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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Wild ist stets im Lager, außerdem auch Pelze, Federn und Häute. Sie fertigen Fischnetze und Fallen für kleineres Wild an. Die Knaben müssen sich stets mit Bogen und Pfeil üben, da wir niemals eins der Zwergendörfer passiert haben, ohne mehrere ganz kleine Bogen und Pfeile mit abgestumpften Spitzen zu sehen; auch scheinen sie reichlichen Gebrauch von den Aexten zu machen, da die Bäume ringsumher viele Zeichen tragen, die nur von dem Probieren der Aexte herrühren konnten. Ferner fanden wir in jedem Lager einen Baum mit Einschnitten von mehreren Zoll Tiefe, sowie etwa 450 m von dem Lager eine Anzahl rautenförmiger Einschnitte auf der quer über den Weg liegenden Wurzel eines Baumstammes, die uns jedesmal anzeigten, daß wir uns einem Dorfe der Wambutti-Zwerge näherten.“

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Das sind nur einige Proben aus der Fülle der eigenartigsten Erscheinungen, welche uns Stanleys Werk aus dem centralafrikanischen Wald am Aruwimi mittheilt. Nicht minder merkwürdig sind die Abschnitte, die uns mit den Völkern des Graslandes bekannt machen und in denen das schneebedeckte Mondgebirge, Ruwenzori, der „Wolkenkönig“, geschildert werden. Der Naturforscher und der Geograph werden das neueste Werk Stanleys mit demselben Interesse verfolgen, wie sein berühmtes „Durch den dunklen Welttheil“. Die große Masse der Leser werden die zahlreichen Abenteuer, die Kämpfe und Gefahren fesseln, und der Kolonialpolitiker wird vieles über das Verhältniß Stanleys zu Emin daraus erfahren. Leider ist diese Seite des Buches, an und für sich in unseren Tagen die spannendste und wichtigste, keineswegs eine Glanzseite desselben; denn wir erfahren daraus, daß, ganz abgesehen von den verschiedenen politischen Zielen, persönliche Gegensätze die beiden hervorragenden Männer in solchen Zwiespalt versetzt haben, so daß der Gerettete zuletzt bedauerte, sich dem Retter angeschlossen zu haben, und sogar bei den Missionaren am Viktoriasee zurückbleiben wollte!

Stanley hofft selbst, daß alles, was in seinem Werke von Emin Pascha berichtet ist, „dem hohen Begriffe von unserem Ideal“ nicht den geringsten Abbruch thun werde. Es ist aber unmöglich zu verkennen, daß die Haltung seines Buches mit diesem Ausspruch schwer in Einklang zu bringen und eher geeignet ist, Emins Größe in den Augen Europas zu verdunkeln. Uns Deutschen ist diese Haltung nur ein Grund mehr, an der Bewunderung für unsern großen Landsmann standhaft festzuhalten, bis er selbst einst auftreten wird, um wie einst seine Provinz gegen seine Feinde so seinen Namen gegen die Angriffe seines Befreiers zu vertheidigen.




Nachdruck verboten. 
Alle Rechte vorbehalten.     

Flammenzeichen.

Roman von E. Werner.
(Schluß.)

Der nächste Tag brachte klares Frostwetter, aber die Kälte hatte einigermaßen nachgelassen und die Sonne schien hell herab. In dem Quartier des Fürsten Adelsberg befanden sich Eugen Stahlberg und Walldorf, von welchen der letztere heute dienstfrei war, wenn auch gezwungenermaßen. Er war gestern bei der Rückkehr von der Feldwache auf dem eisglatten Boden gestürzt und hatte sich eine Verletzung der Hand zugezogen, die ihn hinderte, heute morgen mit seiner Kompagnie auszurücken, wie Egon es gethan hatte. Die Herren warteten auf ihren fürstlichen Kameraden, der bald zurückkehren mußte, und unterhielten sich inzwischen damit, Peter Stadinger zu necken, der heute pflichtschuldigst bei seinem Herrn erschienen war und nun gleichfalls wartete.

Die jungen Offiziere wußten noch nichts von der Nachricht, die man gestern im Hauptquartier erfahren hatte, sie waren daher in bester Laune und gaben sich alle mögliche Mühe, auch jetzt wieder Stadingers vielgerühmte Grobheit hervorzurufen. Aber das wollte heute nicht glücken; der Alte blieb wortkarg und verschlossen, er fragte nur immer wieder, wann denn Durchlaucht zurückkäme und ob es ein ernstes Gefecht sei, zu dem Durchlaucht ausgerückt wäre, bis Walldorf endlich die Geduld verlor.

