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Doch Dr. Rohling weiß ebensogut oder noch besser als wir, daß die Juden durch den Talmud gehindert sind, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Wir haben ja schon gehört, wie der Talmud sagt, daß Israel geduldig ausharren soll, bis Gott selbst es wieder zurückrufen wird.

Dieser Mahnung des Talmud werden die Juden um so bereitwilliger nachkommen, als sie immer nur bitter enttäuscht wurden, so oft sie einer Einladung, nach Palästina zu ziehen und das jüdische Reich, die Stadt Jerusalem und den Tempel wieder herzustellen, Folge leisteten.

Wie freudig schlugen die Herzen der Israeliten in allen Ländern des weiten römischen Reiches, als Kaiser Julian sie einlud, nach Palästina zu ziehen und den Tempel wieder aufzubauen! Wohl hatten die Juden schon unter den Kaisern Hadrian und Konstantin Versuche gemacht, den Tempel aus seinen Trümmern wieder aufzurichten, aber es blieb bei den Versuchen, sie mußten von ihrem Beginne wieder abstehen. Da kam die Einladung des Kaisers Julian, und wer kann es den Juden verargen, daß sie einer solchen Einladung voll der größten Freude nachkamen! Von allen Seiten, aus den entferntesten Weltgegenden strömten sie nach Jerusalem. Mit erstaunlichem Eifer wurde das Werk in Angriff genommen, selbst Frauen, nicht zufrieden damit, all ihr Geschmeide zur Förderung des Baues den Arbeitern einzuhändigen, legten selbst Hand an und trugen in ihren Kleidern den Schutt heraus, der die Fundamente des früheren Tempels bedeckte. Doch der Allmächtige vereitelte ihr Bemühen und streckte seine Hand aus, um die Herausforderung des gottlosen Kaisers, der den göttlichen Heiland zum Lügner machen wollte, zurückzuweisen. Heftige Windstöße zerstreuten die Baumaterialien; Blitze zerschmetterten die Werkzeuge und Maschinen, ein Erdbeben schleuderte die Steine, welche noch in dem alten Fundamente geblieben waren, heraus, und warf die nahestehenden Gebäude zu Boden. An den Kleidern der Anwesenden zeigten sich Kreuze, schwärzlich aussehend, wie eingewoben, des Nachts flimmernd, unaustilgbar, und in einer Nacht erschien auch am Himmel ein von einem Kranze umgebenes strahlendes Kreuz. Doch den Ausschlag gaben die Feuerflammen, welche aus dem Grunde hervorbrechend viele Arbeiter töteten, andere verstümmelten und durch ihre wiederholten Ausbrüche endlich Juden und Heiden zwangen, das begonnene Werk aufzugeben. Wenn nun auch die Juden den alten christlichen Geschichtsschreibern Theodoret, Sokrates, Sozomenus, Rufinus und anderen, sowie auch den gleichzeitigen Kirchenvätern Umbrosius, Chrysostomus, Gregor von Nazianz, die in öffentlichen Reden von diesen Ereignissen ausführliche Meldung thaten, keinen Glauben schenken wollten, so würden sie doch das Zeugnis des heidnischen Geschichtsschreibers Ammianus Marcellinus, eines Zeitgenossen und großen Verehrers des Kaisers Julian, nicht verwerfen können, welcher seinen Bericht über diesen vereitelten Tempelbau mit den Worten schließt: „So emsig aber auch Alypius“ – der Freund des Kaisers Julian, der den Tempelbau leiten sollte, – „sein Geschäft betrieb und sich dabei von dem Statthalter der Provinz unterstützt sah, so schossen doch oft fürchterliche Feuerkugeln aus dem Grunde plötzlich herauf, und machten den Ort für die bisweilen sogar vom Feuer beschädigten

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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/94&oldid=- (Version vom 31.7.2018)