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Blätter und Blüten


Der Cottasche Musen-Almanach für 1897. Auch für das kommende Jahr ist wieder dieser von Otto Braun herausgegebene Musen-Almanach erschienen, eine willkommene Gabe für alle, welche der poetischen Kunst des gegenwärtigen Geschlechts ihre Teilnahme zuwenden. Pünktlich stellt er sich ein für den Weihnachtstisch, und dies alljährliche regelmäßige Erscheinen beweist, daß er ein festes ständiges Publikum hat, das gewiß von Jahr zu Jahr zunimmt. Bietet er doch auch unseren besten und bewährtesten Dichtern ein Stelldichein, setzen diese doch eine Ehre darein, in diesem Almanach der Musen sich in würdigster Weise vertreten zu sehen! Es mag hinzukommen, daß die geschmackvolle äußere Ausstattung des in lichte Seide gekleideten Bandes ebenfalls ihre Anziehungskraft ausübt und daß sich kaum eine zierlichere Spende des Büchermarktes auf den Weihnachtstisch legen läßt. Von den namhaften Lyrikern wird man wenige in dem Almanach vermissen – fehlt ein Name zufällig in diesem Jahrgang, so wird man ihn jedenfalls in den früheren finden. Paul Heyse hat eine kurze stilvolle Novelle in reimlosen Versen beigesteuert: „Die Mutter des Siegers“. Der Stoff ist dem Altertum entnommen. Ein Preisgekrönter der olympischen Spiele ist der Held – das Mütterlein desselben hat sich gegen das Verbot, welches den Frauen wehrt, den Spielen beizuwohnen, in Mannskleidern dort eingeschlichen. Die Todgeweihte wird indes von den strengen Richtern freigesprochen, doch stirbt sie infolge der Aufregungen. Die beiden Balladen „Johannifeuer“ und „Die Lawine“ von Hermann Lingg haben große historische Perspektive und atmen markige Kraft. Den Mut als Tugend des geistlichen Standes feiert Felix Dahn in der originellen Ballade „Das Urteil Gregors VII.“ Albert Möfer läßt in dem Gedicht „Tiberius“ den schwererkrankten Tyrannen einen Boten nach Palästina schicken, damit er den Rabbi von Nazareth herbeihole, von welchem das Gerücht so merkwürdige Wunderkuren erzählt, doch der Bote kehrt zurück mit der Trauerkunde, daß der Rabbi von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt worden und am Kreuze gestorben sei. Die „Bergmannstochter“ von Martin Greif ist ein fein ausgeführtes tragisch gestimmtes Genrebild. „Ismail“ von Arthur Fitger beschwört die Märchenwelt des Morgenlandes; die Darstellung ist farbenreich und schwunghaft, das Kolorit von gespenstigem Reiz. Wilhelm Hertz spendet Proben aus seiner neuen meisterhaften Übersetzung von Wolframs „Parzival“. Noch reicher ist der Blülenstrauß der lyrischen Gedichte: den Reigen eröffnen die Veteranen Hermann Lingg und J. G. Fischer mit kurzen kernhaften Liedern; Rudolf von Gottschall feiert in einem Sonettencyklus „Genua“ diese Stadt, sein eigenes Lebensgeschick in das italienische Städte- und Landschaftsbild verwebend; sinnig, reich an eigenartigen Bildern sind die Gedichte von Wilhelm Jensen. Ludwig Fulda hat eine schwunghafte Ode „Blindheit“ beigesteuert, Eduard Paulus Lieder von melodischem Fluß; nicht minder glücklich vertreten sind Heinrich Kruse, Adolf Stern, Emil Rittershaus, Julius Rodenberg, Georg von Oertzen, Ernst Ziel, Ernst Eckstein, Max Kalbeck, Heinrich Vierordt und von den Jüngeren Ernst Lenbach, Carl Busse, Max Hartung und andere. Die verschiedensten Tone sind angeschlagen, aber es ist kein Mißton darunter. Sehr in den Vordergrund tritt Isolde Kurz mit einer schönen fesselnden Novelle, „Unsre Carlotta“, deren Heldin eine jener südlichen Elementarnaturen ist, wie sie auch Paul Heyse gern darstellt, und mit einer größeren gedankenreichen Epistel „Der neue Gott“. Kleinere originelle Erzählungen von romantischer Grundstimmung haben Ernst Eckstein und Hans Hoffmann geliefert. Die Xenien von Quidam sind meistens treffend, sie geißeln litterarische Zustände und Mißstände; sinnig sind die Albumblätter von Julius Rodenberg. Zur besonderen Zier gereichen dem Almanach die gelungenen Kunstbeilagen von Pram-Henningsen, Nestel, Püttner, Reinicke, Hasemann und Zick. Möge auch dieser Jahrgang des Cottaschen Musen–Almanachs recht zahlreiche Freunde und Leser finden! †      



