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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Vom Weihnachtsbüchertisch.

I. Für die Jugend. Ein gutes Buch, ein guter Freund! Selbst unsere Kleinen wollen nicht ohne diese freundliche Kameradschaft sein und begrüßen sie, wenn die Weihnachtstanne brennt, mit dem Gepatsch der Händchen. Für sie bietet F. Loewes Verlag (W. Effenberger) in Stuttgart drei reizende Gaben, für die Kleinsten, welche die Bücher gleich auch auf ihre Zähigkeit probieren, ein unzerreißbares Bilderbuch: „Tiere aus Haus und Hof“ mit 12 guten Farbdruckbildern von Chr. Votteler und passenden Begleitreimen, sodann ein durch seine schöne Ausstattung hervorragendes „Großes Tierbilderbuch“, 12 Farbdruckbilder des gleichen Künstlers mit illustriertem Text, der das Leben der verschiedenen Tiere in dem kindlichen Verständnis angepaßten Versen schildert, und endlich in 6. veränderter Auflage das in humorvoller Art gehaltene, mit „alten lieben Reimen“ geschmückte Kinderbuch „Allerlei Schnickschnack“, das 6 Farbdruckbilder und 36 Textabbildungen nach Originalzeichnungen von Oskar Pletsch, dem feinsinnigen Illustrator des Kinderlebens, enthält. Nicht minder Freude werden in der kleinen Welt die elegant und solid ausgestatteten Bilderbücher des Verlages J. F. Schreiber in Eßlingen erregen, so „Kinderlust“, ein Bilderbuch auf Pappe mit hübschen Begleitversen von Cornelie Lechler, ein „Militärisches Bilderbuch“ mit 16 Bildertafeln in Farbendruck und 6 Bildertafeln in Tondruck, die die wichtigsten Waffengattungen der deutschen, der österreichisch-ungarischen und anderer Armeen darstellen, „Ich kann schon französisch“, ein von Lothar Meggendorfer illustriertes Büchlein von Helene Schaupp-Horn, das den Kleinen an Hand seiner Bilder einen gewissen Vorrat an französischen Wörtern und Sätzchen, von denen es zugleich die Uebersetzung giebt, vermitteln will. Besonders aber werden die Bilderbücher dieses Verlags, die mit beweglichen Figuren ausgestattet sind, das Entzücken weitester Kinderkreise sein, das humoristische Album „Die Frau Bas“ von Lothar Meggendorfer, das mit seinen dreifach zerschnittenen Blättern die Zusammenstellung von viertausend verschiedenen Köpfen, hübschen und häßlichen, gestattet, das komische Bilderbuch „Der Verwandlungskünstler“ mit Illustrationen des gleichen Zeichners und Versen von Georg Böttcher, das Verwandlungsbilderbuch „Bubenstreiche“ ebenfalls von Lothar Meggendorfer und das prächtige Aufstellbilderbuch „Im zoologischen Garten“, dessen Menschen- und Tierfiguren sich in der That zu einem plastischen Lebensbild entwickeln lassen. Für Kinder, die sich in der schweren Kunst des Lesens bereits einige Fertigkeit erworben haben und gleichsam an der Schwelle der eigentlichen Jugendlitteratur stehen, legt der Verlag F. Loewe in Stuttgart einige Bände vor, die, aus dem Volksschatz der deutschen Litteratur geschöpft, uns Erwachsenen wie ein Gruß aus eigener Jugendzeit erscheinen. Da sind „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, die Georg Paysen Petersen für die Jugend neu bearbeitet, E. Klimsch mit Einschalte- und Textbildern geschmückt hat, die fröhlichen „Reisen und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“, die E. D. Mund mit trefflichem Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder neu erzählt, dann Ludwig BechsteinsNeues Märchenbuch“, in einer sorgfältigen Bearbeitung von Max Pannwitz, sowie „Deutsche Kindermärchen“ von Grimm und Bechstein, Bücher, zu denen verschiedene Künstler eine stattliche Zahl von Farbdruck- und Textbildern beigesteuert haben. Führen uns die letztgenannten zwei Werke in den Phantasiegarten des deutschen Volkes, so geleiten uns die „Märchen Wilhelm Hauffs“, die der Verlag in zwei von Fritz Bergen reich illustrierten Ausgaben und Zusammenstellungen vorlegt, in den Zauberwald des Morgenlandes, wo Khalif Storch sein Wesen treibt.

