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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

sonstigen Ausrüstungsgegenstände mit dem Zollstock aus, zeichnete mit peinlichster Genauigkeit jedes irgend erreichbare Stück derselben nach. Das so gewonnene Material verwertete er zu den lithographischen großen Federzeichnungen, welche den Inhalt des nur in dreißig Exemplaren gedruckten Werkes „Die Armee Friedrichs des Großen“ bilden. Die Soldaten, in die echten Uniformen gekleidet und mit den echten getreu nachgebildeten Waffen ausgerüstet, erscheinen jeder in so charakteristischer Haltung, Aktion und Physiognomie und als so lebensvolle Typen des altprenßischen Militärs, daß sie täuschend so wirken, als müßten sie direkt nach solchen gezeichnet sein. Diese wunderbare Fähigkeit, die Menschen vergangener Zeitalter in voller Lebendigkeit in der Zeichnung oder im farbigen Bilde hinzustellen, bewies Menzel jedoch nicht nur in seinen Schilderungen aus der Fridericianischen Epoche. Mindestens ebenso in den zahlreichen Darstellungen von Gestalten und Scenen aus früheren Jahrhunderten, von denen das Bild „Die Schweden kommen“ im Jahrgang 1866 der „Gartenlaube“ den Lesern eine Probe bietet. Aber die seiner ganzen Geistesart zumeist sympathische Kulturepoche bleibt jene Fridericianische. Er zuerst hat diese der modernen bildenden Kunst gleichsam erschlossen und mit dem reichen malerischen Stoffgehalt und Reiz derselben seine Zeitgenossen bekannt gemacht.

Menzel betritt als Ehrengast des Kaisers Schloß Sanssouci.
Nach einer Originalzeichnung von G. Schöbel.

Noch viele der bedeutendsten Werke Menzels bleiben aufzuführen, denen er seinen volkstümlichen Ruhm und Titel als Maler Friedrichs des Großen mit verdankt. Da sind die meisterhaft in Holz geschnittenen großen Zeichnungen von Einzelgestalten (Kniefiguren) des Königs und seiner zwölf Paladine zu nennen, die mit Text von Al. Duncker in dessen Verlag unter dem Titel „Aus König Friedrichs Zeit“ 1856 erschienen und und aus deren Reihe das auf der nächsten Seite wiedergegebene Bildnis des Königs stammt; ferner die Kohlezeichnung „Friedrich am Sarge des Großen Kurfürsten“, welche die „Gartenlaube“ im Jahrg. 1878 (S. 825) brachte, die prächtigen Holzschnittzeichnungen für das Prachtwerk „Germania“, eine ganze Reihe köstlicher Gouachebilder aus dem Leben seines Helden in den heitern Tagen von Rheinsberg. Vor allem aber die Oelgemälde, mit denen Menzel sich seit 1850 seinen Platz in der ersten Reihe auch der zeitgenössischen Maler eroberte: die „Tafelrunde zu Sanssouci“ – der König mit Voltaire und den andern geistreichen, witzigen Genossen seines Kreises beim Dessert des Diners; das schon oben erwähnte „Konzert bei Hofe“ – Friedrich die Flöte blasend, auf dem Flügel und Streichinstrumenten von seinen Musikern begleitet, in Gegenwart des Hofes und der Schwester, der Markgräfin von Bayreuth; „Friedrich der Große auf Reisen“; das großartige packende und erschütternde Bild des vom Flammenschein des brennenden Dorfes beleuchteten nächtlichen Heldenkampfes König Friedrichs und der Seinen bei Hochkirch; „Friedrichs Zusammenkunft mit Kaiser Josef im Schloß zu Neiße“. Unvollendet geblieben ist leider das so herrlich begonnene große Bild „Friedrich, seine Generale am Morgen der Schlacht bei Leuthen anredend“ und das, welches des Königs Erscheinen nach jenem Siege im Quartier der österreichische Offiziere im Schloß zu Lissa schildert.

Gleichzeitig mit diesen Werken gingen künstlerische Schöpfungen jeder Gattung, und in jeder Technik ausgeführt, aus seinen nie rastenden Händen hervor: kleinere Oel-, Gouache- und Pastellgemälde; große Transparente, wie „Adam und Eva nach der Vertreibung“, „Jesus als Knabe im Tempel zwischen den Schriftgelehrten“, „Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel“; die Folge von geistsprühenden, auf dem Lithographierstein mit Tusche gemalten und ausgeschabten Bildchen, die unter dem Titel „Versuche mit Pinsel und Schabeisen“ gesammelt erschienen sind; das in der gleichen Technik mit größter Meisterschaft ausgeführte Blatt nach jenem Transparentgemälde „Jesus als Knabe im Tempel“; eine Sammlung in Kupfer radierter Landschaften uud Genrescenen. Dann im Jahre 1861 beginnt in

Menzels künstlerischem und bürgerlichem Leben eine neue Epoche. Er wird berufen, in einem großen figurenreichen Bilde mit dokumentarischer Treue die Krönung König Wilhelms I. in der Schloßkapelle zu Königsberg zu malen. Nach seinen während dieses feierlichen Aktes aufgenommenen Skizzen uud Notizen führt er in mehrjähriger angestrengter Arbeit das Gemälde, diesen Triumph der realistischen und gewissenhaften Darstellung eines geschichtlichen Aktes seiner Zeit, jeden der Hunderte von Teilnehmern nach dem Leben porträtierend, im Garde-du-Corpssaal des Königlichen Schlosses zu Berlin aus. Geschmeichelt hatte er den hohe Herrschaften in ihren Bildnissen nicht, am wenigsten den Damen. Aber seine ernste, in sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_796.jpg&oldid=- (Version vom 12.5.2023)