Weihnachtskuchen. (Zu dem Bilde S. 825.) Die Vorbereitungen zum Fest, die der Hausfrau so viel Mühe und Arbeit bereiten, sind für die Kinder des Hauses eine reiche Quelle der Vorfreude. Was für eine angenehme Beschäftigung bildet nicht z. B. schon das Teilnehmen am Kuchenbacken! Da fällt manche Rosine und Mandel als Abschlagszahlung auf die kommenden Genüsse ab. Und wie schön spannend ist die Erwartung, ob der Kuchen auch beim Bäcker gelingen werde! G. Schöbel hat in seinem Bilde „Weihnachtskuchen“ diese kindliche Freude gar anziehend dargestellt. Der wichtige Augenblick ist gekommen, in welchem der backfertige Kuchen zum Bäcker geschafft wird. Wie fröhlich wird die süße Last getragen! Wie folgt selbst das Allerkleinste mit seiner Puppe dem Duft des Kuchenteigs nach! Der gute alte „Onkel“ Bäcker begrüßt mit heller Freude die kleine Schar. Hoffen wir, daß dank seiner Fürsorge die Napf- und Blechkuchen, die Mandel- und Rosinenstriezeln gut geraten, und auch Magen und Gaumen am Festtage befriedigt werden! *      

Verfrühte Weinachtsüberraschung. (Zu der Kunstbeilage XIII.) Es wird niemals herausgebracht werden, auf welche Weise klein Ellychen in Abwesenheit der Mama ins Bescherzimmer eindringen konnte. Rosa, das vortreffliche Kindermädchen, beteuert, sie unausgesetzt im Auge gehabt zu haben, einen Augenblick ausgenommen, wo sie die Gangthüre öffnen mußte, weil die Köchin Wally nicht klingeln hörte, was diese in gewohnter strenger Wahrheitsliebe bestätigt. Und in diesem kurzen Augenblick fand die Kleine den langen Weg über den Korridor, entdeckte durch Eingebung die beste Art, den von der liebenden Großmama gestifteten Puppenwagen an- und auszupacken, fand darinnen das herzige, goldige Püppchen und brach darüber in ein Jubelgeschrei aus, das die mit den letzten Einkäufen beladenen Eltern eben noch zu hören bekommen, Mama voll atemlosen Schreckens, Papa herzlich lachend über seine kluge Maus. Was nun? Hinaus natürlich und hinüber in die Kinderstube, wo die Beteuerungen der beiden „Perlen“ klein Elly zum reinsten Wunderkind stempeln; aber das war sie vorher auch schon, damit sagt man der höchst verstimmten Mama nichts Neues! Der Weihnachtsabend ist verpfuscht, total verpfuscht – sie bekennt es sich unter mühsam verhaltenen Thränen. – Wenn aber dann das lockige Köpfchen sich an ihre Wange schmiegt und die kleine Stimme treuherzig sagt: „Weißt Du, Mama, jetzt verdeß’ ich’s danz deswind wieder!“ – ja dann ist doch der Aerger plötzlich wie ausgelöscht und die junge Frau denkt voll Entzücken, was ihr jede Leserin nachfühlen wird: daß es doch kein schöneres Weihnachtsglück giebt, als solch ein herziges Kindchen sein eigen zu nennen! Bn.     

