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sagt der größte unter den Schriftauslegern, der heilige Kirchenvater Hieronymus, den Syriern, insbesondere denen in Palästina, sei es eigen, ihre Reden in Gleichnisse einzukleiden.[1] Und von dem göttlichen Heilande sagt der heilige Evangelist Matthäus: „Alles dieses redete Jesus durch Gleichnisse zum Volke und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten gesagt worden, der da spricht: Ich will meinen Mund aufthun in Gleichnissen.“ (Matth. 13, 34. 35.)

Wenn wir nun die Schilderungen, die der göttliche Heiland von dem Himmel und dem Leben der Seligen in demselben entworfen hat, wenn wir dazu die fremdartigen Bilder betrachten, durch welche der heilige Apostel und Evangelist Johannes die Kämpfe der Kirche auf Erden und ihre Verherrlichung im Himmel dargestellt hat; dann werden wir auch etwas milder in der Beurteilung der sinnbildlichen oder sinnlichen Darstellungen sein, die der Talmud von Gott und seinem Verhältnisse zu den Juden, von den Engeln, von dem Messianischen Reiche giebt. Doch soll damit keineswegs geleugnet sein, daß im Talmud sich gar manches Alberne und Läppische findet, das besser beseitigt würde. Schon im Mittelalter haben gelehrte Juden, wie Maimonides, anerkannt und zugegeben, daß neben dem guten Weizen auch viele unnütze Spreu im Talmud aufgehäuft ist. Man darf übrigens auch nicht vergessen, daß die Heimat des Talmud das Morgenland ist, wo die Einbildungskraft einen kühneren und weiteren Flug nimmt als bei uns im kühlen Norden.

Zu dem guten Weizen, der sich im Talmud findet, gehören wohl in erster Linie die schönen Gleichnisreden von dem reichen Prasser und dem armen Lazarus, von den klugen und thörichten Jungfrauen, von den Arbeitern im Weinberge, die Christus der Herr vorgetragen hat. Doch darf man auch nicht gleich jede Erzählung unter die Spreu oder unter den Schmutz des Talmud werfen, die auf den ersten Anblick anstößig, ja selbst entsetzlich erscheinen könnte. Eine solche Erzählung hat, um nur Ein Beispiel anzuführen, Professor Dr. Rohling in seinem Talmudjuden erwähnt; sie ist folgende: „Von Rabbi Elieser erzählt der Talmud, daß es keine H... in der Welt gäbe, die Elieser nicht gebraucht hätte; als er von einer hörte, die eine Kiste Gold verlange, nahm er die Kiste und reiste ihretwegen über sieben Ströme (das übrige ist gar zu garstig).“ Professor Franz Delitzsch in Leipzig, der eine Schrift gegen Rohlings Talmudjuden erscheinen ließ, fügt das übrige, das Dr. Rohling gar zu garstig gefunden hat, aus dem Talmud bei; es lautet: „Sie sagt ihm, als er in Wollust zu schwelgen beginnt, daß, wie ein Wind nicht dahin zurückkehrt, von wo er ausgegangen, so nun seine Seele ohne Möglichkeit der Umkehr dahingefahren sei. Da ging er hin und setzte sich zwischen zwei Berge und Hügelreihen. Ihr Berge und Hügel, rief er, verschafft mir Erbarmen! Sie antworteten: Ehe wir für dich Erbarmen erflehen können, haben wir für uns selber Erbarmen zu erflehen; denn es ist gesagt: Berge werden weichen und Hügel hinfallen. Da rief er:


  1. Lib. III. comment, in c. 18 Matth.
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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/82&oldid=- (Version vom 31.7.2018)