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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

bemerken noch verschiedene Trophäen und Erwerbungen von den nordischen Reisen, so den knöchernen Schreibtischsessel, einen Spazierstock aus dem Bein des vom Kaiser erlegten Wales, Malereien auf Knochen etc. Von der Halle führt eine Thür auf die Veranda und direkt nach der Treppe, die zum Einsteigen in die Boote dient.

Von der kleinen Flotille sind am sehenswertesten die Dampfjacht „Alexandria“ und die Miniatursegelfregatte „Royal Louise“.

Die „Alexandria“ ist ein langgestreckter, stattlicher Doppelschraubendampfer, der mit seinem weißen Anstrich sich recht elegant ausnimmt, zumal wenn über ihm, zwischen der „Gösch“ am Buge und der preußischen Flagge am Heck, die Standarte des Kaisers flattert.

Den Hauptraum der „Alexandria“ nimmt der in Hellgelb, Weiß und Gold gehaltene Decksalon ein, dessen einfache aber geschmackvolle Möbel mit einem kleingeblümten, zartgemusterten, hellen Stoff überzogen sind. Oben auf dem Salon befindet sich das Promenadendeck, auf dem die Fahrgäste in bequemen Korbdeckstühlen zu sitzen pflegen. Die Küche und die Nebenräume liegen hinter der starken Maschine über der Schraubenwelle. Die erstere würde mit ihrem zierlichen Gaskochherde das Entzücken jeder Hausfrau erwecken. Die „Alexandria“ wurde an Stelle eines gleichnamigen älteren Fahrzeuges nach den Angaben des Kaisers, des damaligen Prinzen Wilhelm, gebaut. Der Monarch benutzt das Schiff viel zu Fahrten mit seiner Familie, auch zu Dienstfahrtcn nach Spandau, Charlottenburg, zu den Regatten auf der Oberspree etc.

Die Dampfjacht „Alexandria.“

Neben dem Bootshaus für die „Alexandria“ erhebt sich noch ein Schuppen für eine Vierriemer-Mahagoni-Gig und einen kleinen, einruderigen „Seelenverkäufer“, der seine Seetüchtigkeit einst auf offenem Ocean bewiesen haben soll.

Die „Royal Louise“ ist ein vom englischen Hofe stammendes Geschenk. Diese dem Wasserstande der Havel angepaßte Miniaturfregatte ankert hier bereits seit vielen Jahrzehnten; sie bot den ersten Anlaß zur Gründung der Matrosenstation. Das Schiffchen macht von fern wirklich den Eindruck eines echten Kriegsfahrzeuges; in der Nähe bemerkt man erst, daß es nicht größer als eine mittlere seegehende Segeljacht ist. Die aus den Pforten hervordrohenden Geschütze bestehen aus Holz, aber die Takelage ist in allen Einzelheiten bis zu den Oberbramraaen hinauf einer Vollschiffstakelage nachgebildet. Unter dem geschlossenen Oberdeck gelangt man in einen Salon, der einer kleinen Gesellschaft hinlänglich Raum bietet. Die roten Lederpolster, die grüne Tischdecke sind noch von altväterischem Geschmack. Vor dem Salon sieht man die Stoppervorrichtungen für die Anker, hinter ihm liegt eine niedrige Schlafkajütte nebst Kabinett. Ganz hinten, nur vom Oberdeck zugänglich, öffnet sich eine Luke, in der das Steuerrad sich dreht; hier steht auch der die Radspeichen Handhabende, also häufig der Kaiser, der es liebt, selbst mit der Fregatte nach allen Regeln der Kunst zu manövrieren. Etwa zehn Mann bedienen die Takelage; die Kommandos sind die sonst in der Marine üblichen. Die „Royal Louise“ ist durch viel Ballast sehr steif gemacht. Ein Dampferfahrzeug begleitet sie in der Regel auf den Ausflügen.

Der Kaiser an Bord der „Royal Louise“

Die aus Wilhelmshaven und Kiel den Sommer über auf die Potsdamer Station kommandierten Mannschaften, etwa zwölf an der Zahl, sind natürlich ausgesuchte Leute. Die Matrosen unterstehen einem Oberbootsmannsmaaten. Die Station ressortiert vom Reichsmarineamt, von dem ein Offizier die Kontrolle übt. Der dauernd hier befindliche Schiffsführer ist ein ehemaliger, verdienter Deckoffizier. Der Dienst ist natürlich meist ein leichter. Es besteht eine regelrechte Routine mit Musterungen, Segelexerzieren (auf der Fregatte), Geschütz- und Handwaffenexerzieren, Dienstinstruktion, Postenstehen etc. Die Mannschaften erhalten zur Verpflegung 90 Pfennig auf den Tag, wofür sie sich selbst zufriedenstellend beköstigen, indem sie das Geld zusammenschießen. Urlaub wird reichlich bewilligt. Ueber die Freundlichkeit des Kaisers bei den Ausfahrten wissen die Leute viel Rühmendes zu erzählen.

Abgesehen von dem Zwecke, die königlichen Fahrzeuge sachgemäß zu konservieren, dient die Matrosenstation in erster Linie der Erholung des Kaisers, dann als eine Art Seeschule für die Prinzen und zur Unterhaltung für die kaiserliche Familie und deren Gäste. Aber auch das Publikum hat einen Vorteil davon. Je mehr die grüne Havel von einem wechselnden Schiffstreiben belebt wird, ein desto reizvolleres Bild bietet sie dem Besucher.

Die Segelfregatte „Royal Louise.“

Die Berliner wissen so etwas zu schätzen; sie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_558.jpg&oldid=- (Version vom 13.2.2019)