Madonna del Granduca. (Zu der Kunstbeilage XIV.) Wer einmal so glücklich war, die herrlichen Galeriesäle des Palazzo Pitti in Florenz zu durchwandern und den unermeßlichen Reichtum seiner Kunstschätze anzustaunen, der erinnert sich auch des wunderlieblichen Rafaelschen Bildes der Jungfrau, welche den Jesusknaben auf der einen Hand trägt und mit der anderen leise an sich drückt. Es gehört zu den frühesten seiner vielen, hauptsächlich in Florenz gemalten Madonnenbilder und zeigt in dem still und sanft vor sich hinblickenden Kopf der Mutter noch einen Anklang an Perugino und die Befangenheit der umbrischen Schule. Aber weit über diese hinaus geht bereits der Ausdruck beglückter Zärtlichkeit, mit welcher sie trotz aller demütigen Scheu das Kind in den Armen hält. Dieses selbst in seiner entzückenden Lebensfrische und Holdseligkeit eröffnet die lange Reihe göttlicher Knaben, welche, durch Rafael als Jdealtypus geschaffen, seither von Unzähligen nachgeahmt und von keinem mehr erreicht worden sind. Die Jesuskinder seiner späteren Bilder zeigen lebhaftere Beweglichkeit, paaren Anmut mit Kraft bis zu dem Wunderknaben der Sixtinischen Madonna hinauf. Aber die süße erste Kindlichkeit in ihrer rührenden Unschuld hat dieser „Bambino“ der Madonna del Granduca vor allen voraus. Das Bild ist so benannt, weil es einst Privatbesitz des Großherzogs (Granduca) von Toscana war und in seinen Gemächern hing; es gehört zu den größten Schätzen der nunmehrigen Nationalgalerie in dem alten Fürstenpalast. Unsere Leser werden die wohlgelungene Reproduktion sicherlich mit Freude begrüßen. Bn.     



Kleiner Briefkasten.

Eine Anfrage an unsere Leser. Wir wenden uns an unsere Leser mit der Bitte, dem berühmten Maler Professor Arnold Böcklin behilflich sein zu wollen, den Verbleib eines seiner Bilder zu ermitteln. Im Jahre 1873 schuf Arnold Böcklin ein Gemälde, das eine römische Vigne (Weinberg) darstellte. Es ist ein Bild in Breitformat; im Vordergrunde befindet sich ein angeheiterter Mann mit einer Flasche im Arm, über den sich eine Gruppe von Frauen belustigt. Die Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. in München möchte nun eine Wiedergabe dieses Gemäldes in das bei ihr erscheinende Böcklinwerk aufnehmen. Leider aber ist der Maler selbst nicht imstande, über den Verbleib des Bildes Auskunft zu geben. Es ist bald nach der Fertigstellung in Privatbesitz übergegangen. Da alle Nachforschungen und öffentliche Anfragen in Kunstblättern bisher ergebnislos gewesen sind, setzt die Kunstanstalt ihre Hoffnung auf die weite Verbreitung der „Gartenlaube“ und bittet jeden, der über das Bild etwas Näheres weiß, es ihr mitzuteilen.


manicula Hierzu die Kunstbeilage XIII: „Verfrühte Weihnachtsüberraschung“. Von L. Blume-Siebert
und die Kunstbeilage XIV: „Madonna del Granduca“. Von Rafael.

Inhalt: Das alte Christkindchen. Gedicht. Von Emil Rittershaus. S. 821. Mit Abbildungen S. 821, 822 und 823. – Die Geschwister. Roman von Philipp Wengerhoff (11. Fortsetzung). S. 824. – Weihnachtskuchen. Bild. S. 82S. – An das Christkind. Weihnachtsgeschichte von Eva Treu. S. 828. Mit Abbildungen S. 828, 829, 831 und 834. – Weihnachtsschulfeier in Deutsch-Afrika. Von C. Falkenhorst. S. 835. Mit Illustration S. 832 und 833. – Ein Weihnachten auf der Rauhen Alb. Von Paul Lang. S. 836. Mit Abbildungen s. 836, 837 und 839. – Blätter und Blüten: Der Cottasche Musen-Almanach für 1897. S. 840. – Weihnachtskuchen. S. 840. (Zu dem Bilde S. 825.) – Verfrühte Weihnachtsüberraschung. S. 840. (Zu der Kunstbeilage XIII.) – Madonna del Granduca. S. 840. (Zu der Kunstbeilage XIV.) – Kleiner Briefkasten. S. 840.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 840. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0840.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)