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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

verlockenden Farben, daß Ettingen sofort einverstanden war. Martin, der beim Servieren dieses Gespräch hören konnte, atmete erleichtert auf.

Pepperl aber, als er von diesem „Planerl“ hörte, schien nicht sonderlich erbaut zu sein und machte ein langes, höchst bedenkliches Gesicht.

„Was hast denn?“ fragte der Förster. „Zwei Tag’ mit’m Herrn Fürsten jagen … das muß dir doch Freud’ machen?“

„No ja, schon! Aber …“

„Was, aber?“

„Ein bißl ung’legen kommt’s mir g’rad’. Die ganze Zeit her wart’ ich schon allweil auf den Brentlinger. Und morgen oder übermorgen, hätt’ ich g’meint, müßt’ er g’rad’ kommen.“

„Ja was willst denn von dem Schnapsbruder? Sag!“

„No ja … was z’reden hätt’ ich halt mit ihm … wegen meiner Mutter, ja, und … ein bißl arbeiten sollt’ er halt!“

„Der? Und arbeiten? Laß dich net auslachen! Und auf den kannst lang’ warten! Neulich, in Leutasch drin, is er an der Straß’ im Graben g’sessen, und da hat ihm der Herr Fürst ein’ Zehner g’schenkt!“

„So is schön!“ stotterte Pepperl erschrocken. Und im stillen kalkulierte er gleich: einen Gulden bringt der Brentlinger durch im Tag, da braucht er sich nicht zu plagen; fünf Tage sitzt er bereits – also hat er noch einen Fünfer, und bevor er mit dem nicht fertig ist, kommt er nicht. „Da kann ich freilich noch lang’ warten! Derweil bin ich ja wieder daheim!“ –

Am anderen Vormittag gab’s in der Jägerhütte zwischen Mazegger und Kluibenschädl eine erregte Scene – das heißt, erregt war nur der Förster, Mazegger lächelte und schwieg.

Und je länger der Jäger mit diesem stummen Lächeln vor ihm stand, in desto heißeren Zorn geriet der Förster. „Jetzt sag’ ich dir im guten ’s letzte Wörtl, dir! Wenn von morgen an dein’ Dienst net in der Ordnung machst, so wachsen wir z’samm’. Weil in drei Wochen dein’ Kufer packen mußt, deswegen därfst net glauben, daß d’ mit deiner Zeit jetzt machen kannst, was dir einfallt! Uebrigens … was hast denn vorgestern in Leutasch draußen zum suchen g’habt?“

„Nichts.“ Das war das erste Wort, welches Mazegger sprach.

„So? Nix? Warum bist denn nachher ’naus?“

Der Jäger hob schweigend die Schultern.

„Gelt, du, kegel’ dir nur dein Züngl net aus! Aber ich kann mir schon denken, was dich ’naus’trieben hat … ich weiß ja, wer draußen is. Du bist ja rein wie der hungrige Fuchs im Winter, wo er die Hasenfährt’ gleich gar nimmer auslaßt. Ja, schau mich nur an, mit deine wällischen Guckerln!“

Mazeggers Gesicht wurde fahl wie Kalk; doch er schwieg.

„So! Und morgen gehst ’nunter nach Ehrwald und bleibst beim Jager über Nacht. Und übermorgen in der Fruh um Drei, da seids alle zwei beim Sebener Almzaun … Da haben wir ’s Randewuh zum Treibjagen. Und das sag’ ich dir, Toni … wenn ich erfahren sollt’, daß d’ ein’ andern Schritt machst, als den ich dir vorschreib’, da brauchst deine drei Wochen nimmer abz’warten. Da kannst marschieren auf der Stell’, und kannst…“

Erschrocken verstummte der Förster. Unter der Thür der Jagdhütte stand der Fürst. Bei einem Spaziergang über das Almfeld hatte er die überlaute Stimme gehört, und nun sagte er lächelnd: „Nicht ärgern, lieber Förster!“

„Ich bitt’ um Entschuldigung, Duhrlaucht,“ stotterte Kluibenschädl, während Mazegger den Fürsten mit funkelnden Augen maß, „aber wenn ich mein Gallenbinkerl gleich zubinden möcht’ mit sieben aus’glühte Dräht’ … es hilft ja nix … d’ Leut’ reißen ’s ja wieder auf!“

„Sie haben Verdruß gehabt?“

„Ja! Wieder einmal! Und weil Duhrlaucht g’rad’ dazukommen … sagen hätt’ ich’s ja doch einmal müssen … der Mazegger-Toni hat die vorig’ Wochen sein’ Dienst aufg’sagt.“

„Weshalb?“ Ettingen wandte sich an den Jäger und sagte freundlich: „Fühlen Sie vielleicht, daß Ihnen der harte Gebirgsdienst zu beschwerlich ist? Sie sind nicht in den Bergen geboren, und da kann ich begreifen, daß Ihnen der Dienst nicht so leicht fällt wie den anderen Jägern. Aber deshalb brauchen Sie die Stelle nicht aufzugeben. Der Herr Förster wird Ihnen jede mögliche Rücksicht gewähren und nicht mehr von Ihnen verlangen, als Sie ohne Ueberanstrengung leisten können. Oder haben Sie eine andere Klage? Sie können sich vor mir ganz offen aussprechen, und wenn Ihre Wünsche nicht unbillig sind, wird sich über alles reden lassen, deshalb brauchen Sie nicht gleich zu gehen! Nun? … Aber so sprechen Sie doch! … Kommen Sie vielleicht mit Ihrem Gehalt nicht aus?“

