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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

haben und im gleichen Zeitraum mehr Abdrücke liefern können. Endlich können die Platten aus Aluminium infolge ihrer Biegsamkeit auch auf den Cylindern der Rotationsmaschinen aufgelegt werden.

Rechnet man nun noch hinzu, daß der Preis der Aluminiumplatte etwa nur ein Drittel von dem des lithographischen Steins beträgt, so wird man im Hinblick auf all die Vorzüge wohl kaum fehl gehen, wenn man der neuen Vervielfältigungsmethode eine Zukunft prophezeit. Dr. –t.     

Das neue Flußwasserwerk der Stadt Hannover. (Mit untenstehender Abbildung.) In der königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover ist ein großes Wasserwerk kürzlich zur Vollendung gelangt, dessen Gebäude der Stadt wahrhaft zur Zierde gereicht. An einem der schönsten Plätze Hannovers, in der Nähe des königlichen Schlosses und des Rathauses, dort, wo früher die alte Klickmühle stand, erhebt sich das imposante Maschinenhaus mit seinen schönen 55 m breiten Renaissancefassaden, an der Nordostseite flankiert von einem 35 m hohen Wasserturme. Der Bau ist nach den Entwürfen des Baudirektors Bock und des Baurats Professor Stier ausgeführt worden, als Material kam beim unteren Bau Kohlensandstein, für die Flächen des Aufbaus weißer Sandstein, für die Gliederungen, Ecken, Aufbauten roter Mainsandstein zur Verwendung.

 Treppenaufgang.
Das Maschinenhaus mit dem Wasserturm. 
Das neue Flußwasserwerk der Stadt Hannover.
Nach photographischen Aufnahmen von A. Niemeyer in Hannover.

Der zahlreiche plastische Ausschmuck des Hauptgebäudes stammt von den Bildhauern K. Engelhardt und E. Haller, der große Fries am Wasserturm, mit zahlreichen Tritonen, Nereiden und Tiergestalten von Professor C. Dopmeyer. Unsere Abbildung zeigt das Gebäude von der Flußseite aus, darüber die rechts daneben liegende Monumentaltreppe mit der von Kandelabern überragten Kaskade. Dieser Treppenaufgang führt nach der Friedrichstraße und den Anlagen des Friedrichswalles. Das Wasserwerk liefert der Stadt täglich bis zu 21000 cbm Leinewasser für kommunale und gewerbliche Zwecke. Die Kosten beliefen sich auf 11/2 Millionen Mark.

Samariter. (Zu dem Bilde S. 789.) Zur Winterszeit, wenn Wald und Feld in tiefem Schnee liegen und erstarrender Frost sich über die Natur breitet, gerät das Wild in große Not, und manches Stück erliegt den Qualen, die Hunger und Frost ihm auferlegen. Das ist die Zeit, wo der Jäger zeigt, ob er bloß Schießer, oder ob er in erster Linie Heger und Beschützer des Wildes ist. Der rechte Weidmann hat schon vor Eintritt des Winters Futterplätze angelegt und das Wild herangekörnt, um ihm jetzt, zur Zeit der Not, mit Rüben, Heu und Frucht über die schlimmen Tage hinwegzuhelfen. Wenn aber der Schnee sehr hoch liegt und vom strengen Froste die Bäume krachen, da hilft alles Pflegen, alles Füttern nichts, es sinkt manches, besonders aber geringes Stück kraftlos zu Boden, das, wenn keine Hilfe naht, bald von der eisigen Kälte dahingerafft wird. Doch der hegende Weidmann streift in der fürs Wild so schweren Zeit täglich sein Revier ab, und wo er, wie auf dem Wolters’schen Bilde, ein Stück Wild zusammengebrochen findet, da flößt er ihm einen Labetrunk ein, schafft es nach Hause und verpflegt es in einer Scheune so lange, bis der warme Föhn den Schnee hinweggefegt hat – dann, wenn der Frühling zu lachen beginnt, schenkt er seinem Pflegling die goldene Freiheit wieder. Karl Brandt.     

