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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Und lustig geht’s bei den Feuern zu. Die Leute lachen und singen, plaudern und rauchen, und wenn nun gar der Herr Hauptmann als Belohnung für die bewiesene „Tapferkeit vor dem Feinde“ und die wacker ausgehaltenen Strapazen ein Faß Bier auflegen läßt, dann ist die Freude übergroß. Wenn man im Manöver zum letztenmal unter freiem Himmel nächtigt, dann spielen die Reservisten die Hauptrolle, die ja gleich nach beendeter Uebung entlassen werden, und überall giebt es besondere scherzhafte Bräuche, die bei dieser Gelegenheit geübt werden. Den Mittelpunkt eines jeden Kreisfeuers pflegt eine hohe mit Stroh umwickelte Stange zu bilden, an der oben ein mächtiger Strohkranz befestigt ist. Sie wird wie ein Siegeszeichen mitten in den lodernden Holzstoß gesteckt, und alles sieht dann mit Vergnügen zu, wie die Flammen an ihr hinauflodern. Die demnächstigen Reserveleute pflegen nun vielfach beim letzten Bivouac ihre zinnernen Eßlöffel, die sie ja fortan nicht mehr brauchen, an der in das Kreisfeuer gesteckten Stange zu befestigen; es ist das ein Gegenstück zu dem gleichfalls üblichen „Löffelbegraben“. Während dann das Feuer das Stroh und die Stange verzehrt, ertönen lustige Reservistenlieder in die Nacht hinein, in die auch die noch länger unter der Fahne bleibenden Kameraden fröhlich einstimmen. Th. F.     

Maskentänzer in Neu-Mecklenburg. (Zu dem nebenstehenden Bilde.) Ein Werk voll der interessantesten Aufschlüsse über Neu-Guinea und den sich nordöstlich daranschließenden Bismarckarchipel sind die „Studien und Beobachtungen aus der Südsee“ des Grafen Joachim Pfeil (Verlag von Fr. Vieweg und Sohn in Braunschweig). Dasselbe ist reich illustriert nach Aquarellen und Zeichnungen des Verfassers und Photographien von Parkinson. Besonders lehrreich sind seine Schilderungen des merkwürdigen Charakters der wilden Kanakenstämme, welche die Inseln bevölkern, ihrer Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche. Als eine besondere Charaktereigenschaft der Kanaken bezeichnet Graf Pfeil ihren Hang zum Geheimnisvollen, der sich fast in allen ihren Kultusgebräuchen äußert. Auch die feierlichen Tänze, bei deren Ausführung Masken getragen werden, bringen diesen Zug zum Ausdruck. Bei den Neu-Pommern bestehen diese Masken aus einem einfachen Geflecht, dessen eine Seite mit Lehm bestrichen und weiß gekalkt ist. Auf diese weiße Fläche werden mit schwarzer Farbe grauenhafte Gesichter gemalt und die Haare durch Grasbüschel dargestellt. Der Tänzer hält einen kleinen Stab im Munde, der der Maske ihre Rundung giebt und sie hindert, sich zu verrücken. Um den Kopf ist sie mittels einer Schnur festgebunden. Prächtiger und geheimnisvoller sind die Masken, welche die kriegerischen Neu-Mecklenburger bei gewissen Tänzen tragen. Sie sind mit beträchtlicher Kunst geschnitzt, und an die Aufgabe, einen furchterregenden Eindruck hervorzubringen, ist auffallend viel Phantasie gewandt. Besonders merkwürdig sind die hochgetürmten Auswüchse, welche die fratzenhaften Gebilde an Stelle der Ohren haben. Mit diesen Masken führen die Neu-Mecklenburger einen wunderbaren Kontertanz auf, der eigentlich in nichts anderem besteht als einem seitlichen Hin- und Hergehen mit hohem Aufheben der Beine und merkwürdigem Bewegen der Arme. Obwohl sehr langsam, sagt Graf Pfeil, ist der Tanz doch nicht ungraziös; doch vermag man bei objektiver Beobachtung nicht zu erkennen, daß, wie viel behauptet worden ist, die Bewegungen des Kasuars nachgeahmt werden sollen. Die geheime Bedeutung dieses Tanzes hat auch Graf Pfeil nicht ergründen können.

Maskentänzer in Neu-Mecklenburg.
Aus dem Werk: „Joachim Graf Pfeil, Studien und Beobachtungen aus der Südsee“.

