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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

er einen ihm nachrückenden Unterfeldherrn des Crassus bei Petilia (in Bruttium, dem heutigen Calabrien) aufs Haupt schlug, aber dieser Sieg hatte schlimmere Folgen als eine Niederlage, denn seine vom Erfolg berauschten Scharen zwangen ihn auch jetzt wieder, seinen Feldzugsplan zu ändern und, statt sich auf die Vertheidigung zu beschränken, zum Angriff gegen die Römer vorzugehen. Er wandte sich gegen die Ostküste, Brundusium (Brindisi) zu, vielleicht in der stillen Hoffnung, von dort noch zur See zu entkommen.

Unterwegs, man weiß nicht wo, stießen die beiden Heere aufeinander. Crassus hatte alles drangesetzt, den Entscheidungsschlag möglichst rasch zu führen, um den Ruhm nicht mit einem andern theilen zu müssen; er wußte, daß sein Nebenbuhler Pompejus mit seinem aus Spanien zurückkehrenden siegreichen Heere von Norden her bereits im Anzuge war. Auch Spartacus soll dies gewußt und dem Crassus Friedensvorschläge gemacht haben. Letzteres ist bei der Lage der Dinge und der Natur der beiderseitigen Streiter – hier Römer, dort entlaufene und verwilderte Sklaven – kaum glaublich. Vor der Schlacht stieß Spartacus im Angesicht der Front sein Pferd eigenhändig nieder, zum Zeichen, daß er, wenn geschlagen, nicht zu fliehen, sondern zu fallen gedenke. In der Schlacht suchte er auf Crassus einzudringen; trotzdem er zwei Hauptleute niederstreckte, gelang es ihm nicht, er sank, von einem Speere in die Hüfte getroffen, ins Knie, kämpfte weiter und starb endlich unter den Streichen der Feinde einen ehrlichen Soldatentod. Seine Scharen hatten sich nicht so muthig gezeigt. Wer nicht fiel, floh, die meisten den Bergen zu, wo sie verfolgt und theils niedergehauen, theils gefangen genommen wurden. Ueberdies erging durch die ganze Provinz eine Menschenhetze; es sollte die letzte Faser des wuchernden Krebsgeschwüres vertilgt werden. Auch der Schrecken wurde als Heilmittel angewandt: was in der Schlacht und auf der Flucht nicht vom Schwert getroffen wurde, büßte am Kreuz. An der großen Landstraße, die von Capua nach Rom führte, hingen nicht weniger als 6000 Unglückliche an den Marterpfählen: es waren die nach der Schlacht Aufgegriffenen.

Ein solches Mittel kann aber nicht auf die Länge, über die Lebenden hinaus noch auf kommende Menschengeschlechter, wirken. Wenn also Rom fortan von Sklavenaufständen großen Stils verschont geblieben ist, so müssen die Ursachen anderswo liegen. In der Milde der römischen Statthalter gewiß nicht – denn diese trieben sogar freie Landsassen zur Empörung wohl aber in den gut geschulten und gut verpflegten Heeren, die unter ihrem Kommando standen, allerdings auch an dem langsam, aber stetig sich vollziehenden Fortschritt der Ideen von Menschenwerth und Menschenwürde, die ja zuletzt auch die Religion „der Schwachen und Geknechteten“ geschaffen haben.

Die Riesenaufgabe, an deren Verwirklichung sich unser Jahrhundert abmüht, die Idee einer sich friedlich und mit Staatshilfe vollziehenden gesellschaftlichen Ausgleichung und Wiedergeburt, ist von den Alten nie auch nur geahnt, geschweige erfaßt worden. Auch der große Sklavenkrieg ist zunächst nicht aus dem Keime einer Idee herausgewachsen, er ist schlechterdings ein kraftvoller Rückschlag der Selbsthilfe des Gepeinigten gegen den Peiniger.




Truggeister.

Roman von Anton von Perfall.
(9. Fortsetzung.)


Endlich war der lang ersehnte Ballabend angebrochen. Bertl war den Tag über in nervöser Unruhe gewesen; aber das bange Gefühl, die Angst vor einem Mißlingen schwand immer mehr mit der vorrückenden Zeit, eine prickelnde, siegesbewußte Kampflust erfüllte sie, hob ihr ganzes Wesen und verlieh ihr doppelten Reiz.

Jetzt war alles bereit. Das ganze schimmernde Rüstzeug lag ausgebreitet in der engen Stube und bildete einen sonderbaren Gegensatz zu der bürgerlich einfachen, fast ärmlichen Einrichtung.

Frau Köhler und ihre beiden Töchter waren um Bertl beschäftigt, in der Ecke saß regungslos in stummer Bewunderung all der Herrlichkeiten Frau Margold, die große Hornbrille auf der Nase, die Augen feucht vor Rührung.

