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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Krummhübel (550 m) verlassen wir die Eisenbahn, steigen über Brückenberg nach der alten nordischen Kirche Wang, wandern durch den Fichtenwald nach der Schlingelbaude und treten nun, nachdem wir die Große Lomnitz, den Abfluß beider Teiche, überschritten haben, in die steinerne Nische ein, deren Wände, je weiter wir schreiten, immer steiler, immer massiger, immer zerrissener sich erheben. Der Wald verschwindet und macht niedrigen Sträuchern Platz, zwischen denen in immer feuchter Luft riesige Stauden saftiger Kräuter wachsen und die gefiederten Stengel des Enzians schwanken. Endlich überschreiten wir einen Wall aus Steintrümmern und vor uns liegt das Bild, das der Maler dargestellt hat: ein riesiger runder Felsenkessel, der See mit dem klaren, grünlichen Wasser, das gastliche Blockhaus, das nur in den Mittagsstunden des Sommers die Sonnenstrahlen auffängt, und die grünen Rasenflächen, auf denen eine Herde brauner Kühe weidet.

Links ab von der Baude führt ein kurzer Zickzacksteg hinauf zur Hampelbaude, der ältesten Gaststätte des Gebirges, auf die freie Höhe und auf den Weg, den die Schlesier schon vor Jahrhunderten zu frommer Wallfahrt nach der Laurentiuskapelle auf dem Gipfel der Schneekoppe beschritten.

Dr. Baer.


Der Säulensturz im Ammontempel zu Karnak. (Zu dem Bilde S. 885.) Aus Oberägypten kam vor kurzem eine bedauerliche Nachricht. In dem Säulensaale des berühmten Ammontempels zu Karnak stürzte eine 27 m hohe Säule ein und riß zehn andere mit sich um. Jahrhundertelang bauten einst an diesem Tempel die ägyptischen Könige. Wo jetzt Karnak und andere Dörfer liegen, breitete sich früher die Hauptstadt Theben aus. Deren Lokalgott Ammon wurde mit der Zeit für Aegypten zum „König der Götter“. Um ihn zu verherrlichen, baute schon um 2100 v. Chr. König Usertesen I an der Stelle eines alten Heiligtums einen Tempel. Die Nachfolger Usertesens erweiterten die Anlage, um welche Höfe, Kapellen und Pylonen entstanden. Unter Ramses I, Seti I und Ramses III entstand ein großartiger Säulensaal. Spätere Geschlechter bauten weiter an dem Tempel, bis das ägyptische Reich zusammenbrach. Bald wurde die verlassene heilige Stätte der Verwüstung preisgegeben. Die Araber zerstörten die heidnischen Tempel. Unablässig nagten auch an den Steinbauten die Naturgewalten. Wiederholt hat der Ammontempel unter Erdbeben gelitten; die Nilüberschwemmungen unterwuschen seine Grundpfeiler. Unsere Zeit bemühte sich, die Ruinen vor weiterem Verfall zu schützen und, soweit möglich, die Bauwerke wiederherzustellen. 1895 begann der Franzose Legrain im Auftrage der ägyptischen Regierung mit Arbeiten zur Erhaltung des Tempels von Karnak. Schwankende Säulen stützte man und richtete die gestürzten Statuen auf. Im Anfang dieses Jahres schritt Legrain an die Restaurierung des Säulensaales. Gefahr drohte dem Saal von einer Säule, deren Einsturz man befürchtete. Stück für Stück wurden ihre Hunderte von Centnern schweren Kapitäle, Architraven und Trommeln abgetragen. Da ereignete sich das Unglück: in dem herrlichen Bauwerk gähnt eine Lücke, an deren Stelle der Boden mit den Trümmern der elf gestürzten Säulen bedeckt ist. Eine Kommission, die von der ägyptischen Regierung zur Untersuchung des Unfalls an Ort und Stelle entsendet wurde, meint, daß der Einsturz die Folge eines Erdbebens gewesen sein könne. Doch wird die Schuld auch auf den Nil geschoben.

Trotz vorhandener Dämme sickern seine Wasser zur Zeit der Ueberschwemmung durch den Erdboden und auch in diesem Jahre stand das Wasser in dem Säulensaal 21/2 m hoch.

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Vesperbrot des Orang-Utan „Rolf“ im Zoologischen Garten zu Berlin. (Zu dem Bilde S. 889.) Wenige Tiere unserer Zoologischen Gärten erfreuen sich eines so allgemeinen Interesses seitens der Besucher wie die Menschenaffen, die, wenn sie verständig behandelt und jung in die Gewalt des Menschen gekommen sind, mit der Zeit geradezu populär werden können. Unser Bild zeigt uns den jetzt leider verstorbenen „Rolf“, ein Tier, welches im April 1895 etwa fünf- bis sechsjährig als Geschenk des Herrn Dr. Dohr von Sumatra in den Besitz des Zoologischen Gartens in Berlin kam und sich dort vortrefflich hielt und entwickelte, bis eine Lungenentzündung seinem Leben im Mai dieses Jahres ein Ende setzte.

