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und sie vor allen, mit den Brüdern aus allen Völkern der Erde friedlich zusammenwohnen und sich des himmlischen Segens erfreuen sollen! Auch der katholische Priester betet um Beschleunigung dieses Tages, besonders am heiligen Karfreitage, wo er im Namen des ganzen Christenvolkes Gott bittet, er möge die Decke von den Herzen der Juden nehmen und sie von seinem Erbarmen nicht ausschließen, damit sie das Licht der Wahrheit, die Jesus Christus ist, erkennen und ihren Finsternissen entrissen werden. Wenn wir aber gerecht sein wollen gegen das Jugendvolk, dürfen wir auch nicht übersehen, was zu gunsten desselben, um den Judenwucher in früheren Jahrhunderten zu erklären und einigermaßen zu entschuldigen, gesagt werden kann.

Die Juden durften bis in die neueste Zeit herein keinen Grund und Boden erwerben und konnten infolgedessen auch kein Geschäft betreiben, wozu Grund und Boden notwendig ist. Auch ein Handwerk zu treiben, fiel ihnen schwer, da sie in keine Zunft und Innung als Mitglieder aufgenommen wurden. Sie waren durch die Verhältnisse auf den Handel, und da in früheren Jahrhunderten die Christen von dem hingeliehenen Gelde keinen Zins nehmen durften, auf die Geldgeschäfte angewiesen. Dabei darf man auch nicht vergessen, daß die Juden nur einen Teil von dem, was sie durch Wucher sich aneigneten, behalten durften, und wie sie den anderen Teil an den Kaiser, die Fürsten, die Städte, in deren Schutz sie standen, abliefern mußten. Diese unter Umständen höchst ergiebigen Einnahmen bildeten den Hauptgrund, warum die Kaiser ihre Kammerknechte, die Fürsten und Städte ihre Juden beschützten, und sie waren überhaupt der Grund, warum man den Juden den Aufenthalt im Lande gestattete. Diese Einnahmen von den Juden erklären es auch, wie man die Juden gleich einem einträglichen Grundstücke verkaufen, verpfänden, verschenken konnte, und warum Standesherren und Städte es als eine große Gunst und Wohlthat betrachteten, wenn der Kaiser in den gestattete, daß sie einer bestimmten Anzahl von Juden die Niederlassung in ihrem Burgfrieden gewähren durften. Wir haben auch bereits erwähnt, wie die Juden jeden Augenblick gewärtig sein mußten, daß ihnen das Vermögen, welches sie sich erworben hatten, wieder genommen wurde. Der Kaiser konnte ihr Vermögen jederzeit einziehen, und wenn er einem verschuldeten Adeligen eine Freude machen wollte, zerriß er, wie wir bereits angeführt haben, einfach die Schuldscheine, die derselbe an Juden ausgestellt hatte, und befreite ihn so von seinen Schulden.

Wir wollen auch noch beifügen, daß christliche Obrigkeiten sich nicht entblödeten, die Juden geradezu zum Wucher aufzufordern. Einem Rabbiner in Frankfurt im fünfzehnten Jahrhundert, der die ihm zugemutete Steuer als weit zu hoch für seine Verhältnisse bezeichnete, ließ der Frankfurter Senat die kurze Antwort zugehen: „Er soll wuchern!“

Solche Thatsachen sind gewiß geeignet, den Judenwucher in früheren Jahrhunderten einigermaßen zu entschuldigen. In der Gegenwart freilich und dort, wo die Juden als Unterthanen eines Staates den christlichen Mitbürgern völlig gleichgestellt sind, kann der Judenwucher durchaus nicht entschuldigt, sondern muß eben so streng beurteilt und bestraft werden wie der Wucher, den die Christen treiben.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)