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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


„Keinem Vorurteil wird es gelingen, uns zu trennen … Ich lasse Sie nicht … Nur eines könnte mich bewegen, mich zu entfernen. Wenn Sie mir sagen, daß Sie mich nicht mögen, daß Sie an meiner Seite nicht glücklich zu sein vermöchten. Können Sie das behaupten?“

Sie schüttelte das Haupt … Zu dieser Lüge fehlte es ihr an Mut, an Kraft … Das Glück lockte wie der warme Herd den bis ins Mark durchfröstelten Wanderer … Da schlang er den Arm um sie und erstickte ihre Bedenken in heißen Küssen … Wieder einmal siegte die Liebe über feindliche Gewalten.

Diesmal verlangte Marguerite keinen langen Aufschub. Wenige Tage, nachdem Detlevs Abschiedsschmerz sich in hohe Freude verwandelt hatte, kam Frau von Bode in Metz an, um der Braut ihres Sohnes beizustehen. Marguerites Angelegenheiten wurden schnell abgewickelt, indem die Damen Perraul sich durch besonders günstige Bedingungen doch dazu bewegen ließen, das Haus – Major Pröhl als Mieter mitinbegriffen – zu übernehmen, und nachdem Marguerite noch einmal an ihren teuren Gräbern geweint hatte, hielt sie nichts mehr fest, und sie verließ ihr Vaterhaus. Aber nicht nach Westen, wie sie einstmals gemeint, sondern nach Norden führte ihre Straße, und nicht an Didiers Seite, sondern als Detlevs erklärte Braut zog sie, begleitet von Lerchentrillern und Schwalbengezwitscher und übergossen von Frühlingsgoldglanz, ihrem neuen Leben entgegen.




Riesenfernrohre.

Von Dr. H. J. Klein.


Durch die Tagesblätter läuft die Nachricht, daß als eine der Hauptsehenswürdigkeiten der nächsten Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 ein ungeheures Fernrohr geplant sei, welches den Besuchern die Wunder des Himmels in nie gesehener Pracht vor Augen führen solle. Ueber die zu erwartenden Leistungen dieses Riesenglases verlauten die abenteuerlichsten Versicherungen, und in weiten Schichten sind die Erwartungen des Publikums aufs höchste gespannt. In der That ist es etwas sehr ungewöhnliches, wenn man vernimmt, daß der Beschauer durch dieses Teleskop den Mond ungefähr so genau sehen würde wie seine irdische Umgebung etwa von einem mäßig hohen Berge aus. Unter diesen Umständen kann man sich ja mit Leichtigkeit selbst überzeugen, ob der Mond bewohnt ist oder nicht, und selbst über das Leben und Treiben etwaiger Mondbewohner eine ziemlich richtige Vorstellung gewinnen. Daß solches von höchstem Interesse sein und die größten sonstigen Sehenswürdigkeiten der Ausstellung in Schatten stellen würde, ist zweifellos. Die Frage ist nur: Kann man ein Fernrohr, welches dieses leistet, herstellen? Und an diese knüpft sich naturgemäß die andere: Wie verhält es sich überhaupt mit den heutigen Riesenfernrohren? Der Aufforderung des Herausgebers der „Gartenlaube“ folgend, will ich versuchen, den Lesern die Leistungen der optischen Kunst in Herstellung großer Fernrohre vorzuführen und ihnen dadurch ein richtiges Urteil über das, was in dieser Beziehung möglich und nicht möglich ist, zu verschaffen.

Schon im vorigen Jahrhundert gab es große Fernrohre. Das mächtigste war unstreitig das sogenannte Riesenteleskop Herschels, welches eine Länge von 40 Fuß besaß und dessen Hauptteil ein polierter Hohlspiegel von über 3 Fuß Durchmesser und mehr als 5 Centnern Gewicht war. Das gewaltige Rohr hing in einem mächtigen Holzgerüst und wurde durch ein System von Seilen auf und nieder bewegt. Indessen hat dieser Leviathan unter den Fernrohren nur wenige Jahre Dienste geleistet, denn seine Handhabung war zu umständlich, und in einer kühlen Nacht verlor der große Spiegel seine Politur, die nicht wieder ohne Beschädigung seiner genauen Form hergestellt werden konnte. Auch fand Herschel, daß in England die Luft nur höchst selten klar und ruhig genug ist, um die volle Kraft eines solchen Riesenteleskops ausnutzen zu können. Von der gewaltigen Größe des Rohres kann man sich übrigens eine Vorstellung machen, wenn man hört, daß Herschel bequem durch dasselbe hindurchspazieren konnte. Im gegenwärtigen Jahrhundert hat man noch ein paarmal Spiegelteleskope hergestellt, welche dem Herschelschen Riesenteleskop an Größe gleichkommen, ja dasselbe übertreffen. Eigentliche Erfolge am Himmel sind aber mit einer ganz andern Klasse von Teleskopen errungen worden, und nur diese meint man überhaupt, wenn man gegenwärtig von Riesenteleskopen spricht.

