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Teufel seien, und erging sich in so pöbelhaften Schilderungen, daß seine späteren Anhänger diese Äußerungen der Vergessenheit anheimzugeben sich bemühten.[1] Ähnliche Gesinnungen gegen die Juden sprachen auch andere Wortführer der neuen Lehre aus, die von Luther ihren Namen hat. Doch brach in Deutschland damals keine Judenverfolgung aus, weil die lutherischen Prediger und das Volk von den weltlichen Kirchenherren in Schranken gehalten wurden. Diese schützten die Juden, weil sie ihren Nutzen brachten, und gestatteten ihnen, daß sie bei ihren Edelsitzen sich ansiedeln durften. Das ist so bis in die neueste Zeit herein geblieben. Wenn man daher irgendwo in einer Gegend in größerer Anzahl Juden, Pappelbäume[WS 1] und arme Leute sah, so durfte man sicher darauf rechnen, daß daselbst ein adeliger Gutsherr seinen Wohnsitz hatte. Daß aber die alte Abneigung gegen die Juden in der Masse des deutschen Volkes auch damals vielfach noch vorhanden war, zeigt der Tod des Juden Lippold in Berlin, der im Jahre 1575 ein Opfer der Volkswut wurde.

Am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts zeigte sich am Main und Rhein wieder großer Unwille des christlichen Volkes gegen die Juden, die man zu vertreiben suchte. Als sie in Frankfurt a/M. in ihrem Viertel von einem christlichen Volkshaufen angegriffen wurden, wehrten sie sich gegen die Angriffe und vermehrten durch ihren Widerstand den Zorn des Volkes. Es zogen Truppen ein, den Juden wurde der Schutz der Stadt aufgekündigt. Nun verlangten sie sicheres Geleit zum Abzuge. Da ändert sich plötzlich die Stimmung der Frankfurter Bürgerschaft; der Rädelsführer des Aufstandes, Vettmilch, wird hingerichtet, und kaum sind die Juden ausgezogen, so ziehen sie wieder unter Sang und Klang in Frankfurt ein. Über dem Eingange ihrer Straße stand die Aufschrift: „Des Kaisers und des ganzen Reiches Schutz.“

Um dieselbe Zeit wollte auch das christliche Volk in Worms der Tausende von Juden, die in der Stadt wohnten, sich entledigen und die Juden wurden aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Sie verließen ihr Quartier, und das Volk plünderte ihre siebenhundert Jahre alte Synagoge aus. Doch im Jahre 1616 konnten die Verjagten unter dem Schutze des Kaisers in Worms wieder einziehen.

Viel größere Leiden brachen im Jahre 1649 über die Juden in Polen herein. Der Kosaken-Hetman Chmel richtete ein schreckliches Blutbad unter ihnen an. Fast kein Ort in Polen blieb verschont. Die dem Tode Entronnenen zerstreuten sich bis nach Holland und England. Ähnliches geschah in Litauen im Jahre 1654 durch die Moskowiter.

Auch in Österreich fanden in diesem Jahrhundert Judenaustreibungen statt. Infolge einiger Excesse wurden die Juden im Jahre 1670 aus Wien und Österreich vertreiben, ihre Synagogen in Kirchen verwandelt. Nachdem sich unter Kaiser Leopold wieder eine jüdische Gemeinde in Wien gesammelt hatte, mußten im Jahre 1700 infolge eines Volksauflaufes die Juden Wien aufs neue verlassen und nach Preßburg ziehen.


  1. Dr. Hergenröther, Kirchengeschichte II. 305.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pappelbänme
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)