Seite:Die Gartenlaube (1893) 704.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Rhodonit, Labrador und Bergkrystall geliefert, sondern es auch verstanden, kunstvolle Steinmosaiken zu verfertigen, die wie fein abgetönte Gemälde wirken. Die russische Reichsdruckerei macht in Ausführung der schwierigsten und verwickeltsten Arbeiten derjenigen der Vereinigten Staaten den Rang streitig. Vielfach sind freilich diese Fortschritte von germanischem Geist getragen, nehmen doch vorzugsweife Deutsche die verantwortungsvollen Stellungen an jenen russischen Staatsanstalten ein.

Nicht so glücklich wie die russische Abtheilung sind diejenigen der skandinavischen Völker. Schweden und Norwegen marschieren, obwohl diese Länder politisch in engstem Zusammenhang stehen, scharf getrennt voneinander, auch sind ihre Ausstellungen nicht besonders übersichtlich gruppiert. Schwedens Eisenindustrie, Norwegens Großfischerei, die kräftig entwickelte, allenthalben noch altnordische Motive bewahrende Holzschnitzerei, der Bergbau u. s. w. finden eingehende Berücksichtigung, daneben sind die ethnographischen Eigenthümlichkeiten der Skandinavier durch zahlreiche zu Gruppen vereinigte Kostümfiguren veranschaulicht. In getreuer Weise spiegelt die dänische Abtheilung den Charakter Jütlands und des daneben liegenden Archipels wieder, ferner werden wir gleich am Eingang durch zwei Statuen daran erinnert, daß Dänemark der Welt zwei Männer gab, deren Namen jedem Gebildeten lieb und theuer sind: Thorwaldsen, den Bildhauer, und Andersen, den Märchenerzähler. Die Dänen stellen überdies das berühmte „Flateyjarbok“ aus, eine uralte isländische Pergamenthandschrift, welche als die wichtigste aller Quellen über die kühnen Fahrten der Normannen nach Grönland, Markland und Vinland gilt. Eines der Boote, auf denen jene verwegenen Abenteurer alle europäischen Meere durchstreiften und ums Jahr 1000 sogar das Festland von Nordamerika erreichten, wurde, wie die Leser aus Nr. 24 sich erinnern, von von Norwegen in getreuer Nachbildung angefertigt und von dem Kapitän Magnus Andersen über den Ocean und durch den Eriekanal, den Erie-, Huron- und Michigansee glücklich bis an seinen jetzigen Ankerplatz geführt.

In ausgedehntem Maß haben sich auch die Türken und Südeuropäer an der Weltausstellung betheiligt. Erstere sandten eine kostbare Sammlung älterer Teppiche und Stickereien, die Griechen werthvolle archäologische Sammlungen, während Italiens Stärke in Kunstmöbeln mit eingelegter Arbeit, in Bildschnitzereien, Broncen und ganz vornehmlich in Marmorstatuetten ruht. Weitere Hauptfächer der Italiener sind herrliche Majolikamalereien, duftige, schön gezeichnete Spitzen, von denen besonders die venetianischen durch ihre Feinheit alle Damenherzen überraschen. Unschätzbar an Werth ist besonders die von der Königin von Italien hergeliehene Sammlung alter Spitzen, von denen manche über ein Jahrtausend alt sein sollen.

Spanien und Portugal bieten gleichfalls des Bewundernswerthen die Menge. Unter den kunstgewerblichen Leistungen des erstgenannten Landes fallen ganz besonders zwei große Prachtvasen auf, deren goldinkrustierte Zierate sich entzückend schön von dem mattschwarzen Stahluntergrund abheben. Die eine Vase, im altklassischen Stil gehalten, kostet die Kleinigkeit von 100 000, die andere im Renaissancestil hingegen das runde Sümmchen von 180 000 Mark.

Aehnliche Prunkvasen, deren überreiche Ornamentik mit dem Stichel in Gelb- und Rothkupfer graviert ist, gehören zu den kostbarsten Erzeugnissen Vorderindiens, das außerdem die verschiedensten Theesorten, farbenprächtige Teppiche und Seidenzeuge, Elfenbeinschnitzereien, mit Perlmutter und Elfenbein eingelegte Holzarbeiten, Modelle bizarrer Tempel und Moscheen, wohlriechende Gewürze, kurz alle jene Schätze ausgebreitet hat, welche schon vor Jahrhunderten Abenteurer und Entdecker zu jenem Wunderland am Ganges und zu dem paradiesischen Eiland Ceylon zogen.

