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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Vorganges die Ansicht, daß die kleinen Vögel, welche man häufig im Gefolge des Kuckucks findet, denselben neckisch umschwärmen, für eine irrige, vielmehr wird der Kunckuck als der bestgehaßte Feind, als der Verderber ihrer Brut von ihnen verfolgt. –

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Anmerkung der Redaktion. Zu den vorstehenden Beobachtungen macht uns Adolf Müller folgende Mittheilungen: „Die Bebrütung des Kuckucksgeleges außerhalb eines fremden Nestes durch den weiblichen Kuckuck ist eine Ausnahmeerscheinung, deren Ursache schwer zu ergründen sein wird. Es mag ein Rückschlag zu der ursprünglich dem Kuckuck ebenfalls eigenthümlichen Gewohnheit des Brütens sein. Die zuerst aufgeworfene Frage des Verfassers, die er selbst fallen läßt, möchte mit Nein zu beantworten sein, weil Einzelwesen die Eigenthümlichkeit der Art schwerlich so vollständig durchbrechen. Eher liegt ein Grund für die Bejahung der zweiten Frage in der Gegnerschaft des Rothkehlchenpaares gegen das Kuckucksweibchen. Vollkommen bestätigt finden wir hier aber unsere eigenen Beobachtungen an Rothkehlchen, welche sich gegen die Absicht des Kuckucks, das Ei in ihr Nest einzuschmuggeln, nachdrücklich wehren, wie es ja andere Vogelarten ebenfalls thun. Wir begrüßen freudig die mit der unsrigen übereinstimmende Beobachtung, daß gerade die streitbaren, unter Umständen todesmuthigen Rothkehlchen den Kuckuck vom Neste fern zu halten suchen; nur gelang es nach unseren Erfahrungen doch jedesmal dem Kuckuck, sein Ei anzubringen, und die tapferen Streiter ergaben sich schließlich in ihr Schicksal. In dem von Störmer beobachteten Falle kann allerdings der Kuckuck vom starken Legedrang bewogen worden sein, sein Ei auf dem Boden abzulegen. Dasselbe mag bei anderen Verhinderungen und Störungen oder bei dem Mangel an den nöthigen Bedingungen geschehen. Ob aber daraus auch das Bebrüten sich folgern läßt? Die Mögllchkeit möchten wir nicht bezweifeln; bloße Vermuthungen aber lösen die Ursache des Brütens in der Lebensgeschichte unseres geheimnißvollen Vogels keineswegs.

Inzwischen möge hier noch eine Beobachtung angefügt werden, welche ein Licht wirft auf die Erregung der Rothkehlchen in der Brutzeit und auf die veränderlichen Schicksale, welchen der junge Kuckuck ausgesetzt ist. Dieselbe ist mir im August v. J. von Frau Professor Neubaur aus Berlin mitgetheilt worden.

Frau Neubaur begab sich eines Morgens in Begleitung eines Jägers in den Park auf dem Gute ihres Oheims bei Hamburg und hörte dort zankende Vogelstimmen. Sie schlich näher und entdeckte ein Rothkehlchennest, auf dessen Rande die beiden Nistvögel sich gegenübersaßen, das Weibchen in trotziger, das Männchen in zorniger, gleichsam herrischer Stellung. Die Ursache des Streites war ein Kuckucksei, welches bei drei bebrüteten Eiern des Rothkehlchens in dem Neste lag. Von einem nahen Verstecke aus konnte weiter beobachtet werden, daß der weibliche Vogel dem Drängen des Gatten nachgab und das Brutgeschäft fortsetzte. Nach acht Tagen schlüpften drei Rotkehlchen aus, die von den Eltern sorgsam gepflegt wurden. Am dreizehnten oder vierzehnten Tage kroch zur großen Aufregung des Rothkehlchenpaares auch der junge Kuckuck aus. Bald zeigte sich aber, daß er die Nestlinge sehr bedrängte und in stete Gefahr brachte, so daß die Rothkehlchen endlich den Kuckuck mit den Schnäbeln arg bearbeiteten und aus dem Nest zerrten, vor dem er starb. Das Paar pflegte und zog sodann seine Jungen sorgsam groß.“




Blätter und Blüthen.