Besonders begehrt und beliebt sind bei der lesekundigen reifern Jugend die sogenannten Jahrbücher, die ihren Inhalt möglichst mannigfaltig gestalten, die verschiedenartigsten Bedürfnisse der jungen Welt durch die Vereinigung eines reichen Stoffes von Erzählungen, Bildern aus der Geschichte und dem Leben hervorragender Männer und Frauen, aus der reichen Welt der Tiere und Pflanzen, der Natur überhaupt befriedigen, dabei Auskunft über allerlei nützliche Beschäftigung geben und auch dem Scherz und Spiel der Jugend volle Beachtung schenken. Eine Reihe solcher Sammelwerke für die Jugend legt die Union, Stuttgart, auf den Weibnachtstisch, als Mädchenbuch besonders „Das Kränzchen“, das auf die heurige Weihnacht in elfter Folge aus der reichillustrierten Wochenschrift für junge Mädchen, als die es sonst erscheint, zum stattlichen Bande von über siebenhundert Seiten zusammengestellt ist. An größeren Erzählungen bietet es treffliche Beiträge von Bernhardine Schulze-Smidt und Luise Glaß, von jener die Geschichte „Annele“, von dieser „Schattenblümchen“, dazwischen ist eine Menge kleinerer Erzählungen, Gedichte, Sprüche, Aufsätze aus der Naturwissenschaft, Geschichte, Kunst, Länder- und Völkerkunde eingestreut und eine Fülle von Artikeln giebt Anleitung zur Beschäftigung und weiblichen Handarbeit, zu Unterhaltung, Scherz und Spiel. Ein Gegenstück zu diesem Mädchenjahrbuch bildet das reichillustrierte Knabenjahrbuch „Der gute Kamerad“, das in dreizehnter Folge vorliegt. Die novellistische Führung dieses Bandes haben Max Felde und C. Matthias mit den Erzählungen „Addy, der Riflemann“, einem spannenden Lebensbild aus der Zeit der Kämpfe zwischen Weißen und Indianern, und „Mit vollen Segeln“, den reichen Erinnerungen eines alten Seebären. Dazu bringt „Der gute Kamerad“, dessen Inhalt so recht auf das mutige Knabenherz gestimmt ist, eine Fülle von Mitteilungen aus den Gebieten des Heerwesens, der Marine und Luftschiffahrt, Belehrungen über einzelne Abschnitte der Geschichte, über Naturkunde und Gesundheitspflege, Anleitung für Spiele im Freien, sowie Aufgaben und Rätsel. Ein Knabenjahrbuch für ein noch reiferes Alter ist „Das neue Universum“ mit seinem Anhang „Häusliche Werkstatt“, die eine Menge Anregung zur Selbstbeschäftigung giebt. Es pflegt nun in zwanzigster Folge mit Wort und Bild besonders die interessanten Gebiete der Erfindungen und Entdeckungen, der Technik, des Verkehrs und des kolonialen Lebens, aber auch die charakterbildende Erzählung. Bescheiden nimmt sich neben diesen reich ausgestatteten Bänden der Union die vom Verlag E. Kempe in Leipzig zu einem Jahrbuch zusammengestellte Zeitschrift „Jugend-Gartenlaube“ aus, doch enthält auch sie hübsche Erzählungen und belehrende Aufsätze.

Die selbständige Erzählung nimmt wohl den weitesten Raum im Reich der deutschen Jugendlitteratur ein. Zwei billige ansprechende Bändchen dieser Art sind die von der Union, Stuttgart, in ihrer Universalbibliothek für die Jugend herausgegebenen Erzählungen W. O. von Horns: „Hans Joachim von Zieten“, „Der Brand von Moskau“ und „Der Herr ist mein Schild“, „Admiral Ruiter“, vier beliebte Stücke aus der ältern deutschen Jugendlitteratur. Einer freundlichen Aufnahme dürfen auch die beiden neuen Bünde der „Vaterländischen Jugendbücherei“ Julius Lohmeyers, die im Verlag von J. F. Lehmann in München erscheint, sicher sein. Im einen hat Gustav Schalk die „Großen Heldensagen des deutschen Volkes“ Nibelungen, Gudrun und Dietrich von Bern für die Jugend neu erzählt, im andern führt uns E. Wuttke-Biller „Lina Bodmer“, eine Heldin der deutschen Befreiungskriege, in fesselnder Darstellung vor. Die Erzählungen für die männliche Jugend zeigen, dem Geist der Zeit entsprechend, der besonders nach den Vorgängen in fernen Weltgegenden späht und sie mit erhöhter Aufmerksamkeit verfolgt, einen kräftig entwickelten Zug zur Darstellung exotischer Lebensverhältnisse. Als alte, noch aus der eigenen Jugend vertraute Bekannte begrüßen wir auf diesem