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eintraten, so wird man es begreiflich finden, daß die türkische Regierung den verurteilenden Spruch des Gerichts von Damaskus aufhob und die Angeschuldigten in Freiheit setzte.

Der Knabenmord in Xanten hat die Erinnerung an einen anderen Knabenmord wieder wachgerufen, der ebenfalls in der preußischen Rheinprovinz in der Nacht vom 13. zum 14. Juli 1834 bei Neuenhoven, Kreis Grevenbroich, Regierungsbezirk Düsseldorf ausgeführt wurde. Die leichtgläubige Menge ließ sich auch hier sofort zur Annahme verleiten, daß ein ritueller Mord vorliege. Die Wohnungen zweier in Neuenhoven wohnenden Juden wurden am 20. und 21. Juli samt den darin befindlichen Hausgeräten und Waren von einem aufgebrachten, erbitterten Volkshaufen zerstört, während gleichzeitig die Synagoge zu Bedburdyk erstürmt und niedergerissen wurde. Wenige Tage später, am 26. Juli, erschien in dem Amtsblatte der Regierung in Düsseldorf folgender Erlaß des Oberprokurators: „Die im Kreise Grevenbroich geschehene Ermordung eines Kindes christlicher Eltern hat einen aus der Barbarei längst verflossener Jahrhunderte hervorgegangenen Aberglauben erweckt und grobe Gewaltthätigkeiten gegen die in der Nähe wohnenden Juden und die Stätte ihrer religiösen Versammlungen veranlasst. Die gerichtliche Feststellung des Thatbestandes der Ermordung hat jeden Gedanken an die Wirklichkeit des albernen Märchens vollständig widerlegt, und die Rädelsführer der gegen die Juden gerichteten Angriffe befinden sich in den Händen der Gerechtigkeit.“

Der sogenannte Ritualmord ist auch im preußischen Abgeordnetenhause mehrmals, zuletzt in der Sitzung vom 19. März 1892, Gegenstand weitläufiger Debatten gewesen, aus denen hervorgeht, daß es auch in den höheren Ständen noch immer nicht an Männern fehlt, welche an das Märchen von dem Blutmorde der Juden glauben. Was mir bei diesen Debatten am meisten auffiel, war ein Artikel des in Mailand erscheinenden Katholischen Beobachters „Osservatore cattolico“, welcher von einem Redner in der Sitzung vom 19. März vorgelesen wurde. In diesem Artikel, wenn er anders richtig wiedergegeben wurde, muß der hochwürdigste Herr Fürstbischof Dr. Kopp sich gefallen lassen, daß er ein Dilettant, und sein Gutachten, das er hinsichtlich des Ritualmordes abgegeben hat, ein oberflächliches, der Wahrheit zuwiderlaufendes genannt wird. Es wird dem hochwürdigsten Herrn der Rat gegeben, die betreffende katholische Litteratur zu studieren, sich der Prozesse zu Trient, Damaskus u. a., und der Thatsache zu erinnern, daß unsere Kirche Heilige besitzt, die von den Juden geschächtet wurden, und so viele andere Beweise, welche seine nicht ganz vorsichtige und eigenartige Ableugnung mit Erfolg widerlegen. Es ist nützlich, festzustellen, daß der hebräische Blutritus existiert, und daß in erster Linie der katholischen Kirche das Verdienst zukommt, ihn durch Strafprozesse kriminalistisch enthüllt zu haben.[WS 1]

Ich konnte kaum meinen Augen trauen, als ich diese Worte las. Ja, freilich! Wer die bezügliche Litteratur kennt, der weiß, oder muß wissen, daß weder der Prozeß von Trient, noch viel weniger der Prozeß von Damaskus, noch irgend ein anderer derartiger Prozeß den glaubwürdigen Beweis erbracht haben, daß ein sogenannter Blutritus der Juden existiert; er

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: “ (keine öffnenden Anführungszeichen)
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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/71&oldid=- (Version vom 31.7.2018)