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Herrschers an dem St. Gallener D. St. 2189 (Posse Taf. 14, 3. 4) mit der damals vermissten und nur in einer Abbildung bei Lacomblet überlieferten Bulle des D. St. 2207 (Orig. im Staatsarchiv zu Düsseldorf) identifiziert, so zeigt sich, nachdem sie wieder zu Tage gekommen und dem Diplom zweifellos mit Recht[1] beigelegt ist, dass bei aller Uebereinstimmung im allgemeinen ein anderer Stempel vorliegt, an dessen Echtheit nicht zu zweifeln ist. Die beigegebenen Abbildungen nach einem Gipsabguss werden dies auch ohne eingehende Beschreibung bei dem Vergleich mit dem Bilde bei Posse bestätigen[2]. Schliesslich lässt sich auch noch von der Kaiserbulle Heinrichs III. eine Variante konstatieren. Leider hat Posse nur das durch Doppelschlag entstellte und schlecht erhaltene Exemplar an dem D. St. 2486 (Taf. 15, 3. 4) wiedergegeben, das mit der an dem D. St. 2494 befindlichen, wesentlich besser erhaltenen Bulle genau übereinstimmt. Von diesen beiden weicht nun aber die Bulle des D. St. 2444 (Orig. im Staatsarchiv zu Hannover), wenn auch wiederum nur in Einzelheiten, doch deutlich genug ab, um die verschiedene Arbeit und den anderen Stempel erkennen zu lassen[3]: Heinrich III. hat sich


und danach abgeänderter Reproduktion des zweiten Königssiegels (Posse, Taf. 14, 2) Heinrichs oder stelle geradezu den in der Legende und sonst umgearbeiteten älteren Originalstempel dar. Es wäre das der erste Fall dieser Art, der von einem Königssiegel bekannt geworden ist, und diese Vermutung klingt daher nicht von vorneherein wahrscheinlich. Trotzdem und auch trotz der mir unbegründet erscheinenden Meinung Kemmerichs, Porträtplastik S. 81, dass auf dem Kaisersiegel Heinrich einen stärkeren Schnurrbart aufweise, bin ich nach genauem Vergleich zu dem Ergebnis gekommen, dass wohl die zweite Alternative zutrifft, und dass also tatsächlich das Königssiegel zu einem Kaisersiegel umgearbeitet worden ist, indem man die rechte Hand mit einem neuen Attribut (dem Reichsapfel) versah, aber Spuren des Scepterstabes auf dem Arm nicht völlig beseitigte, und ferner die Legende in der Weise abänderte, dass ‘HEINRICVS’ stehen blieb, das folgende ‘TE’ (von ter-tius) aber getilgt und durch das eng gedrängte ‘DIG’ ersetzt wurde, das sich dann an das stehen gebliebene R anschloss. Der zweite Teil der Umschrift wurde darauf ganz erneuert. – Vielleicht findet sich auch sonst noch ähnliches, wenngleich selbst eine weitgehende Uebereinstimmung in Form und Massen allein noch nicht zu einer solchen Annahme berechtigen dürfte. – In der französischen Kanzlei hat man wenigstens in zwei Fällen das Siegel des Vorgängers für den Nachfolger durch blosse Abänderung der Legende hergerichtet, so ist für Lothar (954–86) zunächst das Siegel Ludwigs IV. (vgl. Halphen-Lot, Actes de Lothaire et Louis V, Einleitung S. 50) und für Philipp I. (1060–1108) dasjenige Heinrichs I. (vgl. Prou, Actes de Philippe I, Einleitung S. 128) wieder verwendet worden.

  1. Das ergibt sich aus der Gleichartigkeit der Seidenschnurreste am Diplom und an der Bulle.
  2. Vgl. die Tafel sub 2a. b.
  3. Vgl. die Tafel sub 3a. b. Eine Beschreibung der Differenzen ist schwierig, zumal [261] auf der Reproduktion Posses wenig zu sehen ist. Die Abweichung wird indessen besonders deutlich beim Vergleich der Reverse. Auf dem bereits bekannten Stempel ist die Burg- (oder Stadt-) Mauer von rechts nach links gemessen ungefähr 4 mm breiter als auf dem hier abgebildeten. Am Vollbart des Kopfes auf dem Avers lassen sich ferner sechs Strähne neben einander vom Kinn zum Ohr am alten Stempel, gegen fünf auf unserer Abbildung unterscheiden. Dieser Art ergeben sich noch einige Unterschiede bei genauer Betrachtung, wobei allerdings die Bilder Posses zum Vergleich nicht ausreichen.
Empfohlene Zitierweise:
Hans Wibel: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige (Rezension). Hahnsche Buchhandlung, Hannover und Leipzig 1910, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_K%C3%B6nige_(Rezension).pdf/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)