Christenblut zu ihren Bedürfnissen gebrauchen, obwohl er alle deswegen genau befragt habe.
Am Anfange unseres Jahrhunderts, am 8. Mai 1814, hat die theologische Fakultät der Universität Leipzig ein ausführliches Gutachten an den König von Sachsen eingereicht, in welchem sie sich entschieden gegen den Wahnglauben von dem rituellen oder Blutmorde der Juden ausgesprochen hat.
Auch das erzbischöfiche Kapitel und der hochwürdigste Herr Erzbischof von Lemberg, Kajetan Ignatius, waren von der jüdischen Gemeinde gebeten worden, ihre Anschauung über die Meinung, ob die Juden zur Zeit ihrer Feiertage Christenblutes bedürftig wären, gegründet oder ungegründet sei, kundzugeben. Die Antwort, die am 6. Mai 1801 von dem Metropolitankapitel gegeben wurde, lautet, daß zwar vormals und zum Teil auch jetzt noch unter dem gemeinen Volke diese Meinung allgemein bestand, daß sich aber keineswegs ein Grund in den Kirchenentscheidungen oder jenen der Päpste zur Bestätigung einer derartigen Meinung vorfinde.
Im Jahre 1842, als die Ermordung des Papstes Thomas zu Damaskus durch die Juden vielfach als ein ritueller Mord bezeichnet wurde, hat Professor Molitor, Verfasser der Philosophie der Geschichte oder: „Über die Tradition im Alten Bunde und ihre Beziehung zum Neuen Bunde“, unter Anrufung des Allerhöchsten, des Gottes der Wahrheit und Liebe, nach seinem Wissen und seiner Überzeugung beteuert, daß er niemals mündlich oder schriftlich, oder auf irgend einem anderem Wege von den Juden irgend etwas vernommen oder erfahren habe, was der Beschuldigung, als bedienten sie sich des Menschenblutes zu irgend einem religiösen ceremonialen Gebrauche, auch nur zum entferntesten Vorwande, viel weniger zur Rechtfertigung dienen könnte, daß ihm vielmehr bewusst sei, wie den Juden aller Blutgenuss überhaupt strengstens durch ihr Gesetz untersagt werde, und wie besonders der Teig der Mazza durch solche Berührung aufhören würde, gesetzlich genießbar zu sein.
Im Jahre 1882, als das spurlose Verschwinden des Leichnams der ermordeten Esther Solymossi in Ungarn Veranlassung gab, die alte Anklage und Blutbeschuldigung gegen die Juden wieder zu erheben, haben vier Universitäten und achtzehn christliche Gelehrte, unter ihnen auch der hochwürdigste Herr Fürstbischof Kopp von Breslau, damals Bischof in Fulda, längere ausführliche Gutachten oder kürzere Erklärungen abgegeben und die gegen die Juden erhobene Anklage wegen rituellen Mordes zurückgewiesen.
Es ist ja wahr, daß in einzelnen Fällen die Ermordung von Christenknaben durch Juden gerichtlich festgestellt wurde, aber es sind das immer nur sehr wenige Fälle; in eben so vielen Fällen mußten die wegen eines rituellen Mordes angeklagten Juden freigesprochen werden. Nach den amtlichen und amtlich beglaubigten Aktenstücken, welche Dr. Horovitz seinem Vortrage über Korfu beigefügt hat, wird wahrscheinlich auch in Korfu die Freisprechung der Juden, die der Ermordung eines Christenmädchens beschuldigt werden, erfolgen müssen, da das ermordete Mädchen der jüdischen, und nicht der christlichen Religion angehörte.
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/67&oldid=- (Version vom 31.7.2018)