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»Und wo ist sie geblieben?«

»Sie steht heute unter dem ausrangierten Apparatengerümpel, das wir auf dem Boden des Professor Bambergschen Laboratoriums gefunden haben.«

»Haben Sie sie schon gesehen?«

»Ja! Das heißt: die Kiste, in der sie verborgen wurde!«

»Nun und –?« fragte ich in großer Spannung.

»Gestern habe ich eine schwere, dick mit Eisen beschlagene Kiste entdeckt, auf deren Deckel ein vergilbter Papierstreifen klebt – mit der gleichen Aufschrift, wie sie das Manuskript trug –«

»Und wann gedenken Sie die geheimnisvolle Kiste zu öffnen, lieber Freund?«

»Wollen Sie mir dabei helfen?«

»Selbstverständlich! – Selbst auf die Gefahr hin, daß uns der alte Grieche noch nach hundert Jahren an der Nase führt!«

»Das hoffe ich nicht. Aber auf etwas anderes muß ich Sie vorher aufmerksam machen: Für mich ist es sicher, daß zwischen der Maschine des Theodulos Energeios und seinem plötzlichen Greisentum ein ursächlicher Zusammenhang besteht! Das Dynamin – so heißt nämlich der Stoff, den er als unerschöpflichen Generator in seiner Maschine verwendet, ist meines Erachtens nichts anderes als eine höchst energische radioaktive Substanz – und ihre verderbliche Strahlung hat ihn vorzeitig seiner körperlichen Kraft und Gesundheit beraubt. Wir wissen zwar noch nichts über die Wirkung größerer Radiummengen auf den menschlichen Körper; aber es ist sicher anzunehmen, daß sie diejenige der Röntgenstrahlen gewaltig übertreffen wird. Unser Experimentieren mit der geheimnisvollen Maschine birgt also eine Gefahr in sich, umso unbekannter und unberechenbarer, als die Wissenschaft bisher kein Beispiel für das Arbeiten mit so großen Mengen radioaktiver Stoffe kennt! – Dabei muß ich Ihnen doch mitteilen, wie sich Theodulos Energeios diese von ihm zu spät erkannte organismuszerstörende Wirkung seines ›Dynamins‹ zu erklären versucht hat.«

Er entnahm seiner Brieftasche ein Blatt.

»Hier – lesen Sie, bitte. Ich habe Ihnen die Stelle – es ist der Schluß seines Manuskripts – aus der Übersetzung abgeschrieben –«

Und ich las:

»Darum fing meine Maschine plötzlich an, langsamer zu gehen! Nicht das Dynamin also war die Quelle seiner bisher ununterbrochenen Tätigkeit gewesen, sondern – ich selbst! Meine Lebenskraft setzte und hielt die Maschine in Gang! Und nun das Öl auf meiner Lebenslampe zu versiegen begann, versagte auch die kunstvoll erdachte Maschine! Mein Dynamin war kein Generator lebendiger Energie, sondern nur ein Transformator. Vom Kapitale meines Organismus hatte die gefräßige Maschine die Kosten ihres Betriebes bestritten! Ich Tor habe in Wahrheit meine Entdeckung mit meinem Leben erkauft! – Wenn die

Empfohlene Zitierweise:
Carl Grunert: Die Maschine des Theodulos Energeios. Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1912, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Maschine_des_Theodolus_Energios_003.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)