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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

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Sie knixte dankbar; er verbeugte sich respektvoll. Dann war sie fort.

Struve ging in sein Haus zurück, stumme Mißbilligung in jeder Miene seines ernsten Gesichtes.

„Mille tonnerres!“ fluchte Krainsberg leise und drehte sich erbost auf den Hacken seiner bequasteten Stiefel herum.

„Au!“ schrie abermals eine weibliche Stimme.

Er hatte Fieke einen Stoß versetzt, die zur Gartenthür hereingeschlüpft war und hinter ihm weg ins Haus wollte.

„Hab’ ich der Jungfer weh gethan?“ girrte er, allen Verdruß vergessend, zuthunlich. „Soll ich ihr ein spanisches Kreuz drücken? Das ist für alles gut.“ Er wollte sie umfassen und ihr das Heilmittel auf Stirn, Mund und Wangen küssen.

„Nehm’ Er sich in acht, das Ihm nicht sein eigenes Kreuz eingedrückt wird,“ schrie Märten, mit geballten Fäusten aus der Hausthür stürzend.

Fieke rettete sich hinter ihn. Auch Struve kam wieder herbei.

Einen Augenblick sahen die drei jungen Männer sich wütend an.

Dann fragte Struve. „Fieke, was willst Du?“

„Märten die Sonntagswäsche bringen,“ antwortete sie, schon wieder ganz gefaßt. „Und dem Herrn Sekretarius die Muster und Maße von seiner Herzallerliebsten. Er wird ihr doch den Staatsanzug schenken wollen zu den Brautvisiten. – Das ist das Leibband“ – sie hielt einen perlfarbigen mit Blumen gestickten Gürtel hin, der auf eine selten schlanke Mädchengestalt deutete. „Den Handschuh habe ich gestohlen“ – eine Kinderhand nur fand Platz in dem seidnen Filetgewebe. „Da ist ein Schuh; winzig, nicht wahr? Sie müssen von der Farbe des Kleides sein. Und hier die Weite der Spitzenfalbel um den Hals.“

Struve nahm ihr rasch den reizenden Kram ab und verbarg ihn in seiner Brusttasche. Das Blut stieg ihm in die Stirn bei den Blicken, die der Husar darauf richtete. „Es ist gut. Laßt Euch in der Küche einen Vespertrunk geben!“

Fieke knixte vor Struve, hob das Näschen gegen den Rittmeister und trollte fort.

Langsam folgte Märten, den Blick immer noch kampflustig auf Krainsberg gerichtet.

Der Rittmeister sah verwirrt und zornig zugleich Struve an. „Will Er denn alle hübschen Mädchen allein für sich haben?“

Struve verbeugte sich stumm, gehalten. „Sein Diener, Herr Rittmeister.“ Er ging ins Haus.

Die Thonpfeife zerschellte auf dem Pflaster des Hofes. „Na warte! in Deinen Hühnerstall will ich einmal hineinfahren!“ murmelte Krainsberg.

„Und dieser Wüstling will Lenchen eine Visite machen?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_653.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2023)