Der Hexentanzplatz vom Hirschgrund aus. (Zu dem Bilde S. 797.) Mit fröhlichem Herzen wandern wir von der altertümlichen Stadt Quedlinburg, dem Geburtsorte Klopstocks, in das romantische Thal der Bode ein, die in zwei Quellflüssen am Fuß des Königsbergs entspringt, und erreichen in zwei Stunden am Ende der Ebene gegen das Gebirge das über 7000 Einwohner zählende Dorf Thale, halb Industrieort, halb Sommerfrische. Von da steigen wir ein Stündchen durch das schöne stille Steinbachtha!, um in einem der malerischesten Naturbilder des Harzes, dem Hexentanzplatz, zu gelangen. Mit der Ansicht desselben bieten wir den Lesern eine Probe aus dem Prachtwerk „Der Harz“, das unter Mitwirkung namhafter Autoren Hans Hoffmann in C. F. Amelangs Verlag in Leipzig herausgegeben hat, einem Buche, das durch Wort und Bild in anziehendster Weise die Schönheiten dieses Gebirgslandes schildert. Der Hexentanzplatz mit seinen 454 m Meereshöhe faßt in seiner Aussicht alle Elemente, die den Harz charakterisieren, zusammen: die wilde Tiefe des Bodethales mit der Mannigfaltigkeit des Baumschlages an ragenden Randklippen, die Weite der Ebene mit Dörfern und Städten, über Waldhöhen den Brocken, der nirgends bedeutender als vom Hexentanzplatz aus in Erscheinung tritt. Der Hexentanzplatz selber aber mit seinen bizarren Felsenriffen bietet die wirkungsvollste Ansicht vom Hirschgrund aus, der hinterhalb des Dorfes Thale in stimmnngsvoller Waldeinsamkeit am Ufer der Bode gelegen ist. Wie schon der Name meldet, hat die Phantasie des Volkes die Riffe des Hexentanzplatzes, die entschieden etwas Spukhaftes an sich haben, mit Sagen umschmückt, deren wichtigste die weltbekannte von der festlichen Zusammenkunft der Hexen auf der Höhe des Brockens in der Walpurgisnacht ist.

Die Rivalinnen. (Zu dem Bilde S. 800 und 801.) Ja, sie ist nur ein armes Mädchen, die zierliche Venetianerin Filomena, und insofern würde sie ganz gut zu dem braunen Tonio passen, der seine Fische ebenso zum Verkauf trägt wie sie ihre Eimer voll Wasser. Aber da ist eine andere, die es auf ihn absieht, die Carlotta, die ein kleines Häuschen hat, unter dessen Thür sie täglich mit der Arbeit sitzt und Ausguck hält, bis Tonio vorüberkommt. Heute nun schaute er so angelegentlich nach Filomenas krausen Haaren und dunklen Augen, daß sie’s nicht lassen kann, mit höhnischer Schmährede die gehaßte Rivalin in Tonios Augen herabzusetzen. Ob es ihr gelingen wird? Er sieht sich betroffen um, halb argwöhnisch, halb ungläubig. Sie aber, die allerliebste Kleine im armselig kurzen Röckchen, sie lächelt nur, denn sie kennt ihren Tonio und belustigt sich höchlich über die ohnmächtige Wut der neidischen Carlotta. Die zuhörenden Nachbarinnen sind ihr als Zeugen eben recht – vor ihnen wird sie ihren Triumph feiern, wenn sie nächstens Arm in Arm mit Tonio als seine Braut an diesem Haus wieder vorbeikommt! Bn.     

Penelope. (Zu unserer Kunstbeilage.) Der leichtfertigen Helena, die sich ihrem Gatten, dem Sparterkönig Menelaos, durch Paris nach Troja entführen ließ und dadurch den langwährenden Krieg um Trojas Mauern entfesselte, hat Homer in Penelope das Ideal einer treuliebenden Gattin entgegengestellt. Während Odysseus von widrigen Mächten so viel herzkränkende Leiden erduldet und Jahr um Jahr an der Rückkehr zum heimischen Herde verhindert wird, setzt sie den Werbungen der nach Ithaka kommenden Freier den hartnäckigsten Widerstand entgegen. Auch als es immer wahrscheinlicher wird, daß ihr Gatte auf der Heimkehr den Tod fand, bleibt Penelope bei ihrer Weigerung. Und als sie sich nicht mehr anders zu helfen weiß, greift sie zur List. Sie erklärt den Freiern, sie möchten auf ihre Entscheidung warten, bis sie dem Vater des Odysseus, Laertes, ein großes Leichengewand fertig gewirkt habe. Bei Tage sitzt sie, am großen Gewebe wirkend, aber nachts, bei angezündeten Fackeln, trennt sie dasselbe wieder auf. Doch im vierten Jahre bemerken die Mägde den Trug und drohen, sie zu verraten: so ist sie genötigt, die Arbeit zu vollenden, und kann nun die Wahl eines neuen Gatten nicht länger hinausschieben, zumal auch der Sohn Telemachos dazu drängt, weil die Freier sein Erbe verprassen. Sie verspricht demjenigen unter den Freiern die Hand, welcher imstande sei, mit dem Bogen ihres Gatten, den einst Herakles führte, durch die Oehre von zwölf hintereinander stehenden Aexten zu schießen. Keiner vermag es. Da erbittet sich der von seiner Jrrfahrt endlich heimgekehrte, im Bettlergewande unerkannte Odysseus den Bogen, er schießt den Pfeil durch die zwölf Axtöhre hindurch und tötet dann Antinoos und die anderen Freier, während sein Sohn Telemach an seiner Seite steht, der vorher die Mutter von dem blutigen Schauspiele zu entfernen wußte. Bald schloß die treue, liebende Gattin den Rächer der jahrelangen Unbill in ihre Arme. Unser Bild stellt die edle Frauengestalt dar, wie sie mit dem Bogen in der Hand in den Saal zu den Freiern schreitet. †      


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0804.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2023)