Lili ordnete die rothen Mohnblumen im schwarzen Haar Bertls, Therese steckte das duftige Kleid zurecht; keine Spur von Bitterkeit, von geheimem Neid spiegelte sich auf ihrem Antlitz, nur die reine Freude an der gelungenen Arbeit.

Bertl stand still, feierlich wie ein geschmücktes Opfer vor dem vom Photographen entlehnten hohen Standspiegel und zitterte vor ihrer eigenen Schönheit. Ein mächtiges Lebensgefühl durchströmte sie, machte ihre Pulse fliegen, gab ihrer weißen Haut eine herrliche blühende Farbe. Sie war überzeugt, daß die Frau Räthin bersten würde vor Neid bei ihrem Anblick. Aber was kümmerte sie die Frau Räthin – nur für Theodor wollte sie schön sein! Sie wollte ihn heute ganz und für immer in ihre Fesseln schlagen, und sie traute sich’s zu, sie war sich der ganzen Macht ihrer Weiblichkeit bewußt.

Kaum war das Kunstwerk vollendet, die letzte Nadel gesteckt, da riß Frau Margold das Fenster auf und ließ einen förmlichen Schlachtruf gegen die Werkstatt erschallen; das ganze Haus mußte ihre Bertl sehen, wie sie zum Balle ging. Die Schlossermeisterin war schon darauf vorbereitet, sie wartete nur auf den Ruf, der auch in den verschiedenen Küchenräumen vernommen wurde.

Alles drängte in die enge Stube, die Meisterin, der Meister, der alte Margold, dem es seit Wochen unheimlich war in seiner Wohnung, die Mägde aus den verschiedenen Stockwerken, die Freundinnen vom Brunnen.

Leises Flüstern, andächtiger Ausdruck der Bewunderung wurde hörbar. Die Augen auf ihre eigene Pracht gesenkt, die tadellosen Arme hochgehoben, die Wangen geröthet, so stand Bertl da und genoß den ersten Triumph des heutigen Abends. Selbst den alten Margold packte der Anblick, er war stolz auf sein schönes Kind und vergaß den Verdruß, den ihm die vielen Kosten und das seiner Ansicht nach schwindelhafte Eindrängen in die vornehme Gesellschaft bereitet hatten. Warum sollte das nicht eine Frau von Brennberg geben, eine gnädige Frau, was unterschied denn dies schöne Kind von den andern, Höhergestellten? Wo war da ein Merkmal niederer Geburt zu sehen? Es war am Ende doch wirklich ein altes Vorurtheil aus einer längst vergangenen Zeit, welches ihm diese Verbindung immer wieder, so oft er darüber nachdachte, unnatürlich erscheinen ließ.

Georg, der Sohn des Schlossermeisters Bergmann, ein kräftig gebauter Mann mit dem Anflug eines rothen Bartes um die frischen Lippen, war auch heraufgekommen, den Hammer noch in der Faust. Er stand unter der Thür, aber er schien sich wenig um die geschmückte, angestaunte Bertl zu kümmern, sein Auge ruhte sinnend auf Therese, deren bescheidenes, dunkles Kleidchen ganz umwallt war von der meergrünen Robe Bertls.

Die geschäftige Lili, die immer noch da und dort etwas zu bessern hatte, zupfte ihre Schwester lächelnd; Theresens Blick wandte sich nach der Thür, dunkle Röthe schoß den weißen Hals hinauf, die Schere entglitt ihren Händen.

„Respekt, Fräulein Therese, das ist eine feine Arbeit, das kann unsereiner auch beurteilen!“ unterbrach der junge Mann die feierliche Stille, indem er näher trat. „Aber man traut sich kaum, es anzuschauen, so dünn und fein ist das Zeug. Das wird eine Lustbarkeit werden, Fräulein Bertha! Warum geht denn die Frau Mutter nicht selber mit?“

„Das geht ja nicht, Herr Georg, in eine so feine Gesellschaft! Was glauben Sie denn! Da müßt’ ich mich gut ausnehmen!“ fiel Frau Margold ein.

Georg machte ein verdutztes Gesicht und sah auf den alten Margold, der den Blick zu Boden senkte und sich in den Haaren kraute.

„Ah so! Entschuldigen Sie, das verstehe ich nicht. Aber wissen Sie was, da mache ich einen Vorschlag: die Frau Köhler und ihre beiden Töchter kommen nachher zu uns hinunter. Die Mutter macht einen guten Punsch, der Bartl spielt uns eins auf der Zither und die Werkstatt ist der Tanzboden. Da werden der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_160.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)