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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

daß sich ein Gewitter über ihm entladen sollte. Mißtrauisch betrachtete er den Förster und sagte: „Der Kammerdiener hat mir einen Brief übergeben, den hab’ ich nach Leutasch getragen.“

„So? Da kannst freilich aufs Wild net aufg’schaut haben. Aber was hast denn gestern g’sehen? Auf der Abendbirsch’?“

„Nichts.“

„So? Gar nix? Und draußen im Hämmermoos bist g’wesen?“

Mazegger wandte sich zum Herd und nickte.

Da brach das Gewitter los. „Du Lugenschüppel, du gottverlassener! Ja, schau mich nur an mit dei’m käsigen G’sicht! Ang’logen hast mich wieder! Net wahr is, daß gestern im Hämmermoos draußen warst! Da schau her ...“ der Förster griff in die Joppentasche und warf dem Jäger die Sichel einer Spielhahnfeder vor die Füße, „da hast dein Federl wieder. Am Steig zum Steinernen Hüttl droben hab’ ich’s g’funden. Warum lügst mich denn so an?“

Brennende Röte war über das bleiche Gesicht des Jägers geflogen. Seine Augen funkelten, aber er sprach kein Wort.

Der Förster betrachtete den Burschen vom Kopf bis zu den Füßen. Dabei verrauchte sein Zorn, und er sagte mit ruhigem Ernst: „Toni! Jetzt will ich dir die letzte Verwarnung geben! ’s Lugen, das weißt, ’s Lugen vertrag’ ich net. Alles kann ich ei’m Jager verzeihen, alles ... ein Jager is auch nur ein schwacher Mensch, und dazu noch, wenn’s ein junger is ... alles kann ich ihm verzeihen, aber ’s Maul wenn er aufmacht im Dienst, so muß ich ein wahrs Wörtl hören. Und drum sag’ ich dir’s jetzt, als dein Fürg’setzter: lügst mich noch ein einzigsmal an, so kannst deine sieben Zwetschgen packen ... und b’hüt dich Gott!“

Schweigend starrte der Jäger in die Lampenflamme und nagte an den Lippen.

„So! Und jetzt reden wir noch was anders miteinander ... weißt Tonerl, als Mensch und Mensch.“

Mazegger drehte langsam das Gesicht über die Schulter und seine Augen wurden klein, seine Lippen schmal.

„Ich bin dir gut g’wesen, Toni, wie ich gut bin zu alle Leut´ ... Und schau, gar oft, wenn deine eigensinnigen und gachzornigen Streich’ so g’macht hast, hab’ ich mir ’denkt: trag’s ihm net nach, er is halt verwildert, hat als Kind viel Unglück erfahren ... d’ Mutter hat er hergeben müssen und hat den Vater verloren. Aber wer in verstandsame Jahr’ kommt, sollt dengerst in ihm ein bißl aufrichten können, was bucklet g’raten is. In dir aber, Toni, wachst sich was aus, was mir gar nimmer g’fallt. Und manchmal schaut’s mich an aus deine Augen, daß ich mich fürchten möcht’ ... fürchten um deinetwillen. Und da fallt dir jetzt gar noch so ein Unsinn in’ Kopf und ins Blut ...“

Der Jäger fuhr mit heiserer Stimme auf: „Herr Förster ...“ Drohendes Feuer blitzte in seinen Augen. „Sagen Sie mir meinetwegen als Vorgesetzter, was Sie mir sagen wollen ... das muß ich anhören ... aber was über den Dienst hinaus und mich allein angeht, das bitt’ ich gefälligst in Ruh’ zu lassen!“

„So?“ Dem Förster schwollen an den Schläfen die Adern; doch seine Stimme blieb ruhig. „So sag’ ich dir’s halt im Dienst: mach’ du deine Birschweg’, gelt, und lauf net allweil deiner Narretei nach statt dem Jagdschutz! Meinst denn, ich weiß net, warum mich gestern wieder ang’logen hast und heimlich beim Steinernen Hüttl droben warst? Ich müßt’ ja rein ein’ Eselstritt von einer Hirschfährten net unterscheiden können, ’s Fräul’n Petri wird halt auf der Alm droben g’malt haben, und da bist ihr wieder nachg’stiegen, gelt? Aber ich rat’ dir’s im guten: denk’ ein bißl, wer du bist und wer das Fräul’n is! Ja, schau mich nur an! Und laß mir das Fräul’n in Ruh, das sag’ ich dir ... sonst hast es mit mir z’thun! Brock’ dir du ein Blümerl, das für dich g’wachsen is am Weg ... aber steig mir net über die Gartenzäun’ und streck’ deine Händ’ net aus nach ei’m Sternderl, das am Himmel glanzt.“

