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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Es ist leicht erklärlich, daß die oben geschilderte modern japanische Richtung der Fächermalerei nicht nur weitaus die zahlreichsten, sondern auch die merkwürdigsten Beispiele der Ausstellung umfaßt. Legt sie doch dem Maler, dem vielleicht schon die Technik der Aquarellmalerei auf Seide, Pergament oder Schwanenhaut nicht ganz bequem liegt, wenigstens nach der Seite der Erfindung nicht die geringsten Hemmnisse in den Weg. So sehen wir denn auch die seltsamsten, oft überraschenden Motive verwerthet. Namentlich sind es die Künstler, welche Jacques Rosenberg, einer der thätigsten Veranstalter der Ausstellung und selbst wohl der erste Fächersammler Deutschlands, seit mehr als Jahresfrist mit der Anfertigung von Fächerblättern beauftragt hat, die sich ein wenig sorglos über die Zweckbestimmung ihrer Kunstwerke hinweggesetzt haben; ihre Werke bilden eine wundervolle Galerie von Aquarellen unserer ersten Meister, von Schönleber, Baisch, Koppay, Keller, Meckel, Bergmann, Kanoldt, Kallmorgen, Schmutzler, Papperitz, allein man fragt sich manchmal verwundert, warum der Maler diese sonnigen Flußlandschaften, diese Marinen, diese Fiakergruppe gerade in einen fächerförmig ausgeschnittenen Rahmen gesetzt habe. Verständlicher sind uns noch diejenigen Künstler, deren Kompositionen von den mannigfaltigen

Mit Fensterchen versehener Rokokofächer in chinesischem Geschmack.

Seiten des Fächers die eine oder andere, sei es die Kühlung, den Wind, oder auch das Neckische zum Motiv gewählt haben. So erinnert F. A. Kaulbachs reizende Skizze an den Windhauch in seinen verschiedenen Wirkungen; andere Künstler, wie namentlich Dettmann, gestalten Schmetterlinge oder leichte Vogelzüge, die vom Wind getrieben werden. Erfrischend kühl wirkt P. Meyerheims auf eine Eisscholle ausgestreckter Polarbär, oder Ritters jugendliches Mädchen, das seine reizenden Glieder in den Zotten eines Eisbärfells vergräbt.

Neben diesen, einen augenblicklichen Einfall des Künstlers festhaltenden Bildern fesseln uns wieder andere, in deren Inhalt wir uns erst vertiefen müssen. Aus der Reihe derselben sei Lüthis eigenartige „Gartenscene aus der Biedermeierzeit“ und Simms reizende Komposition hervorgehoben: ein Steinbild, ein von Amor mit Rosenketten gefesselter Löwe, bildet den Gegenstand der sehr verschiedenen Kritik zweier Pärchen, eines alten, noch im Rokokokostüm, das entschieden abfällig urtheilt, und einer anmuthig jugendlichen Frauengestalt im Incroyablekostüm, die ihrem Begleiter die Nothwendigkeit dieser Fesselung klar zu machen sucht.

Wenn irgendwo die leichte Vortragsweise der Japaner und ihre liebevolle Naturbeobachtung würdig ist, als Vorbild zu dienen, so ist es bei der Blumenmalerei der Fall, die wir in erdrückender Fülle auf der Karlsruher Ausstellung vertreten finden. Sie tritt uns entgegen bei denjenigen Ausstellern, die wir als die Pioniere einer deutschen Fächerindustrie bezeichnen dürfen, bei den Firmen F. Blos in Karlsruhe und Reichardt u. Co., Sauerwald und Donath in Berlin; besonders zahlreich aber in den Arbeiten der Malerinnen, für deren Zukunft diese Ausstellung zu sorgen hoffentlich berufen ist. Man darf es mit Befriedigung aussprechen, daß eine Fülle von Geschmack, eine Summe tüchtigen, über den Dilettantismus hinausgehenden Könnens sich hier offenbart. Wünschen wir, daß die mit dem Unternehmen verknüpften Absichten sich verwirklichen und daß so manche kunstgeübte Frauenhand, die bisher nur zur eigenen Freude oder zu Hochzeitsgeschenken für Freundinnen den Pinsel führte, künftig in lohnender Berufsarbeit ihre Geschicklichkeit verwerthen könne! –

