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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

zu welchem die Fürstin selber eingeladen hat. Das gute Fräulein von Motz ist die erste unter den Jungfern welche den Bräutigam führen, und nie in ihrem Leben vorher und nie nachher ist sie so prächtig herausstaffiert gewesen wie an diesem Tage. Und ihre selbstlose Wonne ist so groß und steht ihr so gut, daß sogar das scharfe Zünglein der Frau von Bieberen kein schlimmeres Wort findet als das Bedauern, daß man die Cordula Motz nicht heute und hier auch gleich unter die Haube bringen könne, denn so hübsch werde sie schwerlich je wieder aussehen. Drommeten, Pauken und Zinken ertönen von der mit Purpursammet verhangenen Estrade des Saales herab; die Tafel glänzt und biegt sich fast unter der Last der Speisen und kostbaren Gerathe. Die Pfalzgräfin, mit dem Fürstenkrönlein von Edelgestein im hochgethürmten Lockenbau, sieht kaum minder prächtig aus denn eine römische Kaiserin und lst so wenig beweglich fast wie der Pfau, dessen Regenbogenrad und Gefieder gerade vor ihr die Pastete in der silbernen Schüssel ziert, letztere das Hauptstück der Schau- und Festgeräthe. Der Wein funkelt in kostbaren Kelchen, der Dunst der Hunderte von Kerzen durchzieht wallend das Gemach wie ein zartgrauer Schleier, in welchem all der Glanz wie in einem Wonnetraum verdämmernd schwimmt. Und der fürstlichen Frau gegenüber das Paar schöner edelgearteter Menschengesichter – sie neigen sich zueinander, unbemeckt in dem festlichen Tosen. Auf den zarten Wangen des Mädchens liegt bräutliche Gluth, gemildert zum Rosenschimmer; des Mannes stolzer Blick ist geschmolzen in Liebe und Sehnsucht.

„Seid Ihr jetzt froh, Süße?“ fragt er sie leise – zum wievielten Male! – in müßigem Spiele mit seinem Glück. „Und ist es Euch wirklich recht, daß Ihr mein, ganz mein werdet?“

Da sieht sie ihn an wie die Wahrheit selber und sagt in einfacher Weise: „Ich habe viel gelitten, Ihr wißt es – Angst und Kummer um Lutz, und im Kloster Schlimmeres, als ich dachte, daß man erfahren könnte. Aber all dies Leid soll mir lieb sein, da es Euch und mich zusammengebracht hat.“

Der Falkenblick des Herrn Viktor umflort sich sekundenlang, als er diese Worte hört, und in seinem Herzen thut er einen Schwur, dies Weib zu hegen, werther als seinen Augapfel, so lange Athem in ihm ist. Und er hat den Schwur gehalten.



Blätter und Blüthen.



Zum Kapitel der Volksvergnügungen. Viele Dinge beleuchten sich am besten durch ihren Gegensatz. So wird manchem Deutschen, der bisher an dem massenhaften Sonntagstrunk seiner Landsleute keinen Anstoß nahm allerhand einfallen, wenn er in Italien reist und mit aufmerksamem Auge das Sonntagsvergnügen dort betrachtet. Tausende von Spaziergängern, festlich angethan, füllen die öffentlichen Anlagen, sitzen beschaulich am See- und Flußgestade oder plaudern, zu Gruppen vereinigt. Kaffeehäuser und Weinschenken sind nur mäßig gefüllt, der größte Theil des Volkes sucht seine Erholung einfach im Spaziergang, oder auch, besonders in kleinen Städtchen, in einem öffentlichen Spiel auf dem Marktplatz, zu welchem die ganze Bevölkerung herbeiströmt. Da treten z. B. zwei junge hübsche Leute, phantastisch herausgeputzt mit bunten Kappen und Bändern, als Wettkämpfer mit dem Schlagball auf. Jeder sucht den anderen zu überbieten, die Bälle wirbeln hoch über die Dächer hinaus, und der Fangende muß weite Sätze machen; jeder glückliche oder mißlungene Schlag wird mit lauten Zurufen der Zuschauermenge begleitet. Dann tritt ein neues Paar an oder man vertauscht das Spiel mit einem anderen bis der Nachmittag fröhlich herumgebracht ist.

