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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

desselben Stoffes an und erkannte die Selbstentzündlichkeit der frisch gefirnißten Gewebe.

Besonders gefährlich sind namentlich mit Oel und Fett getränkte Lappen. Wo nicht die nötige Vorsicht geübt wird, da können durch ein paar vergessene Putzlappen die schlimmsten Schadenbrände verursacht werden. So brach in Chicago in einem großen Gebäude, in welchem eine Stiefelfabrik betrieben wurde, auf rätselhafte Weise Feuer aus. Der „Chicago Fire Board“ nahm die Untersuchung selbst in die Hand und erkannte auf Selbstentzündung. In dem 4. Stocke befand sich nämlich eine Werkstätte, in welcher die fertigen Stiefel geölt und dann geschwärzt wurden. Das Oel wurde zwar mit Bürsten aufgetragen, doch verwandten die Arbeiter zur Reinigung der Werkzeuge und ihrer Hände Lappen und Stücke weichen Makulaturpapiers, welche sie dann auf den Boden warfen. Am Abend, nachdem die Arbeiter die Fabrik verlassen, wurden die Lappen und Papierstücke von dem reinigenden Mädchen regelmäßig zusammengefegt, mitsamt dem Kehricht und den Lederabfällen in einen hölzernen Kasten geworfen und dieser mittels eines Elevators in den untersten Arbeitsraum hinabgelassen, woselbst das Gemisch unter den Dampfkessel geworfen wurde, um am nächsten Tage verbrannt zu werden. Zwei Tage vor dem Brande aber, an einem Sonnabend, war der Elevator nicht mehr in Thätigkeit und der Kasten blieb mit seiner Füllung im vierten Stockwerk stehen. In der Nacht vom Sonntag auf den Montag entstand das Feuer.

In verschiedenen Städten erließen Polizeibehörden besondere Vorschriften für die Behandlung fettiger Lumpen und Lappen, Putzwolle und mit Oel getränkter Faserstoffe in gewerblichen Betrieben, in Fabriken, bei Lumpen- und Produktenhändlern, trotzdem thut noch Belehrung in dieser Beziehung dringend not. In Berlin allein verursachten in den Jahren 1889 bis 1892 Putzlappen und Putzwolle zweimal einen Brandschaden in Buchdruckereien und dreimal in den Kessel- und Maschinenräumen von Fabriken.

Wird nun Baumwolle in Ballen zufällig mit tierischen oder pflanzlichen Oelen oder Fetten verunreinigt, so wird sie selbstentzündlich. Und in der That sind Baumwollbrände besonders häufig auf Schiffen beobachtet worden, die neben Baumwolle noch mit Oel, Oelkuchen und dergl. befrachtet waren.

Man glaube aber ja nicht, daß fettige Faserstoffe nur in Großbetrieben oder auf Schiffen gefährlich werden können. Döhring berichtet in seinem „Handbuch des Feuerlösch- und Rettungswesens“: Eine mit Oel getränkte alte Pferdedecke wurde in einem Pferdestall über ein Tau gehängt. Am nächsten Morgen schlägt dem Kutscher beim Oeffnen der Stallthür eine helle Flamme entgegen, die Decke hatte sich selbst entzündet, das Tau durchgebrannt und war dann auf den Dielenboden gefallen, der sich in einem bedeutenden Umfange als durchgebrannt erwies. Als Kuriosum sei noch erwähnt, daß sich nach einer Mitteilung der „Deutschen Versicherungs-Zeitung“ in Manchester eine Sofapolsterung von selbst entzündete, die mit Wollabfällen verfälscht worden war. In seinem Werke „Zum Victoria Njansa“ berichtet W. Werther, daß im Lager von Unjangwira in Ugogo sich ein Zelt infolge der Sonnenhitze entzündet habe. Der Fall ist gar nicht unglaublich, ja natürlich, wenn wir nur annehmen, daß die Zeltdecke mit Oel oder Fett beschmutzt war.

Auch fettige Sägespäne neigen zur Selbstentzündung; das hatte bereits vor Jahren der berühmte Chemiker Dr. Graham festgestellt; in einer Reihe von Versuchen, die er zur Aufklärung der Ursachen des Brandes der „Amazone“ anstellte, fand er, daß Sägespäne, die mit ranziger Butter durchfettet waren, sich in 24 Stunden von selbst entzündeten, wenn man sie nach dem Fetten scharf zusammengepreßt hatte. Kein Wunder also, daß in einer Fabrik Sägespäne, die durch Ritzen der Dielen gefallen waren und sich zwischen den Balken anhäuften, sich selbst entzündeten, als sie dort verschüttetes Oel aufsaugten.

Mineralische Oele wie Petroleum neigen dagegen, auch mit Faserstoffen gemengt, zur Selbstentzündung nicht, da sie eben aus der Luft keinen Sauerstoff aufnehmen. Von den Fasern ist die Baumwolle am meisten, Seide und Flachs am wenigsten gefährlich. Von den Oelen stehen Seehundsthran und Leinöl in besonders schlimmem Rufe. Die Selbstentzündung gefetteter Faserstoffe wird natürlich durch die Temperatur der Umgebung beeinflußt, je höher dieselbe ist, desto leichter tritt die Selbstentzündung ein.

