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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Der strahlende Ausdruck verschwand aus Wildenrods Zügen und machte für einen Augenblick einem leisen höhnischen Lächeln Platz; dann warf er mit anscheinender Gleichgültigkeit hin: „Herr Runeck wird jetzt von anderer Seite sehr in Anspruch genommen sein. Es rührt sich ja in seiner Partei an allen Ecken und Enden!“

„Jawohl,“ entgegnete Dernburg ruhig, ohne den Ausfall bemerken zu wollen. „Die Herren Sozialisten fühlen sich, der Kamm schwillt ihnen gewaltig. Sie scheinen sogar einen eigenen Kandidaten für unseren Wahlkreis aufstellen zu wollen – zum ersten Male!“

„So heißt es allerdings. Wissen Sie, wen man dafür in Aussicht genommen hat?“

„Noch nicht, aber ich vermuthe, es wird Landsfeld sein, der bei jeder Gelegenheit den Führer spielt. Er ist freilich nur Agitator, seine Sache ist bloß das Wühlen und Hetzen, für den Reichstag taugt er nicht, und die Partei pflegt ihre Leute sehr genau zu kennen. Aber es handelt sich ja überhaupt nur um eine Kraftprobe. Die Sozialisten denken nicht ernstlich daran, mir das Mandat streitig zu machen.“

„Glauben Sie?“ Das Auge des Freiherrn ruhte mit einem eigenthümlichen Ausdruck auf dem Gesichte des Sprechenden „Nun – vielleicht weiß Herr Runeck näher Bescheid darüber.“

Dernburg zuckte ungeduldig die Achseln. „Egbert wird sich allerdings jetzt entscheiden müssen, das weiß er so gut wie ich. Stimmt er mit seiner Partei, das heißt in diesem Falle gegen mich, so sind wir fertig miteinander.“

„Er hat bereits entschieden,“ sagte Wildenrod kalt. „Sie kennen den Namen des gegnerischen Kandidaten noch nicht – ich kenne ihn. Er geht Sie und Odensberg ziemlich nahe an – er heißt Egbert Runeck.“

Dernburg zuckte zusammen wie von einem Schlag getroffen; einige Sekunden lang starrte er den Freiherrn an, als glaubte er, dieser sei nicht recht bei Sinnen. Dann erklärte er kurz und bündig: „Das ist nicht wahr!“

„Bitte, meine Quelle ist die sicherste.“

„Es ist nicht wahr, sage ich Ihnen, Sie sind falsch berichtet, müssen es sein.“

„Schwerlich, aber das wird sich ja bald zeigen, da Sie Runeck erwarten.“

Dernburg sprang auf und begann in heftiger Erregung im Zimmer auf und nieder zu gehen, aber er mochte die Sache ansehen, wie er wollte, sie erschien ihm so unglaublich wie im ersten Augenblick. „Thorheit! Zu einem solchen Possenspiel giebt sich der Egbert nicht her. Er weiß es, daß er mir gegenübertreten, mich bekämpfen muß!“

„Glauben Sie etwa, daß ihn das hindern wird?“ fragte Oskar spöttisch. „Herr Runeck steht jedenfalls hoch über den veralteten Vorurtheilen von Dankbarkeit und Anhänglichkeit, und wer weiß, ob seine Wahl wirklich so aussichtslos ist. Seit Monaten ist er da draußen in Radefeld, jeder Aufsicht entzogen, und hat ein paar hundert Arbeiter zur Verfügung. Die wird er sich ohne Zweifel gesichert haben, und jeder einzelne wirbt ihm zehn, zwanzig Stimmen bei den Kameraden hier in Odensberg. Er wird die Zeit gut benutzt haben.“

Dernburg gab keine Antwort, aber sein Schritt wurde immer heftiger, seine Miene immer drohender, während Wildenrod fortfuhr: „Und diesen Menschen haben Sie mit Wohlthaten überschüttet! – Er dankt Ihnen seine Erziehung, seine Ausbildung, alles, was er ist. Sie gaben ihm eine Stellung, – um die ihn sämtliche Beamten beneiden, und er benutzt das, um heimlich gegen Sie zu wühlen und Sie hier in Odensberg mit den Stimmen Ihrer eigenen Leute zu schlagen.“

„Halten Sie das etwa für möglich?“ fragte Dernburg mit Schärfe. „Ich denke, wir brauchen uns darum keine Sorge zu machen.“

„Hoffentlich nicht, allein es wird wenigstens versucht werden, und schon das ist genug. Bis zu diesem Augenblick hat Runeck wohlweislich geschwiegen, obwohl ihm seit Monaten bekannt sein mußte, um was es sich handelte. Oeffnet Ihnen das endlich die Augen über Ihren Günstling ober glauben Sie meiner Nachricht noch immer nicht?“