Trotzdem sein Aeußeres wegen der vorstehenden Lippen, der langen Arme und der kurzen Beine keineswegs das war, was man nach menschlichen Begriffen etwa als „chic“ und „anmutig“ zu bezeichnen pflegt, so wußte er sich doch durch sein Thun und Treiben häufig genug die entschiedenste Zuneigung selbst der eleganten Damenwelt zu sichern. In seinem Gelasse des neuen Berliner Affenhauses schon beständig von Schaulustigen umlagert, kam er doch erst zur vollen Geltung, wenn er vom Wärter ru seinen Mahlzeiten in dessen Zimmer abgeholt wurde. Hand in Hand gingen sie durch das Affenhaus, und im Wärterraum angelangt, bestieg „Rolf“ den an der Wand stehenden Tisch, setzte sich nach orientalischer Sitte mit untergeschlagenen Beinen auf diesen und musterte das andrängende Publikum. Inzwischen bedeutete er seinem Wärter durch eine Handbewegung in der Richtung auf den Speiseschrank, daß er wohlgeneigt sei, eine Tasse Thee zu sich zu nebmen. Nachdem er das leere Gefäß empfangen, hielt er es hin, um sich dasselbe füllen zu lassen, wobei er bereits in lüsterner Freude im Vorgenusse schwelgend den Mund spitzte. Unser Bild zeigt diese Scene in vollendeter Weise, allerdings nicht im Wärterzimmer, sondern in der Behausung des Affen selbst. Nachdem „Rolf“ seinen Thee mit Behagen geschlürft, die Tasse wieder zurückgegeben, eine Frucht, ein Stück Weißbrot oder etwas ähnliches verzehrt hatte, war er zu Scherz und Spiel aufgelegt.

Geduldig ließ er sich einen alten Schifferhut aufsetzen und spielte mit dem biedersten Gesichte den „ollen ehrlichen Seemann“, auf die Frage: „Wie, groß bist du?“ stellte er sich in voller Höhe auf die Füße. Stürmisch umarmte er seinen Wärter als Antwort auf die Frage: „Wie lieb hast du mich?“, und wenn einer der Anwesenden nicht glaubte, daß ein Orang lachen könne, so wurde er hier von dem Gegenteil seiner Ansicht überzeugt, denn „Rolf“ lachte, außer wenn er sich freute, auch auf Befehl aber das ganze Gesicht, allerdings ohne jede Lautäußerung. Unser Orang hatte nichts von der leider bei uns so häufigen Kränklichkeit seiner Brüder, er war ein strammer und munterer Bursche, auch war es kein chronisches Leiden, das ihn dem Leben entriß.

Dr. O. Heinroth.


Wotanszug. (Zu unserer Kunstbeilage.) Das Gemälde Edmund Hergers, welches durch den Kontrast zwischen dem scheuenden, bäumenden Roß, das der wilde Jäger am Zügel hält, im Vordergrunde und dem Geisterzug im Hintergrund eine wahrhaft packende Wirkung ausübt, illustriert ein Kapitel aus Julius Wolffs Dichtung „Der wilde Jäger“. Mit „Wunsch“ und „Wille“, seinem getreuen Hund und Roß, jagt Graf Hackelberend durch den Forst, einem Hirsch nach, einem stolzen königlichen Tier; die wilde Jagd saust wie eine Windsbraut durch den Wald. Da auf einmal hemmt der Hengst den rasenden Lauf; nicht Sporn, nicht Rufen bringt ihn vorwärts, der Graf muß absteigen.

Da naht Wotans Heer: vor dem Zuge mit langem Stabe ein freundlich ernster Mann, dann Wotan selbst auf seinem Streitroß, von zwei Raben umflogen, die göttliche Gemahlin an seiner Seite, den Wocken in der Haud, dahinter hünenhafte Recken. In gespenstischer Beleuchtung erscheint der Wotanszug auf dem Bilde des Malers, dessen Phantasie diejenige des Dichters wirkungsvoll ergänzt.


Kleiner Briefkasten.

L. St., Berlin. Ihrem von zahlreichen Abonnenten der „Gartenlaube“ geteilten Wunsch wird im neuen Jahrgang entsprochen werden. Durch Aufstellung neuer Maschinen in der Buchbinderei können von Neujahr ab die Nummern, Halbhefte und Hefte der „Gartenlaube“ geheftet und beschnitten ausgegeben werden. Wir freuen uns, damit einem bis jetzt nicht zu beseitigenden Uebelstande im Sinne unserrr Abonnenten abhelfen zu können.


„Prosit Neujahr!“
Nach einer Originalzeichnung von Karl Gehrts.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 896. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0896.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2018)