Kleine Gesundheitslehre von Bock. Kein gemeinverständliches medizinisches Werk hat eine so große Verbreitung erlangt wie Bocks „Buch vom gesunden und kranken Menschen“. Auch nach dem Tode des Verfassers erfreut es sich in mustergültiger Bearbeitung Dr. v. Zimmermanns des altbewährten Rufes: es umfaßt aber einen starken Band von über 60 Druckbogen, und das ist für viele zu viel. Es giebt Leute, die aus Rücksicht auf die Anschaffungskosten so umfangreichen Werken bündigere Darstellungen vorziehen müssen, ebenso wie es andere giebt, die möglichst wenig lesen und dabei möglichst viel erfahren möchten. Professor Dr. Bock, ein Meister der volksthümlichen Darstellung, kannte seine Leute, und so hat er neben dem „großen Bock“ eine „kleine Gesundheitslehre.“ geschrieben, ein kleines Büchlein, in dem das Wichtigste und Nöthigste von allgemein faßbarem medizinischen Wissen mitgetheilt wurde. Die wiederholten Auflagen haben den Beweis geliefert, daß damit auch das Richtige getroffen wurde. Heute liegt uns die „Kleine Gesundheitslehre“, die zum Kennenlernen, Gesunderhalten und Gesundmachen des Menschen dienen soll, in neuer Bearbeitung durch Dr. v. Zimmermann vor. Das etwa 12 Druckbogen umfassende Buch kostet gebunden 1 Mark.

Alle Fortschritte der Medizin in der neuesten Zeit sind von dem Bearbeiter berücksichtigt worden, und so ist die „Kleine Gesundheitslehre“ in ihrem neuen Gewande wieder ein trefflicher praktischer Rathgeber, aus dem jedermann Belehrung in Gesundheitsfragen schöpfen kann. Besonders vortheilhaft sind die Abschnitte, welche die erste Hilfe bei Unglücksfällen betreffen, ausgezeichnet ist aber der Anhang „Garstige Übel und häßliche Angewohnheiten“, in welchem alle die kleinen Leiden und Fehler erörtert werden, die im gesellschaftlichen Leben Anstoß erregen. Freimüthig wird darin erörtert, was an unserm Körper den Geruchsinn, das Gehör oder das Auge unserer Nächsten verletzen kann, und es werden dabei auch die Mittel angegeben, wie man solche Fehler und häßliche Angewohnheiten beseitigen kann.

Mitesser, Sommersprossen, geröthete Nasen, Hühneraugen u. dergl., das sind ja alles Themata einer gewissermaßen „kleinen Medizin“, für die auf eigene Faust leider oft sehr unnütz viele Mark geopfert werden. Die „Kleine Gesundheitslehre“ ist auch auf diesem Gebiete ein ersprießlicher Rathgeber und ein ehrlicher dazu, welcher den Beutel des unter solchen geringfügigen Leiden Seufzenden zu schonen weiß. *     

Das Koller Gustav Adolfs, des Königs von Schweden, welches derselbe trug, als ihn in der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632 der Tod ereilte, ist heute noch vorhanden. Das merkwürdige Stück befindet sich in der Waffensammlung im k. k. Artilleriearsenal zu Wien. Das Koller ist von schwerer Elenhaut, innen vollständig zuerst mit starker Leinwand, darüber mit grünem Atlas gefüttert. Die Brusttheile sind zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit noch mit fünffachem abgestepptem Zwilch unterlegt. Von Reliquiensammlern sind das Futter und einzelne Theile des Kollers selbst stark mitgenommen worden. Trotzdem sämmtliche einst dicht aneinander gereihte Knöpfe fehlen – sie waren wahrscheinlich von Silber und wurden als gute Beute betrachtet – wiegt das Koller jetzt noch gegen 3½ Kilogramm. Die erste Verwundung erhielt Gustav Adolf am linken Ellenbogen; das Stück mit dem durch die Kugel verursachten Loch ist aus dem Aermel ausgeschnitten, doch sind Blutspuren noch deutlich erkennbar.

Die zweite, jedenfalls tödliche Kugel traf den Schwedenkönig im Rücken; das durch die Kugel erzeugte Loch hat einen Durchmesser von 15 bis 18 mm, die Ränder desselben sind ganz verbrannt, so daß kein Zweifel besteht, daß der Schuß auf geringe Entfernung abgegeben wurde. Auf der linken Brustseite findet sich ein Loch, das offenbar durch den Stich eines vierseitigen Panzerstechers erzeugt wurde. An der Echtheit dieses Rockes ist nicht zu zweifeln, denn erstens findet sich ein Zettel in der Handschrift der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit der Bestätigung derselben an der merkwürdigen Reliquie; zweitens meldet schon Khevenhiller in seinen „Annales Ferdinandei“, daß der Rock auf dem Schlachtfelde von einem kaiserlichen Soldaten erbeutet und vom Generalfeldwachtmeister Duca Oktavio Piccolomini „noch ganz blutig dem Kaiser nach Wien übersendet“ worden ist.

