokus gemacht;

Und hat ihr, unfasslich! den Kopf verdreht –

Obwohl er gar nicht einmal im Gotha steht.
Natürlich bleibt so was nicht lange verborgen;
Die ganze Gesellschaft von Abend zu Morgen,

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Die Anverwandten, die Eltern, die Tanten

Rastlos, ratlos durcheinander rannten.
Herrgott! War das eine richtige Rage
Bei der hohen und höchsten Cousinage!
Bis der hohe Familienrat beschloss,

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Sie, umgeben vom wachsamen Tantentross,

Recht weit von jenem – jenem Herrn
In ein fernes Familienschloss zu versperrn. –
Damit ihr die dumme Caprice vergeht,
Für den Kerl, – der nicht einmal im Gotha steht.

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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/157&oldid=- (Version vom 31.7.2018)