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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Johannes Gutenberg.
Aus „Waldow, Encyklopädie der graphischen Künste.“

mit Buchstabenstempeln gedruckt wurde Der Schritt vom Stempeldruck zum beweglichen Typensatz war kein großer, ein flüchtiger Gedankenblitz konnte dahin führen. Es war nur nöthig, die Buchstabenstempel, welche vorher einzeln gebraucht wurden, zu einem Wort, zu Zeilen, endlich zu ganzen Seiten zusammenzusetzen und dann auf einmal abzudrucken. Damit war jedoch die Buchdruckerkunst noch nicht vollständig erfunden. Im Gegenteil, die technische Ausarbeitung der Erfindung mußte erst beginnen, und diese Aufgabe, vor welcher der Erfinder jetzt stand, war viel schwieriger, als man gewöhnlich annimmt.

Die ersten Versuche mit roh zugesägten Stempeln und Holztypen hatten nur den Zweck, Gutenbergs Glauben an die Durchführbarkeit seines Gedankens zu stärken. Vollendete Druckarbeiten konnte er damit unmöglich ausführen. Wahrscheinlich ist er auch schon nach den ersten Versuchen von den Holztypen abgegangen und hat zu dem beständigeren, zweckmäßigeren Metall gegriffen. Gewiß ist, daß schon die ersten Bücher mit Metalltypen gedruckt sind.

Abbildung 4. Das älteste Bild der Buchdruckerei.

Das Holz eignet sich überhaupt nicht zum Typendruck; es ist zu sehr der Veränderung durch Feuchtigkeit und Wärme unterworfen und verzieht sich leicht.

Außerdem hätten Holztypen ungeheure Herstellungskosten verursacht. Beim Satz der 36zeiligen Bibel waren z. B. zu einer Seite ungefähr 1800 Typen erforderlich, zu zwei Seiten 3600 bis 4000, darunter einige hundert kleine a. Wollte Gutenberg nur zwei Seiten auf einmal drucken, so brauchte er also schon einige hundert a, zu weiteren zwei Seiten, welche sich während des Druckens im Satz befanden, ebensoviel.

Nun wird man einen Mann, welcher genügend technischen Scharfsinn besaß, um die Buchdruckerkunst zu erfinden, gewiß nicht für so einsichtslos halten, daß er die vielen hundert a alle einzeln geschnitten habe. Man wird annehmen dürfen, daß er einige a als Modell geschnitten und die anderen hiernach in Formen gegossen habe. Ferner würde es wohl auch kaum möglich sein, Holztypen von der peinlichen Gleichmäßigkeit anzufertigen, welche unbedingt nöthig ist, wenn der Satz ebenmäßig und in geraden Zeilen auslaufen soll.

Diese peinliche Gleichmäßigkeit der Typen war wohl die Hauptschwierigkeit, welche Gutenberg zu überwinden hatte und nach unendlichen Mühen auch überwand. Nur dann, wenn die Typenkegel mit geometrischer Genauigkeit zu einander stehen, ist es möglich, mit ihnen ganze Seiten gleichmäßig zu setzen. Ferner erfand Gutenberg die Druckerpresse, welche allerdings anfänglich ziemlich einfach gebaut war, wie Abbildung 4 und 5 erkennen lassen; sodann die Druckerschwärze und alle Hilfswerkzeuge, welche zur Ausübung des Setzens und Druckens dienen. Dabei arbeitete er seine Erfindung zu einer technischen Vollkommenheit aus, die in Erstaunen setzt.

Die Schrift, nach der Gutenberg seine Bibeltypen schnitt, war die sorgfältige Schönschrift des Mittelalters, welche besonders beim Schreiben von Missalen oder Meßbüchern angewendet wurde. Dabei kam Gutenberg die Form der mittelalterlichen Schrift sehr zu statten, welche sich zur typographischen Nachbildung bedeutend bester eignete als unsere jetzige Schreibschrift, wie der Faksimiledruck Abb. 2 eines Gedichtes Walters von der Vogelweide aus der Pariser, jetzt Heidelberger Liederhandschrift erkennen läßt, deren Buchstaben ziemlich senkrecht stehen. In den sorgsamer geschriebenen Missalen sowie auf Tafeldrucken wurde die Schrift noch schöner und gleichmäßiger ausgeführt, sodaß Gutenberg sie fast so benützen konnte, wie er sie geschrieben vorfand. Unser Faksimile eines Tafeldruckes (Abb. 1) zeigt denselben Schriftcharakter wie die Gutenbergschen Bibeldrucke. Mit der Schrift nahm er auch die farbige Rand- und Initialverzierung aus den Schönschriften mit in den Buchdruck herüber, welche anfangs noch durch Handmalerei, später dagegen durch Mehrfarbendruck hergestellt wurde. --

Abbildung 5. Buchdruckerei des 16. Jahrhunderts.

Metall-Letter.

Man weiß über die Lebensgeschichte des Erfinders so wenig, daß man nicht einmal sein Geburtsjahr angeben kann. Auch über seine Kindheit und seine Jünglingsjahre ist nichts bekannt. Eine willkürliche Annahme verlegt seine Geburt in die Jahre 1396 oder 1398, doch fehlt dafür jeder geschichtliche Beweis. Die erste Nachricht über Johann Gutenberg erhalten wir 1430, in welchem Jahre seine Mutter eine Erbschaft für ihn ordnete, wahrscheinlich auf Grund einer Vollmacht Gutenbergs, der sich außer Landes befand, da er in Parteikämpfe verwickelt gewesen war und Mainz flüchtig verlassen hatte.

Abbildung 6. Aus der 36zeiligen Bibel.

Das Mainzer Patriziergeschlecht der Gensfleisch, dem Gutenberg entstammt, gehörte zu den geldprägenden Münzgenossen der Stadt Mainz. Gutenbergs Großvater war Bürgermeister gewesen, sein Vater wird 1410 in den Einnahme- und Ausgabebüchern als Rechnenmeister genannt, scheint sich jedoch mit der Bürgerpartei verfeindet zu haben und befand sich mit fernen Verwandten 1420 an der Spitze der Patrizier, welche der

Bürgerpartei im offenen Kampfe gegenüberstanden. Die Patrizier

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_494.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)