Seite:Die Gartenlaube (1895) 478.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

ist ihnen der deutsche Name Mauerbiene zugekommen, eine Quelle häufiger Verwechslungen mit der Maurer- oder Mörtelbiene. Ihre Tendenz ist, ihre Zelle in einem Hohlraum von dem ungefähren Durchmesser der Zelle unterzubringen, doch ist sie wenig geneigt, sich selbst solche Lokalitäten zu schaffen. So dienen ihr alte Bohrlöcher von Insekten, Löcher in Wänden, vor allem auch hohle Pflanzenstengel als eine willkommene Nistgelegenheit. In hohlen Stengeln wird Zelle auf Zelle gesetzt, die Zwischenwände derselben sind aus Lehm hergestellte; daß unsere Osmia-Arten in ihrem Suchen nach passender Wohnung für Anlage ihrer Brutzelle oft eine merkwürdige Wahl treffen, haben wir schon eingangs erwähnt, denn die Künstlerin, welche die Fensterröhren zubaute, erwies sich ebenfalls als eine Mauerbiene, und vor uns liegt eine Fadenrolle, deren mittlerer Gang an beiden Enden verschlossen ist und welche, wie sich beim Durchsägen ergab, drei Osmia-Zellen enthält. Friese, der treffliche Kenner der Lebensweise unserer Solitärbienen, führt noch eine weitere Reihe ergötzlicher Beispiele dafür an, welche merkwürdige und oft recht ungeschickte Wahl die Osmia-Arten in ihrer Bauthätigkeit hier und da treffen. Einmal war es eine in einem Gartenhaus liegen gebliebene Flöte, die sich vortrefflich zur Anbringung von 14 Brutzellen eignete, ein anderes Mal diente ein Taschenuhrgehäuse zur Aufnahme von etwa 12 Zellen, die in zwei Kreisen angeordnet waren; eine gewisse Anziehungskraft scheinen auch Schlüssellöcher auf die baulustige Biene auszuüben, und der Gast eines Wirtshauses im Schwarzathal, der sich beschwerte, daß während seiner Abwesenheit das Schlüsselloch seines Schreibtisches „mit Lehm verklebt“ worden sei, war im Unrecht, den Wirt für die Thätigkeit einer Mauerbiene verantwortlich machen zu wollen.

Mit fast sicherer Aussicht auf Erfolg suchen wir nach den Nestern der Osmia-Arten an Lehmwänden; die Mauerbiene teilt diese Vorliebe mit vielen anderen Verwandten und wir wissen manchen Platz, der uns eine reiche Ausbeute an solitären Blumenwespen und ihren zahlreichen Schmarotzern bietet.

Kopfschüttelnd beobachten die Spaziergänger, die der prächtige Tag zahlreich ins Freie gelockt hat, die Männer, die die hohe, steil ansteigende Lehmwand erklettern und hier ein ihnen völlig unverständliches Treiben entfalten; der eine schlägt mit dem Netz nach Insekten, die in der Luft herumfliegen, der andere bohrt in der Lehmwand herum, um dann eine Flasche herauszuziehen und mit ängstlicher Sorgfalt die augenscheinlich glücklich gewonnene Beute darin verschwinden zu lassen; es muß etwas Besonderes sein, dessen Fang ihm geglückt ist, denn mit lautem Zuruf macht er den Genossen darauf aufmerksam und bemüht sich, auf seinem steilen Standpunkt so weit sicheren Fuß zu fassen, daß er einige Bemerkungen in ein Notizbuch eintragen kann.

Dicht zu unseren Füßen, nur durch die Straße von dem Fuß der Wand getrennt, fließt munteren Laufes der Fluß dahin, über blühendes, grünendes Feld schweift der Blick zu den nahen rebentragenden, waldgekrönten Bergen, allein wir haben keine Zeit und jetzt auch fast kein Interesse, die im Glanz des Frühsommers vor uns liegende Landschaft zu bewundern, und wenden uns lieber der Beobachtung und Ausbeutung der zahlreichen Bienenbauten zu. Die Mauer scheint ein Lieblingsplatz der verschiedenartigsten Bienen zu sein; dicht drängen sich an vielen Stellen die Oeffnungen der Zellen, so daß es aussieht, als ob ein Kleingewehrfeuer auf die Lehmwand gerichtet worden wäre. Eines aber fällt uns vor allem auf; vor einer große Anzahl von Nistlöchern der Bienen sehen wir eine aus Lehm hergestellte Röhre bogenförmig nach unten gerichtet; ganz Aehnliches kennen wir von der Mauerlehmwespe, die den Eingang zu ihrem Nest ebenfalls mit einem solchen Rohr versorgt; in diesem Fall jedoch handelt es sich um die Mauer-Pelzbiene, Anthophora parietina. Die Röhre ist aus Lehmteilchen zusammengebaut, hauptsächlich gegen das Ende zu sehr locker, so daß häufig die Größe der Zwischenräume der Größe des verwendeten Materials gleichkommt. Ein unvorsichtiger Druck mit dem Finger und die Röhre ist zerbrochen, ein paar tüchtige Gewitterregen und von der überwiegenden Mehrzahl aller Nester ist die Schutzröhre hinweggewaschen. Was demnach der Zweck dieses gebrechlichen Objektes ist, ist schwer zu sagen. Die Mehrzahl der Biologen scheint sich zu der Ansicht zu neigen, daß die Biene die beim Ausgraben des Nistganges gewonnenen Erdteilchen nicht direkt wegwerfen mag, sondern als „schätzbares Material“ aufstapelt, denn sowie alle Zellen versorgt sind, wird der Eingang zugeschmiert und die ganze Brutanlage hierdurch unsichtbar gemacht. Allzuviel Wahrscheinlichkeit scheint uns diese Erklärung nicht für sich zu haben, denn der Vorteil, das Material, welches ja überall zu haben ist, durch diesen Bau in nächster Nähe bei der Hand zu halten, wird durch die Mühe des Baues kaum aufgewogen; doch wollen wir gleich gestehen, daß wir allerdings keine bessere Hypothese an die Stelle zu setzen wissen.