Gebiet zuerst Coopers unverwüstliche „Lederstrumpf-Erzählungen“, die der Verlag von Gustav Weise in Stuttgart in der Neubearbeitung von Klaus Bernhard in einem stattlichen, mit Buntbildern geschmückten Prachtband neu herausgegeben hat und die mit ihren Jndianerabenteuern gewiß jetzt noch wie einst leicht entzündbare Knabenherzen in Flammen zu setzen vermögen. Das thut auch das in F. Loewes Verlag in Stuttgart erschienene Buch „Die Goldsucher von Klondyke“, in dem C. von Barfus die mit der Entdeckung der berühmten Goldfelder verbundenen Erlebnisse eines jungen Deutschen in patriotischem Ton und warmen Farben erzählt. Zwei altbekannte Namen auf dem Gebiet des exotischen Jugendromanes sind Karl May und Friedrich J. Pajeken mit ihren spannenden Werken, die auch von den Erwachsenen gern gelesen werden. Beide haben als Schauplatz ihrer neuesten Werke den amerikanischen Westen erwählt, während aber Pajeken in seinem „Bill, der Eisenkopf“, einem Buch, das wie das vorgenannte bei Loewe in Stuttgart erschienen ist, in die Prairie- und Jndianerromantik der sechziger Jahre zurückgreift und die durch den Bau von Eisenbahnen völlig veränderten Verhältnisse nur streift, führt uns Karl May mit seiner von der Union in Stuttgart herausgegebenen Erzählung „Der schwarze Mustang“, mit starker realistischer Kraft die Schicksale deutscher Auswanderer schildernd, in das moderne Leben des Westens hinein. Und endlich verdient unter den exotischen Jugendbüchern ein warmes Wort der Empfehlung die im gleichen Verlage in zweiter Auflage erschienene Erzählung Franz Trellers, „Der Letzte vom ,Admiral‘“, die an den reichbewegten Schicksalen eines jungen Hamburgers ein fesselndes Bild modernen Seelebens und eine Art Robinsonade entwickelt. Eine Erscheinung für sich bilden in der Litteratur für die Knaben und Jünglinge die der Belehrung dienenden, mit technischen und wissenschaftlichen Abbildungen ausgestatteten „Illustrierten Taschenbücher für die Jugend“, welche die Redaktion des „Guten Kameraden“ bei der Union in Stuttgart herausgiebt. Bis jetzt sind sechs Bandchen erschienen, nämlich „Berufswahl: Armee und Marine“. „Aquarium und Terrarium“. „Liebhaber-Photographie“. „Der junge Elektrotechniker“. „Kleine Sternkunde“ und „Jugendtheater“, Werkchen also, die sich in den Dienst der Wissenschaft und des praktischen Lebens stellen. Bereits an die Backfische der Mittelschulen wenden sich mehrere im Verlag von Gustav Weise erschienene frische Erzählungen. „In den Ferien“ von Jda Kunitz hält in befriedigendster Weise was der Titel verspricht. Bertha Clement entführt uns aus den heimischen Landen nach Damaskus und Jerusalem, um allerdings ihre Heldin das Hauptschicksal, die Hochzeit, in München erleben zu lassen. Von der gleichen Verfasserin stammt eine Erzählung, „Die Rosenkette“, mit der sie den Cyclus eines in seinen drei Teilen selbständigen und doch wieder verbundenen Mädchenromans zum schönen Abschluß bringt. Das vierte dieser Bücher ist „Das Stiftskind“ von Agnes Hoffmann, welche dann Freude und Leid eines mitten unter würdigen Stiftsdamen aufwachsenden überaus sympathischen Mädchens in anziehendster Weise schildert und vor dem Altar zum glücklichen Schlusse führt. Für das gleiche Alter bestimmt ist die mit allerlei anziehenden Mädchengestalten belebte, eine Fülle von Mädchenschicksalen entwickelnde Erzählung „Das Montagskränzchen“ von Luise Glaß, einer Lieblingschriftstellerin des „Kränzchens“, deren Redaktion mit dem Bande die „Kränzchen-Bibliothek“ eröffnet. Im gleichen Verlag, der „Union“ in Stuttgart, ist der 24. Band vom „Jugendgarten“ erschienen. Dieses reich ausgestattete längst eingebürgerte Unternehmen, das alljährlich zu Weihnachten erscheint, bietet neben gutgewählten Erzählungen und Gedichten allerlei gediegene Beiträge belehrender Art in anregender Abwechslung. Der neue Band enthält über 200 ein- und mehrfarbige Illustrationen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0831.jpg&oldid=- (Version vom 2.6.2023)