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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

die Verschwörung der Pazzi mit verwickelt und aus Florenz verbannt wurde.

Außer der großen Schönheit werden ihr seltene Geistes- und Herzensgaben und eine besondere Holdseligkeit im Umgang nachgerühmt, wodurch sie die Eifersucht entwaffnete und sich zu der Verehrung der Männer auch die der Frauen erwarb.

Von ihren Beziehungen zu Giuliano ist nichts weiter auf die Nachwelt gekommen als seine leidenschaftliche Verzweiflung bei ihrem vorzeitigen Sterben. Simonetta wurde durch eine zehrende Krankheit weggerissen und war auch im Tode noch so schön, daß man sie im offenen Sarg zu Grabe trug, um den Mitbürgern noch einmal ihren Anblick zu gönnen. Ihr Tod wurde als ein öffentliches Unglück betrauert. Der Gebieter der Stadt selber besang dieses vielbeweinte Ereignis in einem Cyklus formschöner Sonette, worin er sich selbst in die Empfindung des Liebenden zu versetzen sucht, der durch diesen Tod seiner Lebenssonne beraubt wurde. Ihm nach versuchten sich die Dichter des Mediceerhofs mit mehr oder minder Geschick in ähnlichen Totenklagen, aber alle übertraf Poliziano mit seiner herrlichen lateinischen Elegie, in der Simonettas Leichenzug ein Triumphzug wird.

Sie starb am 26. April 1476, also genau zwei Jahre vor dem Tage, wo Giuliano unter dem Altar von Santa Maria del Fiore den Mörderdolchen erlag. Ob es nicht das Bild der toten Simonetta war, was den Unglücklichen an jenem Gedenktag von dem lärmenden Festgelage, wo der Mord lauerte, zurückhielt und sein Geschick noch um ein kleines verzögerte? – Mit den Poeten haben die Maler gewetteifert, Simonettas Reize festzuhalten. Ihr Bildnis, von Botticclli für die Medici gemalt, hängt im Palazzo Pitti zu Florenz, ist aber nur aus dem Geschmack jener Zeit zu verstehen. Pollajuolo dagegen hat auf seinem schönen, jetzt dem Herzog von Aumale gehörigen Porträt die Gefeierte in einer Weise aufgefaßt, die auch dem modernen Schönheitssinn entspricht. –

Giuliano von Medici.

Bald nach Giulianos Ende enthüllte sich ein Geheimnis, an dessen Mitteilung ihn selbst der rasche Tod verhindert hatte. Der Architekt Antonio da San Gallo, sein Vertrauter, benachrichtigte Lorenzo, daß dem Verstorbenen ein natürlicher Sohn geboren sei, dessen Mutter dem Haus der Gorini angehöre und den er selbst aus der Taufe gehoben habe. Lorenzo suchte eilends den Knaben auf und nahm ihn auf den Wunsch seiner Mutter mit sich in den Mediceerpalast, wo er unter dem Namen Giulio mit Lorenzos eigenen Kindern heranwuchs. Dieser Giulio war es, der später unter dem Namen Clemens VIl. den päpstlichen Stuhl bestieg und schweres Unheil über seine Vaterstadt brachte.

Giulianos Schicksal hat viele Geister beschäftigt und ist noch in den letzten Jahren von Leoncavallo zu einer Oper „I Medici“ verarbeitet worden, in der historische Gründlichkeit und phantastische Willkür wunderlich streiten; das Musikdrama ist auch über einzelne deutsche Bühnen gegangen. Schlechter als bei diesem Modernen ist der unglückliche Giuliano bei dem Dichter Alfieri weggekommen, der ganz im Geiste des vorigen Jahrhunderts überall an Stelle der menschlichen Leidenschaften Prinzipien sah und daher in seiner bekannten Tragödie „Die Verschwörung der Pazzi“ das glänzende mediceische Brüderpaar als zwei tückische Tyrannen und die meuchlerische That der Pazzi als einen Akt heroischer Vaterlandsliebe darstellt. Wir Heutigen denken anders; wir wissen, daß jener Kampf keine freiheitliche Erhebung war, sondern nur die Verdrängung einer herrschenden Familie durch eine andere bezweckte, und daß es im höchsten Interesse des Friedens und der Kultur lag, daß das Steuer in den Händen des Würdigsten blieb.

