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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Blätter und Blüten.



Der Kaiser Wilhelmturm auf dem Großen Schneeberg. (Zu dem Bilde S. 389.) Der mittlere Teil der Sudeten, das Glatzer Gebirge, bildet einen von grünen Waldbergen gleich einem Riesenwall umschlossenen Bergkessel, welcher in Urzeiten ein großer See war. Sein Hauptstock ist das Schneegebirge, der südöstliche, von schönem Forste reichbesetzte Wall dieses im ganzen 1640 qkm (rund 30 deutsche Quadratmeilen) umfassenden Ländchens.

Nur ein einziger Aussichtspunkt, wenn wir den in das Neissethal weit vorgelagerten „Spitzigen Berg“ mit seinem romantischen Wallfahrtskirchlein „Maria-Schnee“ abrechnen, ist in diesem Teile des Glatzer Landes vorhanden: der Große Schneeberg, 1425 m ü. d. M., auch Glatzer und Spieglitzer Schneeberg genannt. Aber kaum lohnend nannte man bisher seine Besteigung; in mühsamem, ein- bis zweistündigem Rundgange, durch hobes Heidelbeerkraut watend, mußte man die Ausblicke in die Ferne einzeln aufsuchen, während der Blick in die nächste Umgebung verschlossen blieb, denn der gewaltige, kahle Gipfel dieses schon seiner Formation wegen interessanten Berges umfaßt ein überaus weites Plateau.

Dem Glatzer Gebirgsverein gebührt das Verdienst, durch den Bau eines Aussichtsturmes diesem Uebelstande abgeholfen zu haben: ungefähr in der Mitte der weitgedehnten, freien, baum- und strauchlosen Fläche ragt nunmehr der in den Jahren 1895 bis 1899 erbaute monumentale „Kaiser Wilhelm-Turm“ empor, dessen feierliche Einweihung für den 9. Juli d. J. vom Gebirgsverein geplant ist.

Dem Gedächtnis Kaiser Wilhelms I ist er geweiht und auf Hohenzollerngrund aufgebaut, denn der Grund und Boden gehört dem Prinzen Albrecht von Preußen, Prinzregenten von Braunschweig, welcher dem Vereine unter bestimmten Bedingungen die Bauerlaubnis erteilte. Der Turm wurde vom Architekten Henry in Breslau entworfen, während Maurermeister Gießer in Glatz den Bau ausführte; er zeigt burgartigen Charakter in mittelalterlicher Form und besteht aus dem 34,35 m hohen Hauptturm, dem 17 m hohen Neben- oder Treppenturm und der Schutzhütte, welche im unteren Stockwerke ein Gastzimmer – als Glatzer Bauernstube stilgerecht ausgestattet – und im Dachraume Schlafkammern für Touristen enthält.

Die beiden unteren Stockwerke des Hauptturmes bilden die Gedächtnishalle; in die eigentliche, von fünf Pfeilern getragene Halle zu ebener Erde führt der Haupteingang von außen; ihm geradeüber thront auf Sandsteinsockel am Mittelpfeiler die überlebensgroße Bronzebüste des Heldenkaisers; die übrigen vier Pfeiler werden mit Glatzer Städtewappen, Fahnen und anderen Emblemen ausgeschmückt. Das Kuppelgewölbe zeigt in der Mitte eine 2 m breite Oberlichtöffnung, durch welche aus dem Obergeschoß fünf große Fenster Licht spenden. Dieses Obergeschoß ist mit breitem Rundgange versehen und gewährt Einblick in die untere Halle. Gewaltig sind die Dimensionen des Bauwerkes. Der Umfang des großen Hauptturmes beträgt allein 36 m. Die massig emporstrebenden Cyklopenmauern sind aus altersgrauem, dem Gestein des Plateaus entnommenem Gneis errichtet, der im Gegensatze zu dem gelblichweißen Sandstein der Gesimsbekrönung sehr malerisch wirkt.

Der Große Schneeberg, im Osten von Kamnitz aus aufgenommen, steigt in unserem Bilde über den hochromantischen „drei Schneegründen“ und über dem dichtbewaldeten „Pfefferkuchenhübel“ auf. G. Nentwig.     


Von den Karolinen und Marianen. (Mit Abbildungen.) Nördlich von Neuguinea ist der Stille Ocean mit Scharen von Inseln übersät, die so klein sind, daß man ihnen den Gesamtnamen Mikronesien gegeben hat. Zu ihnen gehören auch die Karolinen, die schon seit langer Zeit das öffentliche Interesse in Deutschland in Anspruch nehmen. Die Inseln wurden im sechzehnten Jahrhundert von Portugiesen und Spaniern entdeckt und von den letzteren eine Zeitlang besetzt gehalten, dann aber völlig aufgegeben. Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden sie sozusagen von neuem entdeckt. Missionare ließen sich auf ihnen nieder und Deutsche gründeten dort Pflanzungen und Handelsfaktoreien. Im Jahre 1885 wollte Deutschland von den Karolinen Besitz ergreifen, und das Kanonenboot „Iltis“ hißte auf der Insel Yap die deutsche Flagge. Dies erregte einen stürmischen, von Straßenunruhen begleiteten Protest in Spanien, das ältere Ansprüche auf die Karolinen geltend machte. Fürst Bismarck suchte den Streit friedlich beizulegen; er schlug vor, das Schiedsrichteramt dem Papste zu übertragen, und dieser bestätigte die Ansprüche Spaniens. – Heute ist die ehemals so große Kolonialmacht Spaniens zusammengebrochen und die Regierung in Madrid hat sich entschlossen, die Karolinen mit den Palauinseln und dem Spanien noch verbliebenen Rest der Marianen an Deutschland zu verkaufen. Sobald der mit der deutschen Reichsregierung abgeschlossene Staatsvertrag von den Cortes genehmigt sein wird, soll dem Deutschen Reichstag die erforderliche Vorlage zur Beschlußfassung zugehen.