Giebt uns diese Art der Pelzbiene durch den Röhrenbau die Lösung eines Problemes auf, so bewundern wir bei einer anderen Art der gleichen Gattung, Anthophora personata, die Anlage der Zellen. Während die überwiegende Mehrzahl der in Lehmwänden bauenden Blumenwespen einfach eine an ihrem Ende sich etwa noch gabelnde Röhre in der Wand aushöhlt und diese durch Querwände in mehrere Zellen teilt, treibt die letzterwähnte Art der Pelzbiene zunächst eine wagerechte Röhre in die Wand und die Zellen werden rechts und links von diesem Hauptgang angelegt; die ausschlüpfenden Bienen gelangen also von ihren Zellen in den Hauptgang und von diesem aus ins Freie, ohne daß, wie dies sonst fast stets bei den Bauten dieser Blumenwespen der Fall ist, die eine Biene beim Verlassen ihrer Zelle ihren Weg durch die Geburtszellen ihrer Schwestern nimmt und diese oft in ihrer Entwicklung hierdurch stört. Friese hebt richtig hervor, wie diese scheinbar so geringfügige Aenderung in der Bauart des Nestes bei der Anthophora personata thatsächlich einen ganz wesentlichen Fortschritt bedeutet.

Viel wäre noch zu sagen von der Kunst und den speziellen Liebhabereien dieser Architekten, die für die Wahl ihrer Wohnungen Erde, Lehm und Gestein bevorzugen; bauen die einen ihre Lehmzellen in hohle Pflanzenstengel u. dergl., bevorzugen die anderen künstliche und natürliche Lehmwände, um in ihnen ihre Gänge und Zellen anzulegen, so begegnen wir weiteren Arten auf unserem Spaziergang, der uns über harten, lehmigen, festgetretenen Boden führt. In großer Zahl oft umschwärmen uns Bienen, und ohne langes Suchen entdecken wir in dem harten Boden eine reiche Anzahl von Löchern; sie führen zu den Brutzellen all der Arten, die sich hier tummeln. Hier finden sich die Schmalbiene, die Hornbiene und die Sandbiene, und mit und neben ihnen fliegen Wespen, die in gleicher Weise ihre Zellen dem Boden anvertrauen.

Ein großer Teil der Solitärbienen jedoch sucht sich das Material zu seinen Zellenbauten im Pflanzenreich. Wiederum giebt uns hier die Gattung Osmia die nächstliegenden Beispiele. Für diejenigen Arten, die ihre Zellen in Pflanzenstengeln anbringen, ist es natürlich das Einfachste, durch Abnagen und Verkauen der Pflanzenmasse selbst sich das Material zur Herstellung der Zellzwischenwände zu beschaffen, wie dies die stattliche Holzbiene thut. Durch ihre Größe, wie durch ihre dunkle Färbung fällt sie unter allen deutschen Bienen sofort auf; der Hinterleib ist schwarz, die Flügel sind dunkelblau schillernd und sie erinnert durch diese Färbung an die weiblichen Maurerbienen, die ebenfalls ein düsteres Gewand tragen, während die Männchen sich in lichteres Gelbrot kleiden. Zur Anlage ihrer Brutzellen, eine Thätigkeit, welche bereits Réaumurs Interesse erweckte, wählt die Holzbiene älteres Holz, morsche Bäume, altes Lattenwerk u. dergl.; sind etwa schon Löcher vorhanden, die dem prüfenden Blick der suchenden Biene verwendbar erscheinen — um so besser; wenn nicht, so macht sich das eifrige Tier ungesäumt an seine Zimmermannsarbeit; den kräftigen Kinnladen, die als Meißel und Zange wirken, vermag das morsche Holz nicht zu wiederstehen, und bald ist ein bis 30 cm langer Gang von 1½—2 cm Durchmesser gebohrt. Nun beginnt, wie bei allen in dieser Weise bauenden Bienen, die zweite Hälfte der Thätigkeit. Es wird die Nahrung der künftigen Larve, der Futterbrei, eingetragen und oben drauf ein Ei gelegt; in einiger Entfernung oberhalb der Futterballen wird aus Sägespänen eine Querwand hergestellt und die erste Zelle ist fertig; der Deckel der ersten dient der zweiten zugleich als Boden, und ist die Witterung günstig, so baut die fleißige Biene bis zu einem Dutzend solcher Zellen, in welchen in stiller Abgeschiedenheit ihre Nachkommenschaft heranwächst.

Wie erwähnt, hat schon Réaumur den Nestbau der Holzbiene beobachtet und dieselbe ist dadurch besonders bekannt geworden; eine Reihe ihrer Verwandten jedoch, die ebenfalls Pflanzenmaterial zum Bau der Brutzelle verwenden, sorgt in höherem Maße für wohnliche und bequeme Ausstattung der Zellen. Da ist z. B. die Wollbiene, mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Anthidium geheißen; sie hat ihren deutschen Namen von der Gewohnheit, ihre Zellen aus abgeschabter Pflanzenwolle zu bauen; nach Frieses Untersuchungen sind es besonders Stachys- und Salviaarten, von deren Blättern das Tierchen die Wolle abschabt, um daraus in einer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_478.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)