Nach dem Untergang der Pazzi führten die päpstlichen Condottieren ihre Truppen, die schon die Grenzen der Toskana überschritten hatten, eiligst zurück. Aber Lorenzos Leben und Stellung war dadurch noch keineswegs gesichert. Papst Sixtus spie Feuer und Flammen und suchte jetzt durch offene Gewalt zu erlangen, was seinen Ränken mißglückt war. Die begütigenden Gesandtschaften der Florentiner wies er schroff zurück und nahm die Gefangenhaltung des Kardinals, die Hinrichtung des Erzbischofs und der anderen Geistlichen zum Vorwand für eine Bulle, in der Lorenzo, dieser „Sohn der Verdammnis“, nebst den Häuptern der Regierung aus der Kirche ausgeschlossen und ganz Florenz mit dem Interdikt bedroht wurde, wenn es den Verhaßten nicht in die Hände des Papstes ausliefere. Und da ihm die geistlichen Waffen nicht genügten, schloß Sixtus ein Bündnis mit dem König Ferrante von Neapel, erklärte Florenz den Krieg und warf die vereinigten Heere unter den besten Führern ins Toskanische. In der Kriegserklärung hieß es, daß der Feldzug des Papstes und des Königs nicht gegen die Republik, sondern nur gegen Lorenzo gerichtet sei; liefere man ihnen die Person des Medici aus, so solle der Friede nicht gestört werden. Die Bürgerschaft erklärte, daß sie bereit sei, mit Lorenzo zu stehen und zu fallen. Den Bannfluch wies die hohe florentinischc Geistlichkeit mit Hohn zurück und kündigte dem Papst als einem Verschwörer ihren Gehorsam. Doch wurde der Kardinal Riario, der vergeblich zu vermitteln gesucht hatte, unbeschädigt seinem Oheim zurückgegeben, welche Rücksicht den Florentinern schlecht bekam, denn nun brachen unverzüglich die Feindseligkeiten aus.

Savonarola.

Sie fanden Lorenzo nicht unvorbereitet. Hatte er bis zuletzt alles aufgeboten, um den Frieden zu retten, so übertraf er jetzt sich selbst im Organisieren der Verteidigung.

Frau und Kinder hatte er mit A. Poliziano als Hauslehrer auf ein sicheres Landgut geschickt, er selbst blieb in der bedrohten Stadt, wo jetzt auch die Pest ausgebrochen war, zurück und arbeitete rastlos.

Die Stadt wurde verproviantiert, alle festen Punkte verstärkt und neue gebaut, gegen Siena und im Mugellothal starke Posten vorgeschoben. Lorenzo war überall die treibende Kraft. Die Angehörigen der hingerichteten Verschwörer kettete er durch neue Wohlthaten an sich, kein Feind durfte ihm im Innern zurückbleiben. Gleichzeitig unterhandelte er unausgesetzt mit den auswärtigen Höfen.

Die Lage war schwierig, auf die Bundesgenossen kein Verlaß: die Venetianer, ein zähes, in selbstsüchtige Politik eingeschlossenes Jnselvolk, schickten unzulängliche Hilfstruppen und sahen kaltblütig zu, wie das Schicksal von Florenz sich gestalte; Mailand, das guten Willen hatte, stand wegen inneren Haders selbst in hellen Flammen.

In all diesen Sorgen blieb Lorenzo noch Zeit, der dichterischen Thätigkeit Polizians zu folgen, und er schrieb wohl auch selbst gelegentlich zwischen zwei Ratssitzungen eines seiner vortrefflichen Sonette nieder, ja er hatte noch gute Laune genug übrig, um den Klagen seines schwierigen Hauslehrers, der sich mit Madonna Clarice nicht stellen konnte, ein nachsichtiges Ohr zu leihen. Nichts zeichnet Lorenzo mehr aus als diese unwandelbare Sammlung inmitten der aufreibendsten Thätigkeit und die hohe Gelassenheit, mit der er jederzeit über den Stürmen des Augenblicks stand.

Der Krieg wurde von beiden Seiten nach damaliger Sitte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 865. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_865.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2023)