Die Opfer des Leuchtthurmlichtes. Man hört oft von den Verheerungen, welche die Leuchtthürme unter der Vogelwelt anrichten, namentlich während der Zugzeit, so wird erzählt, sollen unzählige Vögel auf das Licht losfliegen und an den dicken Glasscheiben der „Laterne“ sich Hals und Flügel brechen. Die Thatsache ist an und für sich wahr, nur die Massenhaftigkeit der auf diese Weise zu Grunde gegangenen Vögel wird von Fachleuten in Abrede gestellt. Man hat die Leuchtthurmwächter zur genaueren Beobachtung veranlaßt und die Ermittelungen des Oberwächters Gaebel an dem Leuchtthurm in Horst bei Treptow an der Rega sind neuerdings von H. Röhl in einem Fachblatte veröffentlicht worden. Die Zahl der umgekommenen Vögel schrumpft danach bedeutend zusammen, von Tausenden todter Vögel, die in einer Nacht gesammelt werden sollten, ist darin keine Rede. Die Zahlen stellen sich erfreulicherweise viel niedriger; so wurden im Jahre 1885/1886 nur 190 todte Vögel an dem genannten Leuchtthurm gefunden; im nächsten Jahre 158; im Jahre 1887/1888 140 und im Jahre 1888/1889 nur 62.

Durch diese Beobachtungen wird die schon früher aufgestellte Annahme bestätigt, daß die Vögel sich mit der Zeit an das Hinderniß gewöhnen und es zu meiden lernen; denn nicht das Licht zieht die Vögel in ihr Verderben hinein, sondern die meisten werden an die Leuchtthürme in stürmischen Nächten angetrieben. Die älteren Vögel, welche die bestimmte Straße schon öfters gezogen sind, warnen alsdann die Jüngeren, und so wurde auch wiederholt bei größeren Zügen bemerkt, daß sie sich, sobald sie in die Nähe der Leuchtthürme kamen, hoben und jenseits sich senkend ihre Straße weiter zogen.

Dasselbe, bemerkt dazu Röhl, trifft bei unseren Telegraphendrähten zu. Wie viele Vögel gingen früher an ihnen zu Grunde! Jetzt wird das höchst selten oder gar nicht mehr beobachtet. Im vorletzten Jahre allerdings fand man viele Steppenhühner durch sie beschädigt oder getödtet, weil sie ebenfalls diese Drähte nicht kannten. Wären sie bei uns geblieben, so hatten sie sich auch daran gewöhnt wie alle unsere Vögel.

So steht auch zu erwarten, daß die Leuchtthürme mit der Zeit immer weniger Opfer fordern werden. „Aber jene Opfer,“ schließt Röhl, „sind nicht umsonst gefallen: durch sie sind die für die Wissenschaft so wichtigen Zugstraßen der einzelnen Vogelarten festgestellt worden.“ *     

Des deutschen Reiches Zuckerbüchse. Oestlich von der rührigen Handelsstadt Nordhausen, an der Unstrut und der thüringischen Saale entlang bis hinab zur Elbniederung und dann weiter auf dem linken Elbufer an dem ehrwürdigen Magdeburg vorbei bis in die Gegend von Wolmirstedt – und nun in scharfer Biegung westlich bis nach Braunschweig und Seesen hin schmiegt sich um den Felsenleib des Harzgebirges herum ein fruchtbarer Ländergürtel, in welchem die „goldene Aue“ und die „Magdeburger Börde“ als leuchtende Perlen erglänzen: das ist der „Zuckerboden“, das vorzüglichste Rübenland Deutschlands. Nicht weniger als 201 Fabriken und Raffinerien, fast die Hälfte der Zuckerfabriken des ganzen Reiches, sind hier auf einem kleinen Fleck vereinigt. Auf Preußen entfällt der Löwenanteil mit 133 Fabriken, dann folgt Braunschweig mit 38 und Anhalt mit 30 Fabriken.

Spärlich sind dagegen die Zuckersiedereien in den übrigen Theilen Deutschlands zerstreut; auf die drei Königreiche Bayern, Württemberg und Sachsen entfallen beispielsweise nur je 5 Fabriken, und so ist in der That das Vorland des Harzes die