Hütte von Eingeborenen der Karolinen.

Für Deutschland ist der Erwerb dieser Inseln insofern von besonderem Vorteil, als er unseren Kolonialbesitz in der Südsee auf Neuguinea, im Bismarckarchipel und auf den Marschallinseln abrundet und die Inseln auch als Schiffs- und Kohlenstationen von Bedeutung sind. – Die Karolinen, deren westlichen Teil die Palauinseln bilden, liegen zerstreut auf einem Meeresstreifen, dessen Länge annähernd der Entfernung von Memel bis Gibraltar gleich ist, während dessen Breite ungefähr der Entfernung von Hamburg bis Nürnberg entspricht. Ihr Gesamtflächeninhalt wird auf 1500 qkm geschätzt, ist also kaum viermal so groß wie das Gebiet der Freien Stadt Hamburg. Die Eilande sind zumeist Koralleninseln, nur einige sind vulkanischen Ursprungs und ragen als hohe Berge aus der Meeresflut empor. Das Klima wird als gesund bezeichnet und die Fruchtbarkeit und landschaftliche Schönheit der einzelnen Inseln gepriesen. Vielen Menschen können sie natürlich Unterkunft nicht bieten. Man schätzt die Gesamtzahl der Eingeborenen auf 36000 und die der Weißen aus etwa 1000. Die wichtigsten Nahrungsgewächse der Karolinen waren von Anfang an der Brotfruchtbaum und die Kokospalme; jetzt gedeihen dort auch Bananen, Zuckerrohr, Gewürznelken und anderes mehr. Mit Ausnahme von Fledermäusen gab es auf den Karolinen ursprünglich keine Säugetiere; die Europäer haben jedoch Ziegen, Schweine, Rindvieh und andere Haustiere eingeführt. Ziemlich reich sind dagegen die Wasservögel vertreten, und das Meer bietet Fische, Schildkröten, Trepang und Seekrebse. Die größten der Eilande sind Yap, Rug, Ponape und Kusai. Yap hat einen guten Hafen und etwa 3000 Einwohner. Ponape zeichnet sich durch seine hohen Berge aus, deren höchste Spitze, der Regenpik, bis zu einer Höhe von 870 m emporsteigt; die Landschaften auf dieser Insel sind zum Teil wild romantisch, zum Teil lieblich, von paradiesischer Schönheit. Kusai ist die östlichste der Karolinen, ihre stark bewaldeten Berge erreichen eine Höhe von 600 m, sie besitzt nur 600 Einwohner.

Geldsteine.   Mann und Frau
 von den Karolinen.

Wenn wir bedenken, wie zerstreut im Ocean die Inseln liegen, so werden wir verstehen, daß die eingeborene Bevölkerung in politischer Hinsicht keine einheitliche Entwicklung durchmachen konnte. Es giebt in der That auf den Karolinen mehr Reiche als Inseln; fast jedes Dorf bildet eine selbständige unabhängige Gemeinde. Die Bevölkerung ist, was ihre Abstammung anbelangt, eine Mischrasse, es finden sich in ihr polynesische, papuanische und auch malayische Elemente vertreten. Im großen und ganzen ist der Karoliner geweckt und gutmütig; seine sozialen Einrichtungen, soweit sie sich noch erhalten konnten, sind überaus eigenartig.

So leben dort die jnngen Leute in Genossenschaften oder Gilden, die man „Clöbbergöll“ nennt; sie bewohnen besonders für diesen Zweck gebaute Häuser, während die Verheirateten sich Hütten bauen. Die letzteren sind einfache viereckige Bretterbauten, mit Palmblättern gedeckt. Im Verkehr untereinander bedienen sich die Eingeborenen eines eigenartigen Geldes. Es sieht Mühlsteinen ähnlich und besteht aus gelblichem Kalkspat, der auf Korror gefunden wird. Centnerschwere Steine bedeuten ein Vermögen. Unter dem Einfluß der Kultur und mit der zunehmenden Verbreitung des Christentums schwinden jedoch die alten Sitten. Auch das alte Gerät kommt außer Gebrauch. Steinsplitter und Muschelscherben, die früher als Schneidwerkzeuge benutzt wurden, sind durch eiserne Werkzeuge ersetzt.

Die Berührung mit der Kultur hat den Karolinern schwere

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0419.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2021)