Der kalifornische Apfelsinenthurm.

Unter den auf der Kolumbischen Weltausstellung vertr[e]tenen asiatischen Völkerschaften nehmen die Japaner unbedingt den ersten Rang ein; nach der deutschen Abtheilung hat keine so sehr überrascht wie die japanische. Wußten die Bewohner jenes fernen Inselreiches sich schon auf früheren Weltausstellungen große Anerkennung zu verschaffen, so verblüffen sie hier durch wahre Glanzleistungen ihrer eigenartigen Kunst und Industrie. Zum Theil sind diese Leistungen geradezu unerreichbar, so z. B. einige herrliche Vasen in jener Art von Emailmalerei, die man Zellenschmelz oder Cloisonné nennt; ihr Werth beziffert sich nach Tausenden von Dollar. Ferner sind da Gobelinwebereien, welche selbst die feinsten französischen Arbeiten dieser Art noch hinter sich lassen. Unter ihnen fällt besonders ein Teppich auf, dessen 4 Meter langes und 2½ Meter breites Mittelstück einen aus Hunderten von Personen bestehenden Festzug zeigt. Auch die köstlichen Arbeiten in Bronze und Eisen bekunden, daß es für dies Volk fast nichts Unmögliches mehr giebt. Der Künstler Itao Schujiro schuf aus Schmiedeeisen einen lebensgroßen Adler, dessen Flügel aus 3000 einzelnen Federn zusammengesetzt sind, von denen eine jede wieder mit Tausenden von feinen Linien graviert ist, damit größtmögliche Naturwahrheit erzielt werde. Fünf volle Jahre widmete der Künstler diesem Meisterwerk.

Ein anderes, nicht minder bewundernswerthes Stück stellt eine Hühnerfamilie dar. Die Henne lagert mit ihren Küchlein zwischen dem Wurzelwerk eines knorrigen Baumstumpfs, auf dessen letztem nur noch wenige Blätter tragenden Ast der Hahn sich niedergelassen hat. Jedes Federchen, jedes Blättchen, ja selbst die Flechten und das Moos am Baumstumpf sind mit solcher Naturtreue ausgeführt, daß man im Zweifel darüber ist, was bewundernswerther sei, die Beobachtungsgabe des Künstlers oder seine fabelhafte Geschicklichkeit und unermeßliche Geduld.

Daß die Japaner große Naturfreunde und feine Beobachter sind, zeigt sich auch in ihren zahlreichen auf Rohseide, Papier oder Holz ausgeführten Malereien, unter denen Thierstücke und Landschaften den ersten Rang einnehmen. Kämpfende Falken, hinter ihrer Beute herrauschende Adler, stromaufwärts ziehende Fische, Winterlandschaften mit reifbedeckten und vom Nebel umwallten Föhren, malerisch gelegene Herbergen und Theehäuser auf dem Lande – das sind so die Stoffe, in denen die japanischen Maler großartig sind.

Aber auch die Arbeiten der Holzschnitzer erregen großes Aufsehen, so besonders die Bildsäule des unglücklichen Staatsmannes Kamon No Kami Naosuke, der seine erfolgreichen Bemühungen, das Reich des Sonnenaufgangs abendländischer Kultur zu öffnen, mit dem Leben bezahlen mußte. Wenngleich diese japanischen Arbeiten sich von europäischen Kunstwerken himmelweit unterscheiden, so zeugen sie doch allenthalben von dem frischen Geist, der heute in Japan lebendig ist.

Daß dieser Geist noch nicht in das benachbarte China eingezogen ist, lehrt ein Blick auf die Erzeugnisse dieses Reiches. Allenthalben ein Verharren in uralten überkommenen Formen, die, weil jede Befruchtung von außen fehlte, durchweg ins Groteske, Bizarre ausarteten und nur selten das Auge zu erquicken vermögen. Noch schärfer treten die Folgen der thörichten Sucht, sich gegen fremde Einflüsse abzuschließen, in der Ausstellung des Reiches Korea vor Augen. Nur darum vermögen die Ausstellungsgegenstände desselben besondere Aufmerksamkeit zu erregen, weil es das erste Mal ist, daß Korea sich an einer Weltausstellung betheiligt. Nicht nur hatte Korea bisher alle Annäherungsversuche der Europäer und Amerikaner zurückgewiesen, sondern sich sogar gegen seine unmittelbaren Nachbarn China und Japan so erfolgreich

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 704. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_704.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2018)