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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

manchmal aber auch in sehr ernsten, Leib und Leben gefährdenden Streichen bestanden. So liebte es Poppele ganz besonders, in ähnlicher Weise wie Rübezahl den Glasmännern und Eierhändlern einen Possen zu spielen. Wenn er solche in seinem Spukrevier daherkommen sah, so legte er sich an einem schattigen, zur Ruhe einladenden Plätzchen in Gestalt eines Baumstammes oder Felsblockes an den Rand der Straße. Wollte dann der Händler ein wenig auf dem Stamm oder Block ausruhen oder den Tragkorb mit seiner zerbrechlichen Waare daran anlehnen, so verschwand der vermeintliche Ruhesitz plötzlich, der Korb stürzte um, Glas oder Eier zerbrachen und aus dem Erdreich drang ein schallendes Gelächter ans Ohr des Gefoppten.

Ebenso neckte er gern die Bauern, wenn sie zur Winterszeit in ihren Scheunen draschen. Sobald sie nämlich für kurze Zeit ihre Arbeit unterbrachen, um ihr Vesperbrot zu essen, warf ihnen der tückische Kobold sämmtliche Garben durcheinander oder er verdarb ihnen die Dreschflegel, daß sie beim ersten Schlag zerbrachen. Nur dadurch, daß einer der Knechte vor dem Verlassen der Scheune mit lauter Stimme rief: „Nit z’lützel und nit z’viel!“[1] konnte man sich gegen Poppeles Tücke schützen.

Auch wenn die Bauern aufs Feld fahren wollten, übte der Kobold seine Bosheit aus, denn alsbald war er in einem unbewachten Augenblicke bereit, Pferde und Ochsen verkehrt einzuspannen oder den schon angespannten die Zügel und Stränge zu verwirren, daß es geraumer Zeit bedurfte, bis alles wieder in gehöriger Ordnung war. Auch hiergegen gab es nur ein schützendes Mittel. Die Knechte mußten nämlich vor dem Ausfahren laut in den Stall und den Hof rufen: „Wir wollen selbst anspannen!“ Dann mußte der Kobold seine Neckerei unterlassen.

Eine weitere Liebhaberei des Poppele war es, die Räder vorüberfahrender Wagen und Kutschen zu sperren, und zwar so lange, bis er durch Fluchen verjagt wurde. Dies soll sogar einmal der Aebtissin von Ummenhausen auf einer Fahrt nach Radolfzell begegnet sein. Die fromme Frau wurde äußerst lange am Fuße des Berges vom Poppele aufgehalten, weil sie ihrem Kutscher durchaus nicht gestatten wollte, zu fluchen. Endlich aber mußte sie, um nur vom Fleck zu kommen, die Erlaubniß hierzu ertheilen, worauf die Räder sofort frei wurden und Poppele unter Hohngelächter verschwand.

Dem Thorwächter von Radolfzell spielte der Kobold wiederholt üble Possen. Um die Mitternachtsstunde nämlich, wenn der biedere Wächter längst den Schlaf des Gerechten schlief, kam er zum Thore, ahmte den Ton eines Posthorns nach und lockte den Mann dadurch aus den Federn zum Oeffnen. Kaum aber war dies geschehen, so machte sich Poppele hellauflachend davon.

Weniger harmlos jedoch waren Späße wie die nachfolgenden, welche Poppele mit Vorliebe an alten, schwachen oder betrunkenen Personen verübte.

Wenn alte Weiblein, Gebetbuch und Rosenkranz in den zitternden Händen, zur Abendkirche von Schlatt nach Mühlhausen gingen, so stellte sich Poppele ins Buschwerk am Wiesenbach und wartete, bis sie den schmalen Steg betraten. Sobald dies geschah, – puff! versetzte er ihnen hinterrücks einen Stoß, daß sie in den – besonders nach Gewittern stark angeschwollenen – reißenden Bach stürzten und meist nur mit größter Anstrengung sich retten konnten.

Sah er einen Krüppel oder Lahmen an Krücken die Straße einherkommen, so legte er sich flugs in den Hinterhalt und riß ihm unversehens die Krücken weg, daß der Arme zu Boden fiel und hilflos auf der Straße liegen blieb. Poppele selbst machte sich dann, nachdem er zum Ueberfluß noch die Krücken zerbrochen hatte, mit gellendem Lachen davon.

Am übelsten spielte er betrunkenen Personen mit. Kam eine solche zu abendlicher Stunde des Weges daher, so nahm er schnell die Gestalt eines Freundes oder Verwandten des Bezechten an, gesellte sich zu ihm und führte ihn nun in der Irre umher, an entlegene Orte und hochgelegene Felskuppen, wo er ihn verließ. Dem armen Weinseligen, der meist nicht wußte, wo er sich befand, blieb nun nichts anderes übrig, als sich auf das harte Gestein zu legen und frühmorgens den Heimweg zu suchen. Manchmal auch begegnete der heimtückische Gesell auf dem Wege einem Betrunkenen in Gestalt von dessen Weibe, fing alsbald Zank und Streit mit ihm an, prügelte ihn lederweich und eilte dann hinweg. Kam dann der Trunkenbold wuthschnaubend heim, so war es natürlich sein erstes, daß er sein armes ahnungsloses Weib wieder prügelte, bis er endlich an einem aus einer Ecke kommenden Hohnlachen merkte, daß er von Poppele gefoppt worden war.

