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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Himmel, hoch, begann sich eine kleine Herde winziger Lämmerwolken schon mit zartem Rot zu überhauchen. Und als sie leuchteten, diese Wölklein, wie in die Lüfte gestreute Rosen, schwamm fern im Osten über einem langen dunklen Bergzug ein Glimmen und Glasten herauf, in dem alle Formen der Zinnen mit doppelter Linie gezeichnet waren: die eine blauschwarz und die andere gleißend wie ein goldener Faden.

Da zog von den Wänden ein frischer Windhauch über das stille Seethal nieder, bewegte sacht alle Zweige an Busch und Bäumen, machte die Tropfen in Menge fallen und strich über alle Bäume und Gräser hin wie mit Flüsterstimme: Sie kommt, sie kommt! Leise rauschten die Wälder im tieferen Thal – und jählings war es, als hätte strömend der Duft aller Blumen sich gelöst, als stiege würzig und stark aus dem Schoß der Erde herauf, was ihre getränkte Scholle nur immer besaß an Wohlgeruch.

In solcher Luft, wie war das ein leichtes und frohes Wandern!

Bald klangen die Schritte der beiden Jäger auf kahlem Gestein wie Hammerschlag, bald wieder erloschen sie, wenn der Weg über feuchten Rasen ging. Ettingen atmete tief und tief, als wäre in seiner Brust ein unersättlicher Durst nach allem Duft und aller Frische dieses Morgens. Und immer wieder blieb er stehen, winkte mit der Hand und grüßte mit dem Hut zurück nach dem kleinen Haus dort oben, auf dessen Schwelle noch immer das Mädchen stand, regungslos, die schlanke Gestalt wie von nebelhaftem Feuerglanz umwoben: vom rötlichen Lampenschein, der aus der Stube quoll.

(Fortsetzung folgt.)


Helgoland einst und jetzt.
Von Gustav Kopal. 0 Mit Illustrationen von H. Haase.

„Helgoland in Sicht!“


„Helgoland in Sicht!“

Das war gute Mär. Was „seefest“ geblieben unter den Schiffsgästen der „Cobra“, eilte nach vorn, um nach dem soeben an der Kimmung auftauchenden Felsen Ausguck zu halten. Und wer „sich etwas angegriffen fühlte“ – mehr wollten einige entschieden bleichwangig gewordene Herrschaften nicht zugeben –, dem verlieh die erfreuliche Kunde neuen Lebensmut. Denn alle die vielgepriesenen Mittel gegen die Seekrankheit, sie hatten sich wiederum nicht in gewünschter Weise wirksam erwiesen. Nur eins giebt’s, das hilft gewiß, und das ist das Wiederbetreten des „festen Walles“, wie der Seemann das Land zu nennen beliebt. Und dort lag es ja, wenn auch nur als winziges blaugraues Viereck ….

„Wie, jetzt schon?“ äußerte erstaunt neben mir mein alter Schulfreund, ein nach dreijahrzehntelangem Aufenthalt „drüben“ endlich heimgekehrter „Ueberseeer“, den ich an Bord getroffen hatte. „Das ist ja kaum möglich!“

„Ja, weshalb denn nicht? Um acht Uhr sind wir von der St. Pauli-Landungsbrücke abgefahren; um drei Uhr ist die ‚Cobra‘ in Helgoland fällig. Geht’s dir etwa zu schnell?“

„Ich erinnerte mich nur meiner ersten Fahrt nach Helgoland, Anno 1867. Da mag es so ungefähr in dieser schönen Gegend gewesen sein, als ich auf die verzweiflungsvolle Frage an einen der Schiffsmaaten: ‚Wie lang’ noch bis Helgoland?‘ die trostlose Antwort erhielt: ‚Bi düßen Wind noch soß, söben Stünnen.‘ Dabei schlingerte der alte Kasten so toll! Nun auf diesen prächtigen neuen Schnelldampfern gehört nicht viel dazu, standzuhalten; man merkt ja die Bewegung kaum, und selbst das schwache Geschlecht, das übrigens auch in dieser Beziehung gar nicht so schwach ist, bleibt meistens kreuzfidel.“

„Wie geht’s denn deinem Herrn Sohn?“

„Der sitzt dort hinter dem Radkasten und spielt einen ‚gemütlichen‘ Skat, wie er es nennt – der echte Deutsche der Gegenwart! Ringsum erhabenste Natur, daß einem das Herz aufgehen möchte vor Freude und daß ich alter Kerl mich nicht sattsehen kann an diesen wunderbaren grünen Wogen, wie sie schäumend daherrollen und im Sonnengold glänzen, und an den flinken Möwen, wie sie so geschickt die zugeworfenen Brocken auffangen – da sieh nur die, die soeben kreischte, das Tier ist förmlich zahm! – und die vielen Schiffe, die wir schon gesichtet haben, vom stolzen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0205.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)