Die größeren Städte aber bieten dem Volke ein auch bei uns vorhandenes, jedoch nicht entsprechend benutztes Erholungs- und Bildungsmittel von höchstem Werth: die öffentlichen Kunstsammlungen. Man muß es gesehen haben, mit welchem Anstand und welcher Andacht hier Sonntags von elf bis ein Uhr dichte Gruppen von Arbeitern mit Frauen und Kindern, von Matrosen und gemeinen Soldaten die Säle durchwandern und lange vor den einzelnen Bildern in Betrachtung stehen. Gilt es, geschichtlich bedeutsame Räume, wie z. B. den Dogenpalast in Venedig, zu bewundern, so ersteht alsbald in jedem Saal ein Erklärer, der sein Wissen mit lebhaftem Gebärdenspiel einer sich immer vergrößernden, aufmerksam lauschenden Zuhörerschaft vorträgt. Wahrlich, dieses einfache Sonntagspublikum unterscheidet sich sehr zu seinem Vortheil von der an bezahlten Tagen die Räume füllenden großen gleichgültigen Menge der Bädeker- und Murrayreisenden!

Vielleicht ist es eben der nur an Sonntagen freie Eintritt, der so anziehend wirkt. Man schätzt nicht so, was man jederzeit umsonst haben kann. Da nun gewiß nicht zu wünschen ist, daß Deutschland von dem schönen Grundsatz des unbedingt freien Eintritts in seine Museen abgehe, so handelt es sich nur um das Erwecken der Kunstfreude in weiteren Volkskreisen. Wie leicht könnten die Vorstände von Knaben- und Lehrlingshorten ihre junge Schar am Sonntagvormittag in die Galerien geleiten und in den empfänglichen Herzen der Heranwachsenden jenes Bedürfniß nach edlerer Erholung erwecken, das dann, durch eigenes Zeichnen und durch Betrachten von illustrierten Werken verstärkt, am besten den grobmateriellen Genüssen entgegenarbeitet. Wir würden uns sehr freuen, bald einmal von derartigen Anfängen zu hören! –u.     

Das Kaiser Wilhelm-Denkmal für Heilbronn. (Zu dem Bilde S. 577.) Das Denkmal, das wir unsern Lesern vor Augen führen und das am Sedantage dieses Jahres in der württembergischen Stadt Heilbronn enthüllt werden soll, ist eines der vielen, zu denen der patriotische Schmerz über den Hingang Kaiser Wilhelms I. Anlaß gegeben hat und in denen die unverlöschliche Dankbarkeit des deutschen Volkes gegen den ersten ruhmreichen Träger der neugeschaffenen deutschen Kaiserkrone einen Ausdruck sucht. Eine besondere Eigenart hebt gerade dieses Denkmal aus der Menge der übrigen heraus. Während nämlich sonst fast ausschließlich die Figur oder die Büste des Kaisers zum Mittelpunkt und beherrschenden Haupttheil gewählt wurde, ließen sich die Schöpfer des Heilbronner Denkmals von dem Gedanken leiten, neben der Person des Kaisers sein vornehmstes Werk, nämlich die Gründung des Reiches und die Vereinigung der nord- und süddeutschen Stämme nach glorreichen Siegen, zur Darstellung zu bringen. Diesem Gedanken entsprechend entstand als Hauptgruppe die Figur der Germania, über deren Schoß sich die durch Kindergestalten versinnbildlichten deutschen Stämme, Nord und Süd, die Hand reichen.

