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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Vagabondenroman in bunterer Fülle wuchern können. In Thorn mußte Trenck, nach einem Zusammenstoß mit preußischen Werbern und Stadtsoldaten, seinen Reisegefährten zuletzt zurücklassen und allein nach Elbing wandern, wo er endlich seine Mutter traf, die ihn aus allen Verlegenheiten riß. Er hatte 169 Meilen durchwandert und beim Antritte seiner Wanderschaft nicht mehr als 4 Gulden in der Tasche gehabt. Gleichwohl hatte er nicht gebettelt und nicht gestohlen, aber Ungemach und Hunger in reichem Maße erdulden müssen.

Einige Zeit später finden wir Trenck, der inzwischen mancherlei Schicksale erlebt hatte und einmal auch bereits auf dem Wege nach Ostindien gewesen war, in russischen Diensten als Hauptmann im Tobolskischen Dragonerregiment wieder. Um seine Mutter und seine Geschwister zu sprechen, bat er sich die Gnade aus, 140 Kranke von Krakau auf der Weichsel nach Danzig und von da ab mit russischen Schiffen nach Riga geleiten zu dürfen. In Elbing angekommen, eilte er nach Ermland, um dort seine Verwandten zu sprechen. Da wurde er in einem Grenzdorfe in unliebsamer Weise von den Bauern angegriffen. Es waren kurz vorher Preußen im Dorfe gewesen und hatten einen Bauernsohn als Rekruten fortgeschleppt. In seinem blauen russischen Dragonerrock wurde Trenck für einen Preußen gehalten. Man fiel mit allerhand Mordprügeln über ihn her, sein Bedienter hatte sich mit den Pistolen in einen Backofen verkrochen; nur der Wirth und ein auf Urlaub befindlicher Jäger halfen ihm, sich des Angriffs erwehren. Doch man hatte ihm das Nasenbein zerschlagen; sein Kopf, seine Augen waren verschwollen; er brauchte acht Tage, um sich ausheilen zu lassen.

Weit verhängnißvoller in seinen Folgen war ein anderes Abenteuer Trencks. In Danzig, wo er wieder zu seinen Kranken gestoßen war, machte er die Bekanntschaft eines preußischen Offiziers, mit dem er öfter spazieren ritt. Auch sein Bedienter befreundete sich mit dem Bedienten desselben. Wie war Trenck erstaunt, als ihn sein Bedienter eines Tages vor dem preußischen Lieutenant warnte, der ihn vor das Thor locken, dann gefangennehmen, in einen Wagen werfen und in preußische Hände liefern wolle! Trenck erfuhr selbst durch weitere Nachforschungen das Nähere und rüstete sich zur Gegenwehr. In der Vorstadt Langfuhr war ein Wirthshaus auf preußischem Grund und Boden: dort sollten acht Werbeunteroffiziere, nur mit ihren Säbeln bewaffnet, hinter dem Thore auf Trenck lauern und ihm sogleich in die Arme fallen. Zwei Unteroffiziere waren beritten und sollten ihn dann weiter befördern. Trenck brauchte, um den ganzen Anschlag zum Scheitern zu bringen, nur die Einladung zum Spazierritt auszuschlagen, die seitens des verrätherischen Offiziers an ihn erging; doch das war nicht seine Art und Weise, er wollte den Verräther an Ort und Stelle entlarven. Sechs Russen ließ er sich dem Wirthshause gegenüber im Korn verstecken, sie sollten auf den ersten Schuß ihm mit gespanntem Hahn zu Hilfe eilen. Am Tage selbst erfuhr er noch, daß auch der preußische Resident Reimer mit Postpferden dort hinausgefahren sei. Auf den Wunsch des Lieutenants war Trenck vom Pferde gestiegen; als sie dem Wirthshause sich näherten, lag Reimer am Fenster und rief heraus. „Guten Morgen, Herr Hauptmann, herein, herein da, soeben ist das Frühstück fertig!“ Trenck antwortete, er habe keine Zeit, und wollte weiter vorwärts. Da faßte sein Begleiter ihn am Arm, um ihn hineinzunöthigen. Doch Trenck riß sich los, gab ihm eine Ohrfeige und sprang seinen Pferden zu. Da drangen die Preußen aus dem Thore mit Geschrei auf ihn los; er schoß auf den ersten seine Pistole ab, – das Zeichen für die Russen, aus dem Korn hervorzubrechen. Die Preußen liefen davon, doch wurden ihrer vier gefangen und auf Befehl Trencks mit Stockprügeln traktirt. Obgleich Trenck sofort ins Haus stürzte, entwischte der Resident doch durch die Hinterthür und ließ dem Verfolger nur seine weiße Perücke zurück. Dann zog Trenck seinen Degen und forderte den verrätherischen Lieutenant auf, sein Leben zu vertheidigen, doch dieser war so bestürzt, daß er sich nicht zu vertheidigen wagte; er schob alle Schuld auf den Residenten. Nun nahm Trenck einen russischen Korporalsstab und prügelte den Verräther, so lange er konnte. Er ließ ihn übel zugerichtet zurück und rief ihm zuletzt zu: „Schurke, jetzt erzähle Deinen Kameraden, wie der Trenck Straßenräuber zu züchtigen weiß!“

Dieser Vorfall wurde natürlich dem König Friedrich berichtet und trug nicht wenig dazu bei, dessen Erbitterung gegen Trenck aufs höchste zu steigern. Der Dragonerhauptmann ging indeß mit seinen Kranken zu Schiffe. Eine für ihn gefährliche Landung bei Pillau wußte Trenck mit der Pistole in der Hand zu verhindern. Am folgenden Tage lief das Schiff glücklich in den Hafen von Riga ein.

