Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/135

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse


Die Vielgeliebte.

     Meiner Vielgeliebten gleich
Ist kein Mädchen in dem Reich;
Eine bessre Beute
Macht kein Fürst; drum trag ich sie

5
Auf den Händen, lasse nie

Sie von meiner Seite.

     Früh, eh noch der Morgen graut,
Hängt die Liebliche vertraut
Schon an meinem Munde;

10
O wie brennt sie heiss für mich!

Wer ist froher dann als ich
Auf dem Erdenrunde?

     Dieses süsse Lippenspiel
Wird mir nimmermehr zu viel;

15
Und in langen Zügen

Schlürf’ ich gierig manche Stund’
Aus dem schön geformten Mund
Labung und Vergnügen.

     Manches Silberkettchen wand

20
Meine pflegerische Hand,

Manches Band von Seiden
Um den schönen Hals; es muss,
Wer sie sieht, mir den Genuss
Dieser Holden neiden.

25
     Schwirrt der Sorgen düstrer Schwarm

Mir vor Augen, drückt der Harm
Meine Seele nieder:
O dann fühl’ ich ihren Wert;
Denn aus ihrem Munde kehrt

30
Ruh und Friede wieder.


     Abends bei dem Mondenschein
Lieg’ ich oft mit ihr allein
Hingestreckt im Grase;
Manches Mädchen, jung und schön,

35
Rümpft dann im Vorübergehn

Ueber sie die Nase.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/135&oldid=- (Version vom 31.7.2018)