Unmittelbar hinter dieser Gruppe erhebt sich ein obeliskartiger Aufbau, der an hervorragender Stelle auf einem reich mit Lorbeer und Eichenlaub umkränzten Schild das Kaiserbildniß in Hochrelief trägt und von einer die Kaiserkrone haltenden Siegesgöttin gekrönt ist. Die Wappen am Sockel dieser Siegesgöttin tragen die Zeichen der vier deutschen Königreiche, die Nebenseiten des Denkmals schmücken Bronzeplatten mit den für die Gründung des Reiches wichtigsten Daten. Die Rückseite enthält die Widmung an Kaiser Wilhelm I. Auf dem Sockel der Germania stehen die Worte:

„Nord und Süd steh’n Hand in Hand,
Heil dir, einig Vaterland!“

Das Denkmal ist entworfen von den Stuttgarter Architekten Eisenlohr und Weigle und dem Münchener Bildhauer Professor Rümann, welchen der Schriftsteller Ludwig Pfau mit künstlerischem Rath zur Seite stand. Es wird in Zukunft eine der hervorragendsten Zierden der schönen Neckarstadt bilden und in seinem Theile dazu beitragen, das Andenken an den ehrwürdigen Kaiser Wilhelm I. und die Begeisterung für das große Einigungswerk lebendig zu erhalten.

Universal-Lexikon der Kochkunst. Ein Kochbuch von wissenschaftlicher Anordnung, also eine systematische Zusammenfassung aller Sorten von Gerichten, die sich aus den einzelnen Arten von Fleisch, Gemüse, Früchten etc. bereiten lassen, ist sicherlich geeignet, der Kochkunst zu dem Range zu verhelfen, den ihr die denkenden Feinschmecker aller Zeiten zugewiesen sehen möchten. Verbürgt ja doch die genaue Kenntniß des „Warum?“ allein die tadellose Küchenleistung, und diese ist in jeder, auch der bescheidensten Haushaltung herzustellen. Freilich nur durch Sachkenntniß, genaue Ausführung und besonnene Sparsamkeit, die bekanntlich von gewandten Köchinnen viel besser geübt wird als von den „bürgerlich kochenden“ Dienstmädchen. Alle guten neueren Kochbücher suchen in dieser Richtung zu wirken, wir wüßten aber keines, das dem obengenannten bereits in 4. Auflage erschienenen Werke (Leipzig, J. J. Weber) an Fülle, Uebersichtlichkeit und gründlicher Belehrung an die Seite gesetzt werden könnte. Es stellt eine Privatkochschule vor, auf welcher sich die bisher einfach Kochende zur feinen Köchin selbst ausbilden kann. Wichtige, allgemeine Regeln dienen als Einleitung, hierauf folgt in mehr als 10000 völlig zuverlässigen Rezepten nicht nur das Ganze unserer heimischen Küche, sondern auch ein guter Theil der ausländischen. Türkische Dolmas und englische Pies, ungarische Hammelgerichte, indische Curry, amerikanische Crakers und russischer Chworost wechseln mit vielen anderen in bunter Reihe ab. Dazwischen stehen allerhand hübsche Mittheilungen über berühmte Feinschmecker und Köche, geschichtlich bekannte Speisen u. dergl. Auch ein ausführlicher Küchenzettel für alle Tage des Jahres überhebt die Hausfrau der gefürchteten Frage: „Was soll ich morgen kochen?“ Alles in allem genommen, dürften die zwei stattlichen Bände nicht nur ein werthvoller Hausschatz und oft gesuchter Rathgeber für die angehende Hausfrau werden, sondern auch eine ergiebige Fundgrube für die ältere und erfahrene. Selbst Goethes bekannter Ausspruch über die Tochter des Hauses:

„Wünscht sie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch –“

welcher angesichts der damaligen Küchenlitteratur auch bescheidene Seelen empört haben wird, er verliert diesem „Universal-Lexikon“ gegenüber entschieden von seinem Stachel.

Mögen recht viele unserer Töchter sich seinem Studium widmen – einen großen Gewinn davon können wir ihnen sicher versprechen! Bn.     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_579.jpg&oldid=- (Version vom 30.1.2021)