Solche und ähnliche Neckereien verübte der gespenstige Kobold zu Hunderten. Niemand war vor ihm sicher, die Frommen und Rechtschaffenen am wenigsten. Gerade dieses ausschließlich boshaften Charakters wegen ist Poppele wohl zu unterscheiden von den sogenannten „Hausgeistern“, welche – den „Manen“, „Laren“ und „Penaten“ der Römer verwandt – den Bewohnern des Hauses, in welches sie gebannt sind, meist wohlwollen. Diese bringen Glück, spinnen des Nachts die Spindeln voll, helfen den Knechten und Mägden im Stall und in der Küche – so lange man sie gut behandelt und sie nicht erzürnt. Geschieht dies, so werden sie allerdings ebenfalls wie unser Poppele tückisch und boshaft und rächen sich an den Hausbewohnern durch allerlei Unfug. Der Poppele aber – ganz abgesehen davon, daß er nicht ausschließlich an die Stätte, wo er im Leben hauste, gebannt ist – thut niemals etwas Gutes, sondern hat nur seine Lust daran, den Menschen tückische Streiche zu spielen, sie zu necken und zu schrecken.

Glücklicherweise ist der böse Geist „im neunzehnten Jahrhundert“ ziemlich zahm geworden, denn er schleudert höchstens noch bisweilen ein Bäuerlein vom Steg in den Wiesenbach, wenn es – etwas zu viel des bekannten trefflichen „Seeweins“ zu sich genommen hat. Ob aber der Geist des letzteren nicht die alleinige Schuld daran trägt, läßt sich in den einzelnen Fällen schwer nachweisen.




Blätter und Blüthen.

Verbesserung des Trinkwassers. Noch vor 25 Jahren glaubten die Aerzte selbst, daß man schlechtes Trinkwasser durch einen geringen Zusatz von übermangansaurem Kali und dergl. Substanzen verbessern könne, denn es war die Meinung verbreitet, daß die damals unbekannten Krankheitserreger von einer sehr zarten Organisation seien. Heute wissen wir, daß diese Krankheitserreger, die Bakterien, gar nicht so zart sind und daß man das Wasser, um sie zu tödten, so mit chemischen Mitteln durchsetzen müßte, daß auch der Mensch, der es trinken wollte, in den meisten Fällen vergiftet werden würde.

Die Medizin hat ihren Irrthum rückhaltlos eingestanden, aber im Volke hat sich noch eine ganze Anzahl solcher Mittelchen zur Verbesserung des Trinkwassers erhalten. Man setzt demselben ein bißchen Rothwein, Cognak, Fruchtsaft oder dgl. zu und glaubt, die schädliche Wirkung eines schlechten Wassers damit aufgehoben zu haben. Mit nichten! Man hat nur den Geschmack verbessert. Auch das Filtrieren nutzt nichts, denn die meisten Filter, die im Handel vorkommen, lassen die Bakterien ganz flott mit durchsickern. Es giebt nur ein zuverlässiges Mittel, schlechtes Trinkwasser unschädlich zu machen: man muß das Wasser kochen. Hitze tödtet die Bakterien, nur muß das Wasser wirklich und längere Zeit, etwa eine halbe Stunde, gekocht haben. Abgekochtes Wasser schmeckt nun aber nicht gut, und darum kann man den Geschmack mit den obenerwähnten Mittelchen verbessern. Prof. Rosenthal giebt folgendes Rezept zur Verbesserung des Trinkwassers an: „Gedörrtes Obst, am besten sogenannte Birnschnitze (etwa 50 g auf ein Liter) werden im Wasser vollkommen weich gekocht bis zum vollständigen Zerfall. Man läßt dann das Wasser durch ein feines Haarsieb oder leinenes Tuch durchseihen und in verschlossenen Gefäßen abkühlen. Das klare, schwach gelb gefärbte Wasser wird als gewöhnliches Getränk benutzt. Wenn man es noch vor dem Gebrauch auf kurze Zeit in den Eisschrank stellen kann, schmeckt es sogar recht gut. In vielen Familien ist das schon eingeführt; jung und alt trinkt es gern und zieht es dem oft sehr zweifelhaften Brunnenwasser vor.“

Rudolf von Gottschalls Nationallitteratur. Wir machen die Freunde des deutschen Schriftthums der neuen und neuesten Zeit auf die jetzt in 20 Lieferungen erscheinende sechste vermehrte und verbesserte Auflage von Rudolf von Gottschalls Werk „Die deutsche Nationalliteratur des neunzehnten Jahrhunderts“ (Breslau, Eduard Trewendt) aufmerksam. Es ist wohl die beste Empfehlung dieses umfassenden, vierbändigen Werkes, daß es bereits seine sechste Auflage erlebt. Wie der Verfasser in der Vorrede sagt, wird er auch den jüngsten Schriftstellern, die seit 1880 aufgetreten sind mit dem Anspruch, eine neue Schule zu begründen,


  1. „Nicht zu wenig und nicht zu viel“
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_407.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2023)