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Wir kommen zur Selbstentzündung der Kohle. An die Kohle ist die glorreiche Kultur, der technische Fortschritt unseres Jahrhunderts gebunden; die Kohle treibt die zahllosen Dampfmaschinen zu Lande und zu Wasser. Aber nur unter hartem Ringen können wir dem Schoß der Erde die schwarzen Diamanten entreißen und müssen sie so oft leider mit schweren Opfern an Menschenleben bezahlen! In den Gruben bedrohen den Bergmann die furchtbaren schlagenden Wetter, und wenn die Kohle gefördert und verfrachtet ist, um in ferne Länder verbracht zu werden, dann sind ihre schlimmen Eigenschaften noch lange nicht gebändigt. Schiffsleute, die dem Kohlenhandel dienen, wissen davon zu erzählen. Ihre Schiffe werden durch die schwarze Ladung zu schwimmenden Bergwerken; dann bedrohen Explosionen der Grubengase, die der Kohle entsteigen, den Seemann auf dem unendlichen Meere und unter seinen Füßen lauert in der Kohlenmasse die schlimme Feuersgefahr; denn stets muß er darauf gefaßt sein, daß seine Kohlenladung sich von selbst entzünden kann.

Da segelt im Jahre 1891 das Bremer Vollschiff „Klara“ mit etwa 2300 Tons North-Wales-Dampfkohlen von Birkenhcad nach San Francisko. Auf dieser Fahrt muß es die Gegenden von Kap Horn passieren, die bei den Seeleuten berüchtigt sind, da in ihnen viele Kohlenschiffe zu Grunde gehen oder verschollen bleiben. Rio de Janeiro wird passiert, als am 13. November das britische Schiff „Duntrune“ in Sicht kommt. Es ist auch ein Kohlenschiff; es hat aber bereits Feuer in der Ladung und hält sich in der Nähe der „Klara“. 500 Tons Kohle werden von dem Engländer über Bord geworfen; der Kapitän glaubt, das Feuer gelöscht zu haben, und die Schiffe setzen getrennt ihre Reise fort. Auf der „Klara“ wird man inzwischen besorgt; in der Kohlenladung sind eiserne Röhren angebracht, die senkrecht in die Tiefe gehen; man versenkt in dieselben Thermometer und macht die trübe Wahrnehmung, daß die Kohlen sich erwärmen, ihre Temperatur beträgt, bereits 44,5° C. Es wird darum alles mögliche aufgeboten, um möglichst gute Ventilation im Laderaum herzustellen. Das Kap Horn wird umsegelt und die „Klara“ muß stark gegen westliche Winde kämpfen, aber es gelingt doch, die Temperatur der Kohlen auf 40,5° C. herabzudrücken, und als das Schiff den Großen Ocean erreicht, fällt die Temperatnr der Kohlen sogar auf 37° C. Die Gefahr ist aber doch noch nicht abgewendet und nun erst sollen sich die Folgen des schweren Arbeitens des Schiffes bei Kap Horn zeigen. Am 4. Januar 1892 bemerkt die Mannschaft Brandgeruch und aus den drei Luken beginnt ein leichter Rauch aufzusteigen, während zugleich ein starker Gasgeruch sich wahrnehmen läßt. Feuer im Schiff! Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Ladung in Brand geraten ist, und nun wird der schwierige Kampf gegen das furchtbare Element eröffnet. Aus der großen Luke wird die Ladung über Bord geworfen und die Mannschaft arbeitet die Nacht durch, um an den Brandherd zu kommen; aber Qualm und Hitze steigen und am andern Morgen müssen die Kohlen mit Wasser begossen werden. Alles menschliche Ringen war indessen vergeblich, ein großer Teil des Unterraumes stand in Feuer und am 6. Januar war es wegen der großen Hitze und des Qualms nicht mehr möglich, im Raum zu arbeiten; so wurde das Schiff beigedreht, sämtliche Luken wurden gedichtet, die Boote klar gemacht und mit Proviant versehen. Der letzte Akt des Dramas sollte sich nun abspielen: in der Nacht schleuderten die Gase die große Luke empor, wobei ein raketenartiges Funkensprühen begann. Gegen Mittag des 7. Januar brachen endlich die hellen Flammen hervor und bald darauf war das Schiff vorn eine Feuersäule; nun wurden die Boote zu Wasser gebracht und die „Klara“ verlassen. Ein schauerlicher Anblick war es, als Fockmast und Marsstangen über Bord gingen; denn mächtige Feuergarben stiegen noch aus dem Schiffe und gewaltige Rauchsäulen bedeckten den Himmel. – Die Mannschaft wurde glücklich gerettet, das eine Boot begegnete einem englischen Viermaster, während das andere nach sechzehn Tagen Fahrt auf Tahiti landete.

Leider laufen die Brände der Kohlenschiffe nicht immer so glimpflich ab, sondern sind häufig mit schweren Verlusten an Menschenleben verknüpft; außerordentlich viele Kohlenschiffe bleiben verschollen, und nur die wenigsten von ihnen dürften vom Sturm zerstört sein, die meisten sind zweifellos als Opfer der Selbstentzündung der Kohlen zu betrachten. Im Kohlenhandel nach Ost-Afrika gingen nach einer amtlichen englischen Zusammenstellung im Laufe von sieben Jahren nicht weniger als 39 Schiffe verloren, von denen 24 verbrannten und 15 vermißt wurden; die Zahl der dabei verloren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_604.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2022)