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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

daß diese periodische Austrocknung für eine Menge von Thieren, Eiern und Keimen eine Lebensbedingung sei; daß ihre Fortpflanzungsfähigkeit, ihre Lebensfülle bedeutend abnahm, wenn beständig, Sommer wie Winter, die Tümpel und Bäche mit Wasser gefüllt blieben, dagegen in hohem Grade gefördert wurde durch zeitweilige Austrocknung.

Auf dem Grundsatze der nothwendigen zeitweiligen Austrocknung der Gewässer, die einerseits der Hervorbringung von Krustenthierchen Vorschub leistet, anderntheils aber auch eine Menge von kleineren und größeren feindlichen Wasserbewohnern, sei es im ausgebildeten Zustande, sei es als Eier oder Larven, tötet, beruht das Verfahren von Dubisch, welches wenigstens in Deutschland und der Schweiz, sowie im Osten jetzt allgemein eingeführt ist, während es in Frankreich noch immer lebhaften Widerspruch findet. Es ist ohne Zweifel die wesentlichste Errungenschaft, welche die Fischzucht in den letzten Jahren zu verzeichnen hat, und gilt ebenso für die Züchtung der Edelfische wie für diejenige der eigentlichen Teichfische, namentlich der Karpfen. Es ist wesentlich eine Wechselwirthschaft in großem Stile, auf deren nähere Beschreibung wir hier verzichten müssen.

Kehren wir zu unseren Edelfischen zurück. Für den Lachs kann es keine geschlossene Züchtung geben; er ist ein Wanderfisch, der in das Meer zurückgehen muß, um von dort aus zum Laichen in die Flüsse aufzusteigen; für den Rheinlachs ist es wenigstens mit vollkommener Sicherheit festgestellt, daß er während dieses Aufsteigens fastet und keine Nahrung zu sich nimmt; für die Lachse der übrigen deutschen Flüsse ist das Verhalten wenigstens wahrscheinlich. Die Coregonen bedürfen der Seen, aus deren Tiefe die meisten von ihnen nur zu den Ufern aufsteigen, um dort zu laichen, während andere in der Tiefe selbst ihre Eier ablegen. Für diese beiden Kategorien ist also geschlossene Züchtung unthunlich; ihre Vermehrung kann nur durch Aussetzung von Brut geschehen.

Bei den Forellen und Saiblingen äußert sich der Wandertrieb weit weniger. Wohl gehen die Seeforellen in die ein- und ausmündenden Flüsse und Bäche, wo sie geeigneten Kiesgrund für ihr Laichgeschäft finden; aber sie entfernen sich nur auf kurze Strecken und begnügen sich mit klarem, kühlem Wasser und gutem Futter, um zu wachsen und selbst sich zu mästen. Saiblinge, See- und Bachforellen, europäische wie amerikanische, lassen sich also in geschlossener Züchtung bewirthschaften und verwerthen. Nur sind die Bedingungen für diese Züchtung weit enger begrenzt als diejenigen für die eigentlichen Teichfische, und namentlich sind es die Beschaffenheit und Temperatur des Wassers sowie sein Gehalt an gefährlichen Kleinwesen, wie die Saprolegnia, welche vor allen Dingen berücksichtigt werden müssen.

Sobald die Edelfische, die ja alle Raubfische sind, zu einer gewissen Größe gelangt sind und auf andere Fische, namentlich Weißfische, Jagd machen, muß diesem Bedürfniß Rechnung getragen werden. Wasserflöhe und andere kleine Krustenthierchen vorzugsweise in der ersten Jugendzeit, später, bis die Forelle etwa 15 bis 20 Centimeter Länge erreicht, Insekten, Insektenlarven und Würmer, dann kleinere Weißfische – das sind etwa die drei Stufen der Ernährung der im Freien lebenden Forellen und diesen muß sich die geschlossene Züchtung soviel wie möglich annähern. Die erwachsene Bachforelle springt nach Insekten und künstlichen Fliegen an der Angel; die Seeforelle auch, aber für die letztere ist dies nur eine Beigabe – eine Forelle, sagen die Fischer an den Seen von Neuchatel und Genf, hält täglich drei Mahlzeiten, zu welchen sie, je nach ihrer Größe, ein bis zwei Weißfischchen, sogenannte Sardinen, verspeist. In der That habe ich in dem Magen von Forellen, die etwa 20 Centimeter Länge hatten, schon kleine Fische in halbverdautem Zustand vorgefunden.

Wenn so die Grundlagen einer rationellen Züchtung und Mästung der Edelfische festgestellt wurden und ihre praktische Verwerthung fanden, während dieselben Grundsätze auf die Teichwirthschaft, für Karpfen besonders, einen wahrhaft umgestaltenden Einfluß übten, so konnte es nicht fehlen, daß die erworbenen Erfahrungen über die natürliche und künstliche Befruchtung, die Entwicklung der Eier und der Jungen, die Möglichkeit ihrer Versendung in weite Entfernungen neue Ziele steckten, deren Erreichung mit Emsigkeit verfolgt wurde. Sollte man nicht Gewässer mit Fischen besetzen können, die sie vorher nicht besaßen?