In Moskau wurde Trenck der Günstling des englischen Gesandten Lord Hyndfordt und von demselben bei Hofe und der Kaiserin vorgestellt; er verfertigte ein Gedicht auf ihren Krönungstag, wofür er einen goldenen Degen im Werthe von 1000 Rubeln erhielt. Auch durch Zeichnungen und Ingenieurarbeiten machte er Glück. Noch mehr Glück aber hatte er bei den Frauen. Eines der schönsten Mädchen, das im Alter von 17 Jahren einen 60jährigen russischen Minister heirathen sollte, der 300 Pfund wog, verliebte sich in ihn; sie traf sich öfters insgeheim mit ihm und wünschte sehnlichst, Trenck möchte sie doch von dem verabscheuten Bräutigam erretten, sie entführen. Doch die Flucht aus Moskau war unmöglich; die Hochzeit des Mädchens mit dem ungeliebten Hofmanne fand statt mit aller Pracht. Von St. Petersburg aus, wohin sich das Ehepaar begeben wollte, hofften die Liebenden entfliehen zu können, da raffte ein früher Tod das schöne junge Weib dahin. Eine der ersten Hofdamen, der Kanzlerin B., schließt darauf Trenck in ihr Herz, und durch ihre Gunst wird er in alle Geheimnisse der Politik eingeweiht; sie enthüllte ihm eine Intrigue des preußischen Gesandten, die ihm – es handelte sich um eine Zeichnung der Festung Kronstadt – fast eine Anklage wegen Landesverraths zugezogen hätte.

Als Trenck dieser Gefahr entgangen war, erfuhr er, daß sein Vetter Franz auf dem Spielberge in Brünn gestorben sei und ihn unter der Bedingung zum Erben eingesetzt habe, daß er keinem andern Herrn als dem Hause Oesterreich dienen werde. Auf den Rath seiner Freunde, nicht ohne inneren Widerwillen, entschloß er sich, nach Wien zu reisen. Er nahm seinen Weg über Petersburg, Stockholm, Kopenhagen, mußte bei der Fahrt nach Holland in Gothenburg Anker werfen und benutzte den neuntägigen Aufenthalt, reiches Geld den Bewohnern der öden Felseninsel zu spenden, hatte in Amsterdam Händel mit einem Harpunirer, dem er mit seinem Säbel die rechte Hand abhieb, und traf im Jahre 1750 in Wien ein. Aber er hatte dort kein Glück; seine Erbschaft wurde ihm durch alle erdenklichen Plackereien verleidet. Der Vater des Pandurenführers hatte ihn schon dem eignen Sohne substituirt für die ungarischen Güter, dieser selbst aber ihn zum Universalerben eingesetzt, ohne auf jenes frühere Testament Rücksicht zu nehmen. Friedrich wollte sich mit den vom Onkel ihm vermachten Gütern begnügen und auf die Universalerbschaft verzichten, weil sie an die Bedingung geknüpft war, daß er katholisch werde und österreichische Dienste nehme; doch die Kaiserin erklärte, er dürfe nichts von der Trenckschen Masse sich aneignen, wenn er nicht die Bedingungen im Testament des Vetters erfüllt habe. So wurde er in einer möglichst äußerlichen Form katholisch und erhielt eine Rittmeisterstelle bei dem Corduaschen Kürassierregiment in Ungarn. Er hatte wegen seiner Erbschaft 63 Processe führen müssen und von den großen Reichthümern seines Vetters blieben ihm zuletzt nur 63000 Gulden.

Als Trencks Mutter 1754 gestorben war, begab er sich zur Regelung seines Nachlasses nach Danzig. Hier aber widerfuhr ihm das verhängnißvollste Unglück seines Lebens: er fiel in die Hände der Preußen. Als er sich zur Abreise anschickte und eben auf einem schwedischen Schiff einschiffen wollte, wurde er mitten in der Nacht überfallen und durch ein Kommando von 30 Husaren nach Berlin geführt. Ein Verleumder hatte dem König hinterbracht, Trenck plane einen Anschlag auf ihn; das häufte natürlich die Summe der Verschuldungen Trencks gegen Preußen und den König, so daß der letztere die strengste Strafe für geboten hielt.

In Berlin wurde Trenck aufs genaueste untersucht und ausgeforscht; man nahm ihm sein Geld und seine Werthsachen und brachte ihn in das Staatsgefängniß von Magdeburg. Allen Offizieren war bei Androhung strengster Strafe von dem König der Befehl ertheilt, ihn aufs schärfste zu bewachen, und diese übertrieben natürlich die Strenge. Zwar wurde der Gefangene nicht gleich mit jenen Ketten belastet, die wir schon geschildert haben, doch litt er furchtbar an Hunger; die kleine ihm zugemessene Ration Brot genügte ihm nicht entfernt, da er ein starker Esser war. Das Gefängniß, in welchem sich Trenck zuerst befand, war zwar nicht 80 Fuß unter der Erde, wie er selbst in seinen Memoiren angiebt, aber es war immerhin in einer unterirdischen Kasematte angebracht. Uebrigens

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