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aber schließlich alle Juden ohne Ausnahme Christenblut genießen konnten, wurden einige Tropfen Christenblutes mit dem Teige vermischt, aus welchem die ungesäuerten Osterkuchen – Mazza – gebacken wurden.

Daß die angeführten jüdischen Gebräuche wirklich dazu mitgeholfen haben, in dem Christenvolke den Glauben zu erwecken oder es in dem Glauben zu bestärken, die Juden benützten zu religiösen Zwecken Christenblut, dürfte wohl keinem Zweifel unterliegen. Andernfalls hätte auch der polnische Rabbiner David Halevi – geboren ca. 1600 -, wie Dr. Strack in seinem angezogenen Gutachten erwähnt, seine Glaubensgenossen gewiss nicht aufgefordert, den Gebrauch des Rotweines zum Beginne des Opferfestes wegen der Lügen, die an ihn geknüpft worden sein, für die Zukunft zu unterlassen.

Bei der Blutbeschuldigung der Juden liegt demnach die Sache doch ganz anders, als bei der Blutbeschuldigung der Christen in den ersten Jahrhunderten. Weil die Heiden davon gehört hatten, daß die Christen bei ihren gottesdienstlichen Versammlungen Menschenfleisch und Menschenblut genießen, kamen sie auf den Glauben, daß die Christen zu diesem Zwecke Kinder schlachteten. Aber niemals ist es einem heidnischen Richter eingefallen, eine Untersuchung darüber anzustellen, ob wirklich von Christen ein Kind zu religiösen Zwecken abgeschlachtet worden sei. Hierzu fehlte eben jeder Anhaltspunkt, über die Anklage wegen Kindermordes herrscht in den Märtyrerakten tiefes Schweigen. Bei der Blutbeschuldigung der Juden dagegen sehen wir, wie die Juden zuerst angeklagt werden, daß sie Christenkinder abgeschlachtet haben, und erst dann, nachdem solche Morde sich wiederholt und in der gerichtlichen Untersuchung als erwiesen dargestellt haben, kommt das Christenvolk zu dem Glauben, dass die Juden das Blut geschlachteter Christenkinder zu religiösen Zwecken nötig haben.

Dazu kommen noch einige Umstände, die mir höchst beachtenswert und ganz geeignet scheinen, den Glauben des Christenvolkes an die sogenannten rituellen Morde der Juden als einen nicht ganz ungerechtfertigten erscheinen zu lassen.

Der Gerichtsforscher Dr. Damberger hat uns bereits erzählt, daß besonders im achten und neunten Jahrhundert Christenknaben von den Juden abgefangen, entmannt und in die türkischen Harems verkauft wurden. Bei der gefährlichen Operation, die an den Knaben vorgenommen wurde, mussten wohl manche derselben das Leben lassen, und hier sieht Damberger den ersten Ursprung des sich immer weiter verbreitenden Volksglaubens, daß die Juden Christenkinder schlachteten. Wir können aber seiner Ansicht nicht beistimmen. Es ist allerdings geschichtliche Thatsache, die sich nicht leugnen läßt, daß die Juden in der angegebenen Zeit Handel mit Christenknaben trieben, aber die Geschichte erzählt uns nichts davon, daß man damals schon die Juden der Abschlachtung von Christenkindern zu religiösen Zwecken angeklagt hätte. Man hatte keine Anhaltspunkte für religiöse Kindermorde durch die Juden, und darum hat das Christenvolk ihnen damals diesen Vorwurf auch noch nicht gemacht. Dieser Vorwurf ist erst später, als man Anhaltspunkte für ihn hatte, und zwar erst im zwölften Jahrhundert, wie auch Dr. Horovitz richtig bemerkt, gegen die Juden erhoben worden. Und worin bestanden diese Anhaltspunkte?

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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/65&oldid=- (Version vom 31.7.2018)