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kunstreiche Maschine in wundervollem Rhythmus schwang, daß mein trunkenes Auge sich nicht satt zu sehen vermochte an dem Spiel ihrer glitzernden Wellen und Scheiben und Räder, wenn sie mir unerschöpflicher Fülle je nach Wunsch Licht oder Wärme oder Elektrizität oder chemische Umwandlungen lieferte – mein Leben pulsierte in ihr, meines Daseins Faden haspelte sich ab auf ihrer rastlos sausenden Spule! Ich Tor, ich blinder, stolzer Tor! Ein Spielzeug der Parzen hab’ ich gebaut! Über Nacht bin ich plötzlich um mein Leben betrogen worden – mein entsetztes Auge sieht plötzlich in einem Winkel meiner stillen Werkstatt sie alle drei hocken: Klotho, Lachesis und Atropos! Und schon hebt Atropos die grausige Schere –«

Damit brach das Manuskript ab. Ich gab es meinem Freunde zurück.

»Nicht wahr,« sagte er lächelnd, »für einen trockenen Gelehrten viel Phantasie! Eine zufällige Störung im Gange seiner Maschine und die schließlich eintretende lähmende Wirkung langdauernder Radiumbestrahlung so poetisch in Zusammenhang zu bringen! An dem alten Theodulos Energeios ist ein Dichter verdorben! – Aber wir haben ja Mittel, uns gegen die schädliche Wirkung der β- und γ-Strahlen zu schützen. Ich frage Sie daher: Wollen Sie mir helfen, die Maschine des Theodulos Energeios auszupacken und in Betrieb zu setzen?«

Freund Hintze sah mir gerade ins Gesicht. Um keinen Preis der Welt hätte ich in diesem Augenblicke nein sagen mögen, so unbehaglich mir auch bei der ganzen Sache zumute war!

»Ich will!« sagte ich.

»Ich hatte es erwartet,« antwortete mein Freund.

»Wann wollen wir beginnen?« fragte ich nun in nervöser Ungeduld.

»Morgen früh, lieber Freund –«

»Aber – warum nicht noch heute?«

»Heute bin ich nicht ganz Herr meiner Zeit – leider, so sehr ich Ihre Neugier verstehe und teile. Also – morgen früh!« 

Damit trennten wir uns.


II.

Ich hatte eine schlechte Nacht.

Die Maschine des Theodulos Energeios spukte in meinen Träumen. Deutlich erblickte ich die Niegesehene vor mir: über die Wand des Zimmers vor mir breitete sich ein riesiges Netz feiner Fäden, und in der Mitte des verwirrenden Gewebes hing wie eine ungeheure Spinne ein sausendes und schnurrendes Ungetüm mit funkelnden Augen; gierige Fangarme schossen gleich züngelnden Schlangen aus dem schwarzen Körper hervor und haschten nach mir.

Und sie packten mich, so sehr ich mich auch sträubte und wehrte, und rissen mich heran an das schnaubende Ungetüm, immer näher, immer näher.

Und als ich dicht herangekommen war, sah ich plötzlich aus all dem

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Carl Grunert: Die Maschine des Theodulos Energeios. Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1912, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Maschine_des_Theodolus_Energios_004.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)