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entstünde, zu unseren Feinden sich schlage, wider uns streite und aus dem Lande ziehe.“ Und es wurden Frohnvögte über die Israeliten gesetzt, um sie zu quälen mit schweren Arbeiten; sie mußten die Hüttenstädte Phithom und Ramesses erbauen. (Exod. 1.) Als aber trotz der harten und verdoppelten Arbeiten das Volk immer mehr wuchs und sich vermehrte, gab der König den grausamen Befehl, daß alle neugeborenen israelitischen Knäblein ersäuft werden sollten. Da wanderte endlich nach Überwindung vieler Schwierigkeiten das Volk Israel freiwillig aus Ägypten aus. Für ihre schweren Arbeiten, die sie zu gunsten der Ägypter ohne Lohn verrichtet hatten, und für die Güter, die sie zurückließen, hatten sich die Israeliten dadurch bezahlt gemacht, daß sie vor ihrem Abzuge auf Gottes Befehl von den Ägyptern goldene und silberne Gefäße und sehr viele Kleider begehrten, die ihnen auch bereitwillig gegeben wurden, weil Gott dem Volke vor den Ägyptern Gnade verliehen hatte. (Exod. 1. 5. 12. 13. )

In der christlichen Zeitrechnung dürfte die erste größere Verfolgung der Juden nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Römer und nach der Zerstreuung der Juden unter alle Völker jene gewesen sein, die im Anfange des sechsten Jahrhunderts in Italien ausbrach, indem die christliche Bevölkerung von Rom, Ravenna, Neapel, Mailand, Genua plötzlich über die Juden herfiel, ihre Synagogen einäscherte, ihre Häuser plünderte und viele Juden tötete. Der protestantische Geschichtschreiber W. Menzel erblickt die Veranlassung zu dieser Verfolgung hauptsächlich in den Wuchergeschäften der Juden und sagt: „Dieses politisch tote Volk hatte sich wie ein Ungeziefer bei allen noch lebenden Völkern eingenistet und, seitdem es den Gottessohn gemordet, vom Dämon des Judas Ischariot besessen, den Geldbeutel des letzteren zum Panier erhoben, trieb mit einer merkwürdigen Scheu vor jeder Handarbeit nur Geldgeschäfte, Geldwechsel, Geldverfälschung, Geldbeschneidung, Geldausleihung auf Wucherzinsen u. s. w., und war dadurch bald sehr reich geworden. Das christliche und heidnische Volk, welches arbeiten mußte, wollte sich nun nicht gern um den Lohn seiner Arbeit von den pfiffigen Juden betrügen lassen und haßte sie mit gutem Grunde. Mehrere Dichter jener alten Zeit sprechen mit der tiefsten sittlichen Indignation von den Juden. Rutilius nennt sie „eine Pest“. Das Volk ließ sich also leicht gegen sie aufreizen.[1] Dieses Urteil Menzels ist offenbar zu hart und für die damalige Zeit auch unberechtigt. Wie die Geschichte bezeugt, trieben die Juden nicht bloß in der vorchristlichen Zeit, sondern auch noch lange in der christlichen Zeit bis in das Mittelalter hinein Ackerbau und Handwerke. Die alten Schriftsteller, wie Tacitus, Plinius, Apion, der Dichter Horatius, Juvenal, Quinctilian machen den Juden allerlei Vorwürfe, suchen sie dem Spotte und der Verachtung preiszugeben und den Haß der Heiden gegen sie aufzuregen; sie sagten, die Juden enthielten sich des Genusses von Schweinefleisch, weil ihre Ahnen durch den Genuß von Schweinefleisch von einer ekelhaften Hautkrankheit befallen und deshalb aus Ägypten vertrieben wurden;


  1. Allgem. Weltgeschichte von Wolfg. Menzel; Stuttgart, Krabbe, 1862; Bd. 4, S. 66.
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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)