Ein paarmal hatte Mazegger die Lippen geöffnet, ohne daß ihm ein Laut von der Zunge kam. Es schien, als ertrüge er den freundlichen Blick seines Herrn nicht, und die brennenden Augen senkend, preßte er mühsam die Worte heraus: „Ich hab’ keine Klage, Herr Fürst … und Gehalt bekomm’ ich so wie so schon mehr als ich verdien’. Aber der Förster hat nicht die Wahrheit gesagt … den Dienst hab’ nicht ich gekündigt … der Herr Förster hat mir aufgesagt.“

Ettingen sah mit verwundertem Blick auf den Förster.

Dem schoß das Blut ins Gesicht. „Ja, Duhrlaucht, so verhalt’ sich die Sach’. Aber wenn ich d’ Wahrheit ein bißl übers Knie ’bogen hab’ … es is bloß g’schehen, daß ich dem Burschen da sein’ Abmarsch leichter mach’ und daß ich ihm net schad’.“

„Was hat er verschuldet?“

„Er hat sich … er hat …“ nein, daß Mazegger ungebührlich über den Fürsten gesprochen hatte, das konnte der Förster seinem Herrn nicht ins Gesicht sagen – „er hat sich unanständig geäußert … über mich … ja, über mich.“

Aber Kluibenschädl verstand sich so schlecht aufs Lügen, daß Ettingen die Wahrheit leicht erriet. Er betrachtete den Jäger, und da begegnete ihm ein so glühender Blick des Hasses, daß Ettingen befremdet zurücktrat. Was hatte er diesem Menschen angethan, um solchen Haß in ihm zu erwecken? Nichts! War das der thörichte Zorn des widerwillig Dienenden gegen seinen Herrn? Die ziellose Eifersucht des Unbemittelten gegen den Besitzenden? Oder war es etwas anderes?

Ettingen hatte sich aufgerichtet, und auch ihm war das Blut in die Stirne gestiegen. Doch ruhig sagte er: „Wenn der Jäger sich unziemlich gegen Sie benommen hat, so bitt’ ich Sie, ihm das nachzusehen. Ich hätt’ es auch gethan, wenn er sich ungebührlich über mich geäußert hätte … und würde mir gedacht haben: er weiß nicht, was er redet. Will er bleiben, so erweisen Sie mir den Gefallen, Herr Förster, und seien Sie gut mit ihm – es sollte mich freuen, wenn er sein Unrecht einsähe und seine Stellung bei mir noch einmal lieb gewänne.“ Ettingen nickte einen stummen Gruß und verließ die Hütte.

Der Förster vermochte vor Erregung kaum zu sprechen. „Da schau her, du!“ sagte er, dicht vor Mazegger hintretend. „So ist der Herr Fürst! Und wie bist du? Aber jetzt thu’, was du magst … jetzt geh’ oder bleib … ich will’s halten, wie’s der Herr Fürst von mir verlangt hat. Und meinetwegen … der gachzornige Katzensprung von neulich, der soll dir vergessen sein … ein’ Ohrfeig’, wenn ’s auch verdient is, laßt sich schließlich keiner gern g’fallen! Aber wenn ich dir noch ein letztes Mal im guten raten därf … sei g’scheit, Toni, und schlag’ dir um Gottes willen die unsinnige Narretei aus’m Kopf! Nimm Vernunft an, Bub’, und verscherz’ dir wegen nix und wieder nix net ein’ Posten, wo dir ein’ ehrenhafte Stellung fürs ganze Leben machen kannst! Mehr hab’ ich dir nimmer z’sagen. B’hüt’ dich Gott!“ Er ging.

Als er draußen am Fenster vorüberschritt, sah er, daß der Jäger noch immer mitten in der Stube stand, wie er ihn verlassen hatte. Doch Mazegger lächelte. Er durfte bleiben, wo es ihn festhielt mit allen Klammern seiner Leidenschaft … alles andere war ihm gleichgültig.

Als er die Schritte des Försters verklingen hörte, hob er das Gesicht. „Nach Ehrwald?“

Wieder lächelte er. Nach Ehrwald gab es zwei Wege, von denen der eine nicht weit am Sebensee vorüberführte – und am verwichenen Abend, als Mazegger neben der Gaisthaler Almstraße im Wald gelegen, war Lolo Petri an ihm vorübergewandert, das Grautier führend, auf dem ihr Bruder ritt.

Mit langsamen Schritten trat Mazegger an das Fenster und blickte zum Fürstenhaus hinauf. Und wieder lächelte er. –

Nachmittags, gegen vier Uhr, wanderte Ettingen mit Pepperl, der im schwer angepackten Rucksack den Proviant für zwei Tage trug, zur Jagdhütte im Sebenwald. Die beiden hatten miteinander

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0170.jpg&oldid=- (Version vom 18.4.2023)