Bei diesen modernen Fernrohren besteht der Hauptteil, der dabei in Betracht kommt, aus einer großen Glaslinse, und zwar einer doppelten, welche man das Objektivglas nennt. Das ganze Fernrohr führt den Namen Refraktor. Schon zu Herschels Zeit hatte man allerdings auch Refraktoren, aber die größten besaßen nur Glaslinsen von höchstens 4 Pariser Zoll Durchmesser, weil man eben keine größeren Stücke optisch fehlerfreien Glases herstellen und, selbst wenn man sie besessen hätte, keine größeren Objektivgläser schleifen konnte. Deshalb kam Herschel darauf, eine beträchtliche Steigerung der Wirkung durch die leichter herzustellenden metallischen Spiegel zu erzielen, obwohl bei gleicher Größe diese weit weniger leisten als ein Refraktor. Um dies genauer zu bezeichnen, will ich bemerken, daß ein heutiger Refraktor von 10 Zoll Objektivdurchmesser und 12 Fuß Länge weitaus dem 40fußigen Herschelschen Riesenteleskop vorzuziehen ist. Zu Herschels Zeiten, und selbst im ersten Viertel unsres Jahrhunderts war es aber absolut unmöglich, ein Objektivglas von 10 Zoll Durchmesser herzustellen, und erst dem Genie eines Deutschen gelang es, das schier Unmögliche zu verwirklichen.

Dieser Mann war Josef Fraunhofer, 1787 zu Straubing als Kind armer Leute geboren und bis zum 11. Jahre Gänsehüter, dann Glasschleiferlehrling in München. Von seinem Lehrherrn, der Lesen und Schreiben für überflüssige Künste hielt, konnte der Knabe nichts lernen, so sehr er den Drang nach Ausbildung in sich spürte, und er wäre vielleicht zu Grunde gegangen, wenn nicht ein Unglücksfall ihm rettend zu Hilfe gekommen wäre. Es stürzte nämlich das elende Häuschen des Glasschleifers zusammen und begrub unter den Trümmern den Meister samt der Meisterin und dem Lehrlinge. Vier Stunden lang lagen sie verschüttet; die Frau fand man tot, der Meister und der Lehrling aber waren unversehrt geblieben. Es war wie ein Wunder und ganz München sprach davon. Der Kurfürst Maximilian Josef ließ den jungen Menschen zu sich kommen, sprach einen Augenblick mit ihm und schenkte ihm 18 Dukaten. Wer hätte damals ahnen können, daß diese geringe Geldsumme der Preis für die Eröffnung der Himmelsräume sein würde, daß sie die Zahlung bildete für die Enträtselung der Geheimnisse des Weltalls, der Zusammensetzung des Sonnenballs wie der entferntesten Sterne, ja der Enthüllung der Vorgänge beim Entstehen und der Zerstörung ganzer Weltsysteme! Alle diese bewundernswürdigen Entdeckungen knüpften sich an die Erhaltung und das fernere Geschick des armen Glaserjungen! Noch waren diesem selbst die Anfänge der Bildung fremd, aber sein Geist drängte vorwärts, er wollte lernen, und zwar zunächst Rechnen und Schreiben. Deshalb opferte er eins der Goldstücke seinem harten Lehrherrn für die Erlaubnis zum Besuch der Sonntagsschule, schaffte sich einige Bücher an, ebenso eine Glasschleifmaschine und gab schließlich den Rest des Geldes hin, um sich von der Lehrzeit frei zu kaufen. Nun aber fand er als Glasschleifer nirgendwo Arbeit und mußte mehrere Jahre lang in kläglicher Weise durch Herstellen von Visitenkarten sein Brot erwerben. Endlich (1806) führte ihn ein Zufall mit dem berühmten Reichenbach, dem Leiter eines optisch-mechanischen Instituts, zusammen; derselbe erkannte das schlummernde Genie des jungen Mannes und stellte ihn als Optiker an.

Jetzt war Fraunhofer im richtigen Fahrwasser, und in wenigen Jahren gelang ihm, was die ganze damalige Welt für unmöglich gehalten. Er erdachte neue Schleif- und Poliermaschinen, neue Methoden zur genauen Prüfung des optischen Glases, sowie endlich ein Verfahren, solches Glas von vorzüglicher Reinheit und gleichmäßiger Dichte in größeren Blöcken herzustellen. Dies war bis dahin völlig unmöglich gewesen und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0220.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2020)