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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Thals, der Felsenerker. Verweilen in Anschauung der herrlichen Gegend. In Lauterbrunn wohlgelegenes Wirtshaus, vom Speisesaal Aussicht auf das verglühende Gebirg, das nachher im Mondlicht weiß hervortrat. Beim Abendessen ein etwas liebenswürdiger Engländer, französische Unterhaltung.

28. Vormittags Gang zum Staubbach, der mit prächtigem Regenbogen geschmückt war, nachher zum Trümletenbach, der zwischen den Felsen wie in einer Wendeltreppe herabkommt, und zum Mirrenbach, der breit und durchsichtig wie ein Gewand an der Felswand herabwallt, Ansicht der Jungfrau, wie nur sie, kein andres Gebirg daneben, zwischen Tannenwäldern wie ein Palast aufsteigt, auf dem Rückweg der Staubbach auf eine andere Seite geweht, als wir ihn beim Ausgehen gesehen hatten, völlige Auflösung desselben in lichtes Staubgewölk. Beim Mittagessen Menzel (der bekannte Schriftsteller Wolfgang M.), sonst in Bonn, jetzt in Aarau. Nachmittags Fahrt nach Unterseen, Fall des Sausbachs, Zweilütschinen, Ruine von Unspunnen. Quartier im Kaufhaus. Gang auf den Hohbühl, Ansicht von Ringenberg, dann auf das Rugenhübeli, Sonnenuntergang über dem Thunersee, Niesen und Stockhorn in duftigrotem Scheine.

29. Morgens Gang nach Neuhaus. Von da Fahrt auf dem See nach Thun, Aussteigen zur Beatenhöhle. In Thun Jahrmarkt, Gang auf den hochgelegenen Kirchhof. Mittagessen im Freihof. Vierspänniges Retourgefährt nach Bern. Quartier daselbst im Falken. Stattliches, reiches Aussehen dieser Stadt. Kübelwäsche an allen Brunnen. Gang zu Königs Mondscheingemälden, widriges Gefühl, über der künstlichen Beleuchtung die natürliche der untergehenden Sonne zu versäumen. Am Abendessen v. Fichard aus Frankfurt (Historiker) mit seiner neuanvermählten Frau.

Sonntag 30. Vormittags Gang auf die Enge, Ansicht des Gebirgs. Der Bärengraben. Herumgehen in der Stadt. Das prächtige Bürgerspital. Militärmusik und Promenade auf der Platteforme. Besuch bei Professor Emmert (Chirurg, der in Tübingen studiert hatte). Nachmittags Gang mit Emmert zu den Bädern im Marzili, von denen wir keinen Gebrauch machen konnten, um nicht den Abend auf der Enge zu versäumen. Wiederholter Gang auf die Enge. Thee daselbst, Gesellschaftsspiele der Berner Jugend, herrlicher Sonnenuntergang an den Gebirgen. Eigenheit der Gebirgsansicht von Bern, daß hier die Hochgebirge des Oberlands fast ohne allen Vordergrund andrer Berge hervortreten.

31. Morgens Abreise von Bern zu Fuß, wegen ungebührlicher Forderung des bestellten Trägers trug ich das Gepäck bis gegen Gümlingen, Emmas Thränen darüber. Hitze. Weg über Worb usw. nach Signau. Einkehr in Höchstetten. Das Signauer Schloß mit Gespenstersage. Einkehr in Signau, die Weiber Thee zum Weine trinkend. Einkehr in Langnau; die beiden alten Männer vom Gebirge, wovon der eine, in den Siebenzigen, gekommen war, sich einen Zahn ausreißen zu lassen, der aber so fest stand, daß er abgebrochen wurde. Emma als Berner Bäuerin verkleidet. Der dicke Kutscher nach langem Warten erscheinend. Langsame Fahrt mit ihm auf dem Bankwagen, den heimkehrenden Alten begegnend, am Langnauer Armenhause vorbei, durch das Ilfisthal, über Eschlismatt, wo es bereits dunkel war, nach Schüpfheim. Ankunft daselbst um 11 Uhr.

August 1. Zu Fuß über Entlebuch und die Bramegg nach Schachen. Die hübsche fünfzehnjährige Trägerin, an den Armen mit Namen und Schere bezeichnet. Liebliche Gegend des Entlebuchs, frischgrüne Hügel mit zerstreutem Tannengehölz. Einkehr in Entlebuch, die dicken Wirtsleute, die feindlichen Eheleute, den Friedensrichter suchend. Hitze beim Uebergang über die Bramegg, Ausruhen am Walde. Oben Aussicht auf den Pilatus und den Rigi. Mittagessen in Schachen, Ausruhen im Grasgarten. Abends Fortsetzung der Fußreise über Malters, Platten, Littau nach Luzern. Die stumpige Trägerin, der ihr Tragkorb zu hoch war; das hilfreiche, schöne Mädchen von Wallis: der unterhaltsame Zinngießersjunge von Eschlismatt, der von seiner Reise ins Wallis mit seinem Oheim, dem Geiger, und von den reitenden Lawinen erzählte, auch unterwegs jedermann, besonders den betrunkenen Ratsherrn Dahm, bekannt anredete; angenehme Unterhaltung in dieser Gesellschaft. Zu Luzern Quartier im weißen Rößli.

