Seite:Die Gartenlaube (1899) 0501.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

die in jenen Jahrzehnten bis 1632 in wiederholten glorreichen Aufständen so verzweifelt für ihre religiöse Ueberzeugung kämpften. Immer wieder heulten die Sturmglocken durch die Pfarreien unseres Mühlviertels, flog das nächtliche Aufgebot (die „Ansag’“) von Hof zu Hof und eilten Tausende von Männern hinab nach den Lagern und Schlachtfeldern der Ebene, wo sie oftmals siegreich kämpften, endlich aber unterlagen.

In der Sägemühle.

Wenn wir heute die Donau, welche die Südgrenze des Mühlviertels bildet, hinabfahren, dann sehen wir vom Deck unseres schönen Dampfers aus auf so manche der Burgen und Orte, welche diese Kämpfe und noch viele frühere erlebt haben. Wohl am weitesten zurück reichen die Mauerreste jener Burgen, die sich einst auf den Felshöhen über den so lange gefürchteten Stromschnellen „Wirbel“ und „Strudel“ unterhalb Grein erhoben, den Strom bewachend – zuzeiten wohl auch ausbeutend. So der auf S. 500 abgebildete Werfenstein (Werben-, Werbel-, Wirbelstein), der urkundlich zuerst 1293 erscheint, als er schon nicht mehr Raubschloß, sondern bereits landesfürstliche Burg war. Wirbel und Strudel bedeuteten die langen Jahrhunderte hindurch Schrecken und Verderben für die armen Donauschiffer. Schon der Römer hatte durch hineingeworfene Münzen den erzürnten Flußgott zu versöhnen gesucht, und bis in unser gegenwärtiges Jahrhundert hatte das Stift Waldhausen das Recht, Almosen von den aus den Stromschnellen herauskommenden Schiffen einzusammeln, und dafür die Pflicht, die in denselben Verunglückten („di toten, di in der Tünaw verderbent“) zu begraben. Heute freilich bergen beide Stellen keine Gefahr mehr; die Raubburgen liegen in Trümmern, die Giftzähne der Klippen sind ausgebrochen, und wer etwa jetzt mit der Hoffnung herangereist käme, hier das Gruseln erlernen zu können, der würde sich schwer enttäuscht finden. Landschaftlich aber ist die Strecke zwischen Grein und Sarmingstein eine der schönsten zugleich des Donauthales und des unteren Mühlviertels. Der prächtige Strom, die dunklen Waldberge, alte Burgen und malerische Ortschaften, neben deren stattlichen und wehrhaften Patricierhäusern aus der guten alten Zeit, mit ihren Schießscharten und runden Ecktürmchen (s. Abbildung 4 S. 497), immer häufiger schmucke, moderne Villen emporwachsen, vereinigen sich zu Bildern von stets neuem malerischen Reiz. So fehlt es denn auch im Mühlviertel nicht an zahlreichen Sommerfrischen, aber sie haben noch einen wesentlich anderen Charakter wie jene drüben im vielbesuchten und weltberühmten Traunviertel, im Salzkammergut, wo die elegante Welt der „oberen Zehntausend“ den Ton des Lebens angiebt. Hier dagegen kann man sich noch überall ungestört der Freude am Volkstümlichen und dem Naturgenusse hingeben. Mit den Eingeborenen ist es nicht schwer, aufrichtig gut auszukommen. Es sind echt bajuvarische Leute, die hier wohnen, die sich noch viel von alten Eigentümlichkeiten bewahrt haben. Auch an ihrer alten Tracht halten sie fest. Die Abbildung 4 auf S. 497 zeigt uns Frauen mit den großen nach hinten zurückgeschlagenen Kopftüchern und den schlichten Jacken. Zu Johanni lodern unten am Stromufer wie auf den Berggipfeln immer noch die einst so beziehungsreichen „Sonnwendfeuer“ auf und werden „Hollerkrapfen“ aus den weißen Blütendolden des Holunders gebacken. Auch hier gedeiht die schneidige Poesie der Vierzeiligen, der „Schnadahüpfl’n“, und beim nationalen Tanze, dem „Ländler“, ist ja dessen Namensverwandtschaft mit dem „Land’l“, wie der Oberösterreicher gern seine Heimat nennt, ohnedies nicht zu verkennen. Auf den Höhen stehen zahlreich in altdeutscher Weise die großen bäuerlichen Einzelhöfe.

Mühle in der Clamschlucht 

Schloß Clam. 

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0501.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2021)