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samt dem Klerus und der ganzen Kirche den schmählichsten Undank von den Juden erfahren haben.

Am Ende des sechsten Jahrhunderts klagten die Juden in der Stadt Cagliari über Mißhandlungen und Bedrückungen, und baten den damaligen Papst Gregor den Großen um Abhilfe. Der Papst hörte ihre Klagen an und erließ sofort den Befehl, daß die den Juden zu Cagliari entrissene Synagoge ihnen wieder zurückgegeben werde. Mit Belehrung soll man auf die Juden einzuwirken suchen, sagt der Papst, dagegen sei harter Zwang gegen sie zu vermeiden.

Allerdings hat man auch im siebenten Jahrhunderte schon Beispiele, daß die Bischöfe eines Landes den König angehen, er möge die Juden, die nicht Christen werden wollten, zur Auswanderung nötigen, wie das von einer Synode in Spanien geschah. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß diese Synoden zugleich Reichstage waren, zu denen auch die Großen des Landes sich einfanden, und daß man der Juden in Spanien sich nicht anders erwehren konnte. Hätten sie den Wucher gelassen und angefangen, sich redlich zu ernähren, und hätten sie es auch unterlassen, mit den Feinden des Landes Verräterei zu spinnen, dann wäre nie ein Kanon aufgestellt worden, der die Landesverweisung der Juden ausgesprochen hätte. Auffallend bleibt immerhin, daß man nicht den Versuch machte, gegen den Wucher auf gesetzlichem Wege vorzugehen, und ihn durch Wucher- oder Zinsgesetze zu beseitigen. Hieraus sowie aus der Thatsache, daß die Juden, die sich taufen ließen, im Lande bleiben durften, scheint hervorzugehen, daß auch der Unglaube der Juden ein Hauptgrund mit war, weshalb sie vertrieben wurden.

Als im neunten Jahrhunderte in Frankreich große Aufregung gegen die Juden herrschte, weil sie ungescheut, durch bestochene Beamte geschützt, mit Christensklaven Handel trieben, waren es der Erzbischof Agobard von Lyon und noch zwei Bischöfe, welche an den Kaiser Ludwig eine demütige Vorstellung richteten und ihn baten, er möge den ruchlosen Handel verbieten, damit die Veranlassung zur Erbitterung des Christenvolkes gegen die Juden beseitigt werde. Ein anderer Grund, weshalb die Christen oft gegen die Juden aufgeregt wurden, lag darin, daß die Juden sich häufig widersetzten, wenn einer von ihren Sklaven die heilige Taufe empfangen wollte. Sie beriefen sich dabei auf ein kaiserliches Privilegium, nach welchem keiner von ihren Sklaven die heilige Taufe empfangen dürfe, ehe der betreffende jüdische Herr seine Einwilligung dazu gegeben habe. Wenn die Bischöfe den Kaiser bitten, dieses vorgebliche Privilegium zu beseitigen, und zu gebieten, daß dem Empfang der heiligen Taufe kein Hindernis von seiten ungläubiger Dienstherren in den Weg gelegt werde, so sind sie dazu als Bischöfe der Kirche in ihrem vollen Rechte, und sie fügen den Juden damit auch kein Unrecht zu, sondern handeln vielmehr zu deren Gunsten, indem sie einen Gegenstand zu beseitigen suchen, der immer wieder aufs neue zu Klagen und Ausschreitungen des Christenvolkes gegen die Juden Veranlassung geben mußte.

Zeitweise haben die Juden auch anerkannt, daß die Bischöfe der Kirche es gut mit ihnen meinten, wie wir, um ein Beispiel anzuführen, aus Ditmars Chronik entnehmen können, der uns erzählt, wie

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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)