„Nein! Uebrigens wird mir Egbert Rede stehen.“

„Weil er muß! Das wird eine böse Stunde, auch für Sie, denn ich sehe, wie schon die bloße Möglichkeit Sie erregt, und doch –“

„Gehen Sie, Oskar!“ unterbrach ihn Dernburg finster. „Egbert kann jede Minute kommen, und wie die Unterredung auch ausfallen mag, ich will ihn allein sprechen.“

Er reichte dem Freiherrn die Hand, und dieser ging; ein stolzer leidenschaftlicher Triumph blitzte aus seinen Augen, als er durch die anstoßenden Zimmer schritt. Endlich hatte er den Fuß auf den Boden gesetzt, wo er künftig Herr sein wollte, alleiniger Herr, wenn der jetzige Gebieter von Odensberg die Augen schloß. Erich räumte ihm freiwillig das Feld, wenn er mit seiner Gattin in die Ferne zog und sich dort der Heimath ganz entfremdete. Jetzt konnten sie zur Wahrheit werden, die stolzen Träume von Macht und Reichthum, und daneben erblühte ein holdes nie gekanntes Glück! Noch eine kleine Weile, dann war das heiß ersehnte Ziel erreicht und die Vergangenheit ausgelöscht und begraben!

Wildenrod betrat eben das Vorzimmer, als die Thür desselben sich öffnete und Egbert Runeck ihm gegenüberstand. Er that unwillkürlich einen Schritt zurück, auch Runeck stutzte und blieb stehen. Er sah es, daß der Freiherr an ihm vorüber wollte, aber er verharrte auf der Schwelle, als wollte er den Ausgang wehren. Einige Sekunden lang maßen sie sich so Auge in Auge, dann fragte Oskar scharf: „Haben Sie mir etwas zu sagen, Herr Runeck?“

„Für jetzt – nein,“ versetzte Egbert kalt. „Vielleicht später.“

„Es ist nur die Frage, ob ich dann Zeit und Neigung haben werde, Sie anzuhören.“

„Ich glaube, Sie werden Zeit haben, Herr von Wildenrod.“

Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich, der eine sprühend in wildem tödlichen Haß, der andere voll finsterer Drohung; dann sagte Oskar hochmüthig: „Einstweilen ersuche ich Sie, den Weg freizugeben, Sie sehen, daß ich hinaus will.“

Runeck wich langsam zurück und gab die Thür frei. Wildenrod schritt an ihm vorüber, und wieder spielte jenes höhnische triumphierende Lächeln um seine Lippen. Nun fürchtete er die Gefahr nicht mehr, die bisher dunkel wie eine Wetterwolke über seinem Haupte gehangen hatte. Wenn sein Gegner jetzt auch sprach, so fand er kein Gehör mehr. Die „böse Stunde“, die sich da drinnen vorbereitete, mußte den Feind für immer vernichten!

(Fortsetzung folgt.)




Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.
Die Herstellung echter Edelsteine.
Von C. Falkenhorst.

Die Kunst, Edelsteine nachzuahmen, ist uralt; in alten keltischen Gräbern fand man Rubinglas, welches zum Schmuck und Talisman anstatt echter Edelsteine benutzt wurde. Heute nach vielen vielen Jahrhunderten blüht die Kunst des Nachmachens und des Fälschens der Edelsteine in noch höherem Maße; aber sie genügt nicht mehr den anspruchsvoll gewordenen Kindern der Neuzeit. Die große Künstlerin Natur, die in ihrem Schoße die funkelnden klaren und harten Edelsteine gebildet hat, geizt mit ihren Gaben; sie hat die schönen Kleinodien nur spärlich hier und dort ausgestreut. Aber der Mensch, welcher der Natur schon so viel abgelauscht hat, kam auf den Gedanken, auch auf diesem Gebiete mit der Meisterin zu wetteifern, in seinen Krügen und Schmelztiegeln echte Edelsteine herzustellen, echte Edelsteine, die von den natürlichen sich durch nichts unterscheiden, ihnen wie ein Wassertropfen dem andern gleichen.

Und unsere Steinkundigen waren in dieser Beziehung glücklicher als die Alchimisten und Goldmacher vergangener Jahrhunderte. Es ist ihnen gelungen, eine ganze Anzahl von Edelsteinen, die den natürlichen durchaus ebenbürtig sind, herzustellen und die Zeit ist vielleicht nicht mehr fern, in welcher die chemischen Mineralogen zu Gründern von Fabriken werden, aus welchen den Edelsteinsuchern eine bittere Nebenbuhlerschaft erwächst.

Aber abgesehen von diesen Aussichten, die dem Besitzer so manchen Familienschatzes unruhige Stunden bereiten könnten, sind diese Arbeiten auch von rein wissenschaftlichem Standpunkte aus so bedeutungsvoll,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_186.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)