„Ich glaube, Stadinger, Sie packten den Fürsten am liebsten ein und nähmen ihn mit nach Ihrem bombensicheren Rodeck,“ sagte er ärgerlich. „Die Aengstlichkeit müssen Sie sich hier im Kriege abgewöhnen, merken Sie sich das!“

„Und überdies ist der Fürst heute nur auf Rekognoscirung,“ fiel Eugen ein. „Er macht mit seinen Leuten vom Kapellenberge aus nur einen kleinen Spaziergang in die benachbarten Thäler und Schluchten, um festzustellen, wie es da eigentlich aussieht. Man wird vermuthlich nur einige Liebenswürdigkeiten mit den Herren Franzosen austauschen und sich dann höflich zurückziehen, die Unhöflichkeiten folgen erst in den nächsten Tagen.“

„Aber geschossen wird doch auch dabei?“ fragte Stadinger mit so angstvoller Miene, daß die beiden Offiziere laut auflachten.

„Ja, geschossen wird auch dabei,“ bestätigte Walldorf. „Sie scheinen eine heillose Angst vor dem Schießen zu haben und sind doch weit genug davon.“

„Ich?“ Der Alte richtete sich tiefbeleidigt auf. „Ich wollte, ich könnte mit dabei sein!“

„Wohl um Ihre vielgeliebte Durchlaucht zu schützen? Das würde sich der Fürst verbitten. Sie würden ihn am Rockschoße festhalten und fortwährend rufen: ‚Nehmen Sie sich in acht, Durchlaucht, da kommt eine Kugel!‘ Das müßte sich köstlich ausnehmen!“

„Herr Lieutenant,“ sagte der Alte so ernst, daß der Spottlustige verstummte, „das sollten Sie doch einem alten Jäger nicht anthun, der früher oft genug den Gemsen nachgestiegen ist und geschossen hat, wo er kaum einen fußbreit Raum zum Stehen hatte. Mir ist nur heute so schwer und angst zu Muthe – ich wollte, der Tag wär’ erst vorbei!“

„Nun, es war nicht schlimm gemeint,“ begütigte Eugen. „Wir glauben es Ihnen schon, Stadinger, Sie sehen nicht aus wie jemand, der sich fürchtet. Aber mit Ihrer ‚ahnungsvollen‘ Stimmung bleiben Sie uns vom Leibe, darauf giebt man nichts mehr, wenn man so und so viele Male im Kugelregen gestanden hat. Wenn wir glücklich wieder daheim sind, komme ich mit meiner Schwester nach Ostwalden, und dann wollen wir auch gute Nachbarschaft mit Rodeck halten. Der Fürst liebt sein altes Waldnest ja so sehr! – Und nun lassen Sie Ihre grämliche Miene fahren, da kommt er ja schon zurück!“

In der That vernahm man draußen auf der Treppe einen raschen Schritt; der Alte athmete erleichtert auf, aber es war nur der Bursche Egons, der in der geöffneten Thür erschien.

„Nun, kommt Seine Durchlaucht?“ fragte Walldorf; aber Stadinger ließ dem Manne keine Zeit zur Antwort. Er hatte einen Blick auf sein Gesicht geworfen, nur einen einzigen, und plötzlich faßte er mit krampfhaftem Griffe seine Hand.

„Was ist’s? Wo – wo ist mein Herr?“

Der Bursche zuckte traurig die Achseln und deutete stumm auf das Fenster; die beiden Offiziere eilten bestürzt dorthin, aber Stadinger nahm sich keine Zeit dazu. Er stürzte hinaus, die Treppe hinunter, in das Gärtchen, das sich vor dem Hause befand, und sank dort mit einem lauten Aufschrei in die Kniee vor der Bahre, die zwei Krankenträger soeben niedersetzten und auf welcher eine jugendliche Gestalt ausgestreckt lag.

„Still!“ sagte der Arzt, der den traurigen Zug begleitet hatte und jetzt herantrat. „Beherrschen Sie sich, der Fürst ist schwer verwundet!“

„Das sehe ich!“ keuchte der Alte. „Aber nicht tödlich – nicht wahr, nicht tödlich? – Sagen Sie es doch nur, Herr Doktor!“

Er blickte zu dem Arzte auf mit so verzweiflungsvollem Flehen, daß dieser nicht das Herz hatte, ihm die Wahrheit zu sagen. Er wandte sich zu den beiden Offizieren, die jetzt auch herbeieilten und ihn mit leisen, angstvollen Fragen bestürmten.

„Eine Kugel in der Brust,“ antwortete er ebenso leise. „Der Fürst verlangte, nach seinem Quartier gebracht zu werden, und wir haben bei der Herschaffung alle mögliche Sorgfalt angewendet, aber es geht doch schneller zu Ende, als ich dachte.“

„Also tödlich?“ fragte Walldorf.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_436.jpg&oldid=- (Version vom 29.11.2020)