Man hatte früher Versuche gemacht, die großentheils fehlgeschlagen waren. Ich erinnere mich noch aus den Zeiten meines Pariser Aufenthaltes des endlosen Gespöttes, welchem der dicke Valenciennes, der Mitarbeiter Cuviers an dem großen Fischwerke, das beider Namen trägt, ausgesetzt war wegen eines sehr kostspieligen Versuches, den Zander in Frankreich einzubürgern. An Humboldts Tisch in Berlin hatte Valenciennes, ein anerkannter Feinschmecker, den Zander schätzen und lieben gelernt. Es gelang ihm, die Kosten einer Zanderexpedition von der Regierung und der Akademie zu ergattern. Zuchtfähige Exemplare wurden unter besonderen Vorsichtsmaßregel nach Paris befördert. Die meisten Fische starben unterwegs, bei späterer Untersuchung der wenigen Ueberlebenden fand es sich, daß sie alle Männchen waren. Man kannte freilich, bis noch vor wenigen Jahren, die Eigenthümlichkeiten des Lebens des Zanders so wenig, daß noch vor etwa zehn Jahren mein Freund Benecke in Königsberg seufzen konnte: „Ja! Wenn wir wüßten, wie und wo der Zander laicht!“ Heute weiß man dies nicht nur, man weiß auch, daß das Zanderweibchen seine Brut mit grimmem Muthe bewacht, selbst auf Menschen losfährt, welche sich der Brutstätte nähern (eines biß einen Fischwärter in Hüningen tief in die Hand), und heute liest man in allen Fischereizeitungen Angebote von Zandereiern und Zanderbrut und die Anstalt von Hüningen hat durch thatkräftige Bemühungen die Ansiedlung des Fisches in anderen Gebieten, wie am Bodensee und im Donaugebiete, soweit ermöglicht, daß jetzt schon der Zander auf den Fischmärkten dieser Gegenden mit den eingeborenen Fischen zusammen erscheint!

In dieser Beziehung machten sich zwei Richtungen geltend, einerseits diese Ueberführung von werthvollen Fischarten aus europäischen Gewässern in Gebiete Europas, worin dieselben nicht heimisch waren, anderseits die Ansiedlung von außereuropäischen, namentlich nordamerikanischen Fischen in Europa.

Die Einführung und Züchtung nordamerikanischer Fische und ihre Kreuzung mit einheimischen Arten ist jetzt nicht nur ein Gegenstand industrieller Ausnutzung, sondern auch eine Art Sport geworden und wird von einigen hervorragenden Fischzüchtern fast ausschließlich gepflegt. Es sind hauptsächlich Forellen, Saiblinge, Renken und Barsche, welche man einzubürgern versuchte.

Alle diese nordamerikanischen Fische haben für den industriellen Züchter in geschlossenen Gebieten den Vortheil, daß sie bei genügender Nahrung schneller wachsen und eher eine marktfähige Größe erreichen als ihre einheimischen Verwandten. Von manchen großen Fischzuchtanstalten aus haben sie schon einige Märkte erobert und werden gewiß noch manche weitere Eroberungen machen. Aber sie kommen mir unter den europäischen Fischen vor wie etwa die Neger unter der weißen Rasse. In den Schulen machen die Negerkinder meist weit schnellere Fortschritte als die weißen Kinder – dann aber tritt ein stets langsamer werdendes Tempo auf, während der Weiße sich anhaltend weiter entwickelt. Sodann sind diese Nordamerikaner bis jetzt Zuchtfische geblieben, Stallvieh, Hausthiere; sie haben in den freien Gewässern Europas keinen festen Fuß gefaßt, und wenn auch hier und da ein versprengtes oder entwischtes Exemplar im Freien gefangen wurde, so hat eine wirkliche Einbürgerung in unsere Fauna nicht stattgefunden. Mit Ausnahme eines einzigen Bastardes, des von Direktor Haack in Hüningen gezüchteten elsässischen Saiblings (Salmo alsaticus), von unserem Saibling und dem nordamerikanischen Quellensaibling (Salmo fontinalis) scheinen auch alle übrigen durch Kreuzung erzeugten Bastarde sich bis jetzt noch nicht im Freien fortgepflanzt zu haben.

Dies ist um so auffallender, als europäische Fische, welche man in Gebiete verpflanzt hat, wo sie früher nicht vorhanden waren, sich dort vollständig und zwar in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit eingebürgert haben. Man hat in der That diese Verpflanzung erst weit später ausgeführt als die Uebersiedelung der Nordamerikaner. Ich habe hier besonders Renken aus der Schweiz, den Zander und den Aal im Auge. Renken kamen früher in den norditalienischen Seen nicht vor. Jetzt fischt man Renken im Lago maggiore, die von den Fischern als „pesci Pavesi“ bezeichnet werden, nach dem Namen eines meiner Freunde, des Professors Pavesi. Die Ansiedelung und Verbreitung des Zanders und des Aales ist jetzt eine wesentliche Aufgabe der Anstalt von Hüningen geworden. Mit welchem Erfolge die Zucht des ersteren betrieben wurde, haben wir schon erwähnt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 827. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_827.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2023)