2. Vormittags Gang auf den Leodegars-Kirchhof. Fahrt auf dem See nach Küßnacht mit zwei vermutlichen Künstlern, worunter ein Witzbold aus Bern; gewaltiger Regen auf der Fahrt, Frage des Schiffers an seinen Kameraden: ob es dahinten auch regne? Mittag in Küßnacht im Adler. Nachmittags, bei besserem Wetter, Gang durch die Hohle Gasse über Arth, wo wir einkehrten, den See entlang nach Zug. Quartier im Ochsen.

3. Morgens Nachricht vom Tod der Schwägerin Mine (Gattin des einzigen Bruders von Frau Uhland). Fahrt nach Zürich über den Albis. Ersteigung der Hochwacht, herrliche Uebersicht des vielumwohnten Zürchersees, die Gebirge noch verhüllt. Mittagessen im Albiswirtshause. In Zürich Quartier im Schwert. Gang auf die Post, wo ich Nosers (des Schwagers) Brief mit dem umständlichen Berichte vom Tode der Schwägerin antraf; erste Mitteilung dieser Nachricht an Emma, welche deshalb nach Hause drängte. Spaziergang zu Geßners Denkmal und auf die Katze, von da schöne Aussicht auf See und Gebirg bei Sonnenuntergang. An der Wirtstafel Fürst Esterhazy mit Familie.

4. Fahrt über Baden nach Zurzach. In Baden Ersteigung des alten Schlosses, Betrachtung desselben und der Gegend in Beziehung auf Johann von Schwaben (welchen Uhland dramatisch behandelte), die Nicolauskapelle. Auf dem Wege von Baden nach Zurzach Blick auf Königsfelden, Brugg, Windisch, Habsburg. Nachher Tägerfelden mit Burgtrümmer. Bei Zurzach Ueberfahrt nach Rheinen. Von da Extrapost nach Schaffhausen. Quartier in der Krone. Gang zum Rheinfall auf der Seite des Schlosses Laufen, schöner Abend; Betrachtung des Falles zuerst vom Gerüst, dann vom Häuschen aus, nachher Ueberfahrt und Rückweg auf der anderen Seite. Nachts Gewitter.

5. Theure Zeche. Fahrt mit Extrapost. Zuerst bei Regenwetter, über Tuttlingen bis Balingen. Auf der Tuttlinger Höhe Blick auf den Bodensee, auf Hohentwiel, Hohenhöwen usw. In Tuttlingen Mittagessen auf der Post, Besuch bei Beckh (Kaufmann, mit Uhland im Landtage). Zu Balingen Ankunft um 10 Uhr, Quartier in der alten Post.

Sonntag 6. Vormittags Fahrt mit Extrapost über Hechingen nach Tübingen. In Hechingen das neue Schloß, noch unausgebaut. Spaziergang um den Oesterberg mit den Eltern, Doktorin Weissers und ihre Kindern nach Lustnau, wohin der Onkel (Arzt) von Einsiedel her kam. Besuch bei Feuerlein.

7. Fahrt mit den Eltern zu Meyers (Pfarrer M., der Uhlands einzige Schwester zur Frau hatte) nach Pfullingen. Einkehr bei Pfarrer Hoffmann in Betzingen. Nach Tisch Spaziergang zur Papiermühle. Rückweg nach Reutlingen zu Fuß mit Meyer, Einkehr bei Hoferin. Rückfahrt nach Tübingen.

8. Vormittags Danksagungsvisiten bei Tante Uhland, Baurs, Knapps, Klotzin, Schützs, Onkel Christian, Faber. Nachmittags Fahrt nach Stuttgart. Einkehr in Echterdingen. Besuch bei der Großmutter und bei Rosers.

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Das junge Paar war wieder zu Hause, in der behaglichen Wohnung in der damals noch so stillen, heute vom Lärm des Bahnhofs erstickten Kronenstraße. Uhlands Arbeitszimmer, erzählt die Biographin, ging in das Freie hinaus auf große Wiesen, an denen sich seine Augen ergötzten, und nachts freute er sich des großen Horizontes. Er hat es oft ausgesprochen – freut sich die Gattin berichten zu können –, wie wohl es ihm thue, daß er dem Wirtshausleben, zu dem ihn seine Verhältnisse genötigt hatten, entronnen sei. Auch daß er seine Eltern und die Freunde, die ihn so gastlich bei sich aufgenommen, Kerner, Mayer u. a., nun auch bei sich sehen konnte, machte ihm viele Freude. In abendlichen Zusammenkünften mit Albert Schott und Schwab nebst ihren Frauen wurde vorgelesen die Nibelungen, Hartmanns Armer Heinrich und anderes. Von eigener Poesie hat dieses Jahr 1820 nur eine Grabschrift auf die erwähnte junge Schwägerin aufzuweisen. Es ist aber doch bekannt, daß Uhland von der Schweiz nicht bloß empfangen hat: konnte er auch nicht so einzig groß wie sein Landsmann Schiller das Land des Tell für alle Zeiten verherrlichen – Uhlands Romanze „Tells Tod“ wird drinnen in den Alpen noch in fernen Jahrhunderten singen und sagen von des schwäbischen, des deutschen Dichters Liebe zu dem schönen, freien Schweizerland. J. Hartmann.     


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