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still und schnell, daß die Unglücklichen, wie Damberger[1] sagt, die schauerlichen Ketten eher an den Händen hatten, als sie dieselben klirren hörten. Im August wurden die unbeweglichen Güter der Juden verkauft, die ihnen schuldigen Kapitalien, jedoch mit Erlassung der rückständigen Zinsen, von königlichen Kommissarien eingetrieben und sodann die bis auf einen geringen Zehrpfennig Ausgeplünderten in die Verbannung geschickt. Die Rückkehr der Juden nach Frankreich ward bei Todesstrafe verboten. Viele verschmachteten in Not und Elend, noch ehe sie über die Grenze kamen. Und was geschah neun Jahre später?

Im Juli 1315 gestattete der König Ludwig X. von Frankreich, um Geld zur Aufstellung und Unterhaltung eines zahlreichen Kriegsheeres zusammenzubringen, den Juden wieder die Rückkehr nach Frankreich und einen zwölfjährigen Aufenthalt im Lande, damit sie ihre Darlehen eintreiben könnten, wovon jedoch der König zwei Dritteile sich selbst vorbehielt.

Im Jahre 1320 sah man im nördlichen Frankreich Scharen von armen Leuten aufbrechen, zumeist mit Stöcken bewaffnete Hirten, weshalb Pastoureaux oder Pastorels genannt, welche paarweise, in Prozession, die Kreuzfahne voran, ernst und schweigsam durch Städte und Flecken zogen, und nur in den Kirchen anbetend verweilten. Ein seiner Pfarrei entsetzter Weltpriester und ein ausgesprungener Benediktiner sollen sich bei diesen Haufen als Führer und Redner hervorgethan haben. Anfangs spendete fromme Teilnahme reichliches Almosen, weshalb es kein Wunder ist, daß die Haufen sich fortwährend vergrößerten, selbst durch Weiber und Knaben, besonders durch Bettler, Landstreicher und den Müßiggang liebendes Gesindel. Und wer sollte und konnte hier die Ordnung erhalten? Teils aus Mangel, teils auch aus Mutwillen wurden Diebereien und selbst auch gewaltsame Plünderungen ausgeführt, und immer kecker wurde mit ihrem Anwachsen die Menge, die man bald auf 40,000 Köpfe schätzte. Das Hauptheer wagte sogar in Paris einzurücken und dort die Gefängnisse des Chatelet und von St. Martin des Champs zu erbrechen, um jene Pastorels in Freiheit zu setzen, die von königlichen Gerichtsbeamten verhaftet worden waren. Sie mißhandelten sogar den Prevot von Paris und zogen ungestraft und ungehindert weiter nach dem Süden.

Am 25. Juni 1320 waren die Pastorels urkundlich zu Albi. Von anderen Ausschweifungen nichts zu erwähnen, fielen diese fanatischen zuchtlosen Horden wütend über die Juden als die nächsten und wehrlosesten Feinde des Kreuzes her, namentlich in der Gegend von Toulouse und Carcassone, plünderten sie aus und ermordeten nicht wenige unter dem lauten Beifall der die Juden leidenschaftlich hassenden Bewohner jener Gegend. Die Obrigkeit wußte sich keinen Rat. Als sie 500 flüchtigen Juden auf ihr Bitten ein königliches Schloß, Verdun geheißen, in dem Sprengel von Toulouse zum Rettungsort öffnete, hatte sie nicht Kraft genug, die tollen Pastorels von der Belagerung des Schlosses abzuhalten. In der Verzweiflung wehrten sich die Juden auf das äußerste, bis von den Belagerern Feuer angelegt


  1. l. c. XIII. 599.
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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)