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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

 Der Traum vom Glück.

 (Zu dem Bilde S. 421.)

Hat dir das Leben auch zerpflückt
Des Glückes frischen Blütenkranz,
Es naht im Traum, was dich beglückt,
Zum Troste dir mit mildem Glanz.
Und irrtest du verzweiflungsvoll,
Weil grausam dich die Welt verstieß,
Der Traum vom Glück besiegt den Groll
Und zaubert dir ein Paradies.

Er bauet liebreich wieder auf,
Was das Geschick in Trümmern schlug,
Er trotzt dem rauhen Weltenlauf,
Der Zeit vernichtungstollem Flug,
Er läßt die Toten aufersteh’n
Zu neuem Leben, holdem Thun –
O selig frohes Wiederseh’n,
Wenn wir in seinem Frieden ruh’n!

Und zieht in die Vergangenheit
Kein süß Erinnern dich zurück,
Es zeigt voll Licht und Seligkeit
Die Zukunft dir – der Traum vom Glück.
Die müden Herzen werden jung,
Wenn er an seinen Wundern schafft –
Er giebt der Hoffnung neuen Schwung
Und neue kühne Glaubenskraft.

So groß ist keiner Mutter Harm,
Die treu ein Kind am Busen hegt,
Und sei an Glück sie noch so arm,
Daß Hoffnung nicht ihr Herz bewegt,
Wenn sanft mit seinem milden Glanz
Der Traum vom Glück sie nachts beschleicht
Und einen frischen Blütenkranz
Dem kleinen Schläfer freundlich reicht.
 Johannes Proelß.




Blauweiß.

Novelle von Theodor Duimchen.

     (Schluß.)

Kate Arlington rief Bob heran und fragte ihn nach dem Riesen in grauem Leinen.

„Fort, fort,“ sagte der Mulatte, „dorthin,“ und er deutete in der Richtung nach dem Deutschen Klub.

„Kannst Du ihn suchen, Bob? Ich möchte wissen, wer der Tapfere war.“

„Ja – erst den Schwarzen – der ihm das Messer in den Rücken stieß. Was wollten die andern von dem Herrn?“

„Ein Mißverständnis,“ antwortete Kate, „blauweiß sind die Rebellenfarben, er sollte sie ablegen und verstand die Spanier nicht.“

„Ah,“ sagte Bob. Rebellenfarben – das begriff er von Amerika her und er sah wieder Don Antonios teuflische Augen vor sich. Mit einem Schlage war ihm alles klar.

„Der Mann von heute morgen, mit dem der Herr dann ausging – er hat den Schwarzen bezahlt, ihn umzubringen im Gedränge – er hat dem Herrn geraten, Blauweiß zu tragen – seit heute morgen trug er’s.“

Kate wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Carvajal, Don Antonio?“ rief sie. Der Verdacht, die Gerüchte über den Kreolen fielen ihr ein. Was konnte ihr Bruder nicht alles gefunden haben! Heiß stieg es in ihr auf bei dem Gedanken, daß man ihrem arglosen Bruder heimtückisch eine mörderische Falle gestellt hätte. Wenn man dem Ruchlosen das beweisen, den Arm des Gesetzes gegen ihn bewaffnen, ihn erbarmungslos zerschmettern könnte! Aber Bob war wohl selbst verwundet, sie trat an ihn heran, ihre schmale weiße Hand strich über sein krauses Haar. „Bist Du verwundet?“

Der Mulatte richtete sich straff auf, seine Brust dehnte sich. „Nichts, Herrin, ein paar Schrammen.“

„Wenn wir den Neger finden, meinen Bruder an Don Antonio rächen könnten – –“

In Bobs Augen blitzte es auf. „Ich werde ihn rächen, auch Bob ist tapfer.“ – Er lag plötzlich auf den Knien vor ihr und küßte ihres Kleides Saum. Es war nur ein Augenblick, schon war er wieder aufgesprungen und sauste in weiten Sätzen über den Platz weg davon.

Da kamen auch die beiden Herren zurück. Der Arzt war von dem Ergebnis der Untersuchung solange befriedigt gewesen, als er nur die Beulen, die Brauschen und die Degenstiche gefunden hatte.

„Nichts von Bedeutung, nichts von Bedeutung, nur Fleischwunden,“ hatte er gesagt. Bedenklich aber war er geworden, als er John aufheben ließ und unter seinem Rücken eine große Blutlache und ein abgebrochenes Dolchmesser zwischen seinen Schulterblättern im Körper stecken fand. Aber man würde den Verwundeten trotzdem ins eigne Haus bringen können, vorsichtig, lang ausgestreckt in der Volante, hatte der Doktor gemeint.

Der alte Herr Morales bat einige Umstehende um ihre Mitwirkung. Auch Mercedes stieg wieder aus. Stroh wurde in dem Wagen aufgeschichtet und der Verwundete mit größter Vorsicht hineingebettet.

Eine Volante ist ein vorzügliches Fahrzeug, mit ihrer langgestreckten Muschel, in der man sowieso mehr liegt als sitzt, und mit ihren zwei ungemein hohen Rädern, die vermöge ihres riesigen Umfangs selbst über sehr bedenkliche Löcher ohne jede Erschütterung weggehen. Ursprünglich für den Dienst im Innern, für schlechte Wege erfunden, läßt sie ihre Insassen in den Federn auf und nieder schweben und selbst die schwersten Stöße nicht empfinden.

Der Kutscher fuhr jetzt in langsamster Gangart voran, ohne daß der Verwundete aus der Ohnmacht erwachte. Die Herren mit den Damen und der Arzt folgten in Droschken.

Bob aber hatte die Fährte aufgenommen, er war ins Hotel geeilt, auf seines Herrn Zimmer. Jetzt wusch er sich flüchtig die Wunden aus und suchte das große Bowiemesser, das er heute morgen selbst in ein offenes Schubfach des Schreibtisches gepackt hatte. John Arlingtons Revolver lagen daneben. Der Mulatte kannte das berühmte Wort nicht, das da sagt, die Kugel sei eine Närrin und nur die Klinge ein Mann, aber er zögerte kaum einen Augenblick, dann steckte er das Messer zu sich und ging, äußerlich völlig ruhig, wieder hinunter.

Er suchte den Oberkellner. Als er am Nachmittag im Hoteleingang herumgestanden hatte, waren Amerikaner angekommen und der Oberkellner hatte englisch mit ihnen gesprochen. Der würde ihn also verstehen. Er fand ihn bald, fragte ihn nach der Wohnung Don Antonio Carvajals und verlangte einen Wagen. Man wußte im Hotel, was im Park geschehen war. Man glaubte, daß er eine Botschaft zu besorgen habe, und entsprach seinen Wünschen sofort.

In der Nähe von Don Antonios reichem Hause verließ er den Wagen. Das Hausthor, vor dem zwei große Gaskandelaber brannten, war noch offen. Er ging aber nicht hinauf. Er überzeugte sich nur, daß das Haus außer dieser Hauptthür keinen andern Eingang hatte, dann beobachtete er von einem gegenüber liegenden Thorweg aus scharf jeden, der drüben in den Lichtkreis trat. Der, auf den er wartete, kam nicht. Die Nacht schritt vor, die großen Thürflügel wurden geschlossen. Er hörte schwere Riegel fallen. Die Diener drehten innen das Gas ab. Die Laternen verloschen.

Der Mond war aufgegangen, nur als schmale Sichel. Don

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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_420.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)