Mazegger lachte, und ein häßlicher Zug legte sich um seinen Mund. „Ein Sternderl? So? Ah ja, das is freilich nix für einen, wie ich einer bin. Da muß freilich ein anderer kommen! Ein ganz ein B’sonderer! Vielleicht so einer wie unser gnädiger Herr Fürst! So bieten Sie ’s ihm doch an ... er hat ihr ja gestern eh’ schon nachblinzelt mit seinen hochfürstlichen Augen, der ...“

Weiter kam Mazegger nicht; eine schallende Ohrfeige schnitt ihm die höhnische Rede ab. Einen Augenblick stand er wie versteinert, mit aschfahlem Gesicht – dann sprang er wie ein wütendes Raubtier dem Förster an den Hals. Der wankte unter der Wucht, mit der sich der Jäger auf ihn geworfen hatte. Aber seine Füße fanden wieder den Halt.

„Du! ... Du! ... So einer bist du! So einer!“ keuchte er.

Dann rangen sie miteinander, stumm, und es gehörte die ganze zähe Kraft dieses schweren Mannes dazu, um die Fäuste von sich abzuwehren, die wie eiserne Klammern seinen Hals umschlossen hielten. Ein Ruck, und der Förster hatte Luft bekommen – ein kräftiger Schwung seiner stählernen Arme, und Mazegger taumelte gegen die Wand.

„So, du!“ Schwer atmend brachte Kluibenschädl den aufgerissenen Hemdkragen wieder in Ordnung. „Jetzt sind wir fertig miteinander, wir zwei! Ueber vier Wochen such’ dir ein’ anderen Dienst! Müßt’ ich mich net schenieren, daß ich dem Herrn Fürsten den Grund sag’, so thät ich dich heut’ auf d’ Nacht noch davonjagen. Aber dem Herrn Fürsten z’lieb soll’s heißen, daß d’ selber ’kündigt hast! Verstehst? Und jetzt Gut’ Nacht! Und solang ’s Fräul’n am Sebensee draußen is, gehst mir nimmer ’naus ... das sag’ ich dir!“ Er drehte dem Jäger den Rücken und schritt zur Thüre.

Leichenblaß und zitternd an allen Gliedern starrte Mazegger ihm nach – und als der Förster schon in der Thür verschwinden wollte, riß der Jäger das Messer von der Hüfte und hob es zum Stoß. Er machte auch einen taumelnden Schritt. Aber dann sank ihm der Arm. Er schleuderte das Messer fort und preßte die zitternde Hand an seine Stirn.

Das hatte der Förster nicht mehr gesehen. Er stand schon draußen in der Nacht. Unschlüssig blickte er zum Fürstenhaus hinauf, an dem alle Fenster hell in den dunklen Abend hinausleuchteten. Ob er nicht doch seinem Herrn den Vorfall melden sollte? Aber er schüttelte den Kopf zu diesem Gedanken und ging in seine Hütte.

(Fortsetzung folgt.) 0


Tragödien und Komödien des Aberglaubens.

Anton Cratz von Scharfensteins wundersame Abenteuer und der Hexenflug.

Wer auf einem der prächtigen Rheindampfer seinen Weg von Koblenz aus stromaufwärts nimmt, erblickt nach etwa halbstündiger Fahrt rechts auf der Höhe aus dem dichten Grün der Wälder, welche die Abhänge des Schiefergebirges bedecken, die Zinnen und Türme der Burg Stolzenfels. Seinen Namen trägt dieses Schloß mit Recht; denn stolz und hoch schaut es von seinem Felsengrunde weithin über den Strom, die Blicke aller auf sich lenkend, welche auf den grünen Wellen des Rheines vorüberfahren. Die herrliche Burg, wie wir sie heute sehen, ist neueren Datums. Sie wurde von Friedrich Wilhelm IV als Kronprinz nach den Entwürfen des genialen Schinkel unter Benutzung der Ueberreste der von den Franzosen zerstörten alten Feste Stolcenvels erbaut und wahrhaft fürstlich ausgestattet. Aber kaum minder herrlich als der heutige Stolzenfels war die alte Burg, welche sich vor Zeiten an jener Stelle erhob. Ihre Erbauung reicht bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts hinauf und wird dem Trierschen Erzbischof Arnold II, Grafen zu Isenburg, zugeschrieben. Die spätern Erzbischöfe ließen das Schloß durch Amtmänner verwalten, welche eine sehr begehrte, hochangesehene Stellung einnahmen.

Zu der langen Reihe dieser Amtleute gehört Anton Cratz von Scharfenstein. Er war der Vater des im Dreißigjährigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0048.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)