Der Misurinasee. (Zu dem Bilde S. 621.) Der Anblick des idyllischen Sees mit dem majestätischen Alpenhintergrund auf der stimmungsvollen Studie von Alfred Enke wird in vielen Lesern schöne Erinnerungen wecken. Ist doch das herrliche Ampezzothal, in dessen Nähe der Misurinasee liegt, alljährlich, seit die Pusterthalbahn die Reise nach Toblach so bequem gemacht hat, das Ziel vieler tausend Alpenfreunde. Nirgends kommt man auch so bequem und so schnell mitten hinein in die grandiose Felsenwelt der steilgetürmten Dolomiten, die mit ihren gewaltigen Zinnen und Schrofen so trotzig in den tiefblauen Himmel des Südens emporragen! Auf prächtiger Straße und in wenigen Stunden gelangt man von Toblach aus am Ufer der waldumschatteten Rienz vor das mächtige Felsmassiv des Monte Cristallo mit seinem strahlenden Gletscher, dem zu Füßen die freundlichen Gaststätten von Schluderbach liegen. Wie staunt das Auge beim ersten Anblick des märchenhaften Felsgebildes der „Drei Zinnen“, das schon bei Landro unsere Blicke fesselt! Und setzen wir unsere Wanderung nach Cortina d’Ampezzo fort, so starren uns über den dunkelgrünen Waldgeländen des Thals immer aufs neue riesenhafte Felswände entgegen, deren Gestein im Lichte der Sonne golden und rötlich erschimmert. Zu einem weitgezogenen Gebirgspanorama dieser Art aber gelangen wir von Schluderbach wie von Cortina aus gar schnell und bequem durch die Wanderung zum Misurinasee. Der Weg selbst, von Schluderbach durch das Val Popena basso über den Sattel Col S. Angelo, von Cortina über den herrlichen Aussichtspunkt der Tre Croce, ist an sich schon sehr lohnend. Der kleine anmutige See liegt in stiller Bergeinsamkeit, großartig aber ist die Umrandung der grünen Hochplateaus: die Cadini im Osten, die Sorapiß im Süden, die Drei Zinnen im Osten stellen sich dem Auge in voller Größe dar. Unser Bild zeigt uns die Aussicht nach Süden mit dem prächtigen Monte Sorapiß, dessen höchste Spitze 3201 m hoch ist.

Was kostet die Pferdekraft? Bei dem großen Interesse, welches man gegenwärtig in allen Ländern der Ausnutzung der natürlichen Kraftquellen entgegenbringt, ist es von Wichtigkeit, festzustellen, welches die Mindestkosten der Erzeugung von Dampfkraft in größeren Anlagen sind, und bis zu welchem Punkte umfangreiche Dampfkraftanlagen mit Wasserkräften wie die des Rheins und Niagara den Wettbewerb werden aushalten können. Eine genaue Berechnung der Kosten der Dampfkraft in einer nach den besten Fortschritten der Technik eingerichteten amerikanischen Baumwollspinnerei bildet nun den neuesten Versuch zur Lösung der oben aufgeworfenen Frage. Die Fabrik arbeitet mit nahezu zweitausend Pferdestärken bei etwa zehnstündigem Betriebe und wird somit an Größe wie Betriebsdauer bis jetzt nur von ausnahmsweise starken hydraulischen Kraftanlagen übertroffen. Die Erzeugungskosten dieser Energie belaufen sich, auf die einzelne Pferdestärke und das ganze Jahr, d. h. 3070 Betriebsstunden verrechnet, auf rund 55 Mark, wovon ein Drittel für Kohlen, ein Drittel für Zinsen, Amortisation, Versicherungskosten u. dgl. entfällt, während der Rest für Bedienung, Reparaturen, Oel, Kraftverluste in den Transmissionen etc. draufgeht. Es ist zu berücksichtigen, daß Kessel- und Maschinenanlage von erstklassiger Beschaffenheit sind und die vorzüglichsten Kohlen zu einem nicht übermäßig hohen, aber auch nicht besonders niedrigen Preise zu Gebote stehen. Es handelt sich also um Bedingungen, die allenthalben zu schaffen und bei bedeutend größeren Anlagen in ihren Vorteilen auch noch zu überbieten sind. Diese Kosten der Energie-Erzeugung sind im Vergleich zu denen der größten Centralenergiestationen der Erde verhältnismäßig gering. Sie betragen bei einer großen Wasserkraftstation an der Rhône bei Genf ungefähr 43 Mark für Pferdekraft und Jahr. Allerdings wird man sie dafür, beziehungsweise für den Pachtpreis der Niagaracentrale, Tag und Nacht hindurch oder 6000 bis 7000 Stunden im Jahre zur Verfügung haben. Aber diese Ausdehnung der Arbeitszeit bedeutet auch bei Dampfkraft keineswegs eine Verdoppelung der Erzeugungskosten. Nur einige Posten der letzteren, wie Kohlen und Oel, wachsen ungefähr im gleichen Maße mit der Arbeitsausdehnung, während viele andere, z. B. Zinsen und Bedienung, in loserem Zusammenhang damit stehen. So würde eine durchgehende Arbeitszeit bei der obenerwähnten Dampfanlage vielleicht nur eine Erhöhung der jährlichen Kosten auf 90 bis 100 Mark für die Pferdekraft bedeuten. Daß der Unterschied zwischen den Erzeugungskosten großer Dampf- und Wasserkräfte nicht noch mehr zu gunsten der letzteren ausfällt, liegt daran, daß die Anlage einer hydraulischen Kraftstation sich unverhältnismäßig teurer stellt als die einer gleich starken Dampfkraftanlage. Während z. B. die Herstellung der erwähnten vorzüglichen Dampfanlage in Amerika 171 Mark für die Pferdekraft kostete, stellt sich dieselbe Energie bei den genannten Rhônewerken auf 444 Mark in der Herstellung. Bw.     

Das Pape-Denkmal für Brilon. (Zu dem Bilde S. 643.) Um das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das demnächst dem Bau der deutschen Einheit als gewaltiger Eckstein eingefügt werden soll, hat sich Geheimrat Heinrich Eduard Pape unvergeßliche Verdienste erworben. Er war der Vorsitzende der mit der Ausarbeitung des Gesetzbuchs beauftragten Kommission, nachdem er schon früher an der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0642.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)