Es erübrigt noch, derjenigen Fächer kurz zu gedenken, die in das Gebiet der Bijouteriearbeit hinübergreifen und die glanzvollsten Stücke der Ausstellung bilden. Hier ist meist das Fächerblatt vornehm bescheiden aus echter Spitze gebildet, und es ist die Schale, welche den Gegenstand edelster Gold- und Juwelentechnik bildet. In erster Linie steht hier ein Fächer aus „blondem“ Schildpatt mit Goldarabesken, die ganz mit Brillanten besetzt sind, aus der Werkstätte von Hessenberg in Frankfurt. Eine zweite Firma der reichen Mainstadt, A. Schürmann u. Co., hat ähnliche Arbeiten ausgestellt, bei welchen Perlmutter und Emailplättchen zu vornehmster Wirkung herangezogen sind. Auch Elymeyer in Dresden bleibt hinter diesen nicht zurück, ebenso wie auch Paar in Karlsruhe und Heimerdinger in Wiesbaden würdig vertreten sind. Von der Dekoration des Fächers durch Stickerei und Spitzenarbeit liefern die Stickereischule des Frauenvereins Karlsruhe, Claus in Schneeberg und mehrere andere ansprechende Beispiele.

Ueber dreitausend Kunstwerke umfaßt die Ausstellung; sie im einzelnen zu betrachten, ist unmöglich und man muß sich damit begnügen, eine allgemeine Uebersicht zu geben. Aber einem Wunsche sei zum Schluß noch Ausdruck verliehen: es gilt, eine uns großenteils verlorene Gruppe von Kunsterzeugnissen zurückzuerobern und der deutschen Frau ein neues künstlerisches Gebiet für ihre Arbeit zu eröffnen. Möge die Karlsruher Ausstellung das Ihrige beitragen zur Erreichung dieses patriotischen Zieles!




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Die Kamerunerin.

Eine romantische Geschichte von H. v. Götzendorff-Grabowski.

(4. Fortsetzung.)

6.0 Vorstadt-Idyll.

In Kronfurth ging während der Abwesenheit von Claudius alles im alten Geleise. Man arbeitete, politisierte, trug Neuigkeiten zu getreuen Freunden und Nachbarn, und wenn es möglich war, so verband wenigstens die weibliche Welt die Arbeit und die Besprechung des neuesten Stadtklatsches miteinander.

Im Hause des Polizeiraths Adler saßen dessen Töchter Dora und Flora stickend am Fenster. Sie verfertigten einen Schreibtischteppich für ihren Vater und waren eben daran, eine Anzahl dickköpfiger junger Möpse auf einer grellgrünen Wiese zu entwerfen; allein das verhinderte sie nicht, den Straßenverkehr scharfäugig zu überwachen und spitzzüngig zu kritisieren, hier und da mit Vorübergehenden Grüße zu wechseln und über die einzelnen boshafte Bemerkungen auszutauschen. Sophie, welche am großen Mitteltische mit Zuschneiden beschäftigt war, betheiligte sich nicht an der Unterhaltung. Obschon seit jenem vielversprechenden, weihnachtlichen Triumphabend, auf den der Hermannsthaler nur noch seine Vielliebchengabe und dann nichts weiteres hatte folgen lassen, ihr Siegesglanz ein bißchen verblichen war – so gelang es den Schwestern dennoch nicht, sie wieder zur Bedeutungslosigkeit herabzudrücken. Sophie hatte Selbstbewußtsein genug gewonnen, um allenthalben zu zeigen, daß sie Individualität und eigene Ansichten besaß. Sie führte bei den häuslichen Schwesterkriegen hinfüro eine anerkannt gute Klinge, welche in jüngster Zeit mehrfach im Dienste der Wahrheit gegen die Verleumdung, im Dienste des Doktor Claudius gegen Kronfurth geschwungen worden war. Eine geheimnißvolle Geschichte von einer Farbigen, einer Kamerunerin, die der Doktor heirathen wolle, war durch den schönen Amadeus, der gehorcht und die Photographie der Schwarzen auf dem Schreibtisch seines Herrn gesehen haben mochte, erst in die Küche von Hermannsthal gelangt und von da natürlich nach Kronfurth. Man sagte sich, daß doch „etwas dran sein“ müsse, und wer noch ein paar Haare dazu übrig hatte, dem sträubten sie sich in ehrbarer Entrüstung. Diese vielbesprochene Geschichte war soeben wieder seitens der beiden Stickerinnen verhandelt worden, als plötzlich Dora den Gegenstand ihrer augenblicklichen Fürsorge, einen halbvollendeten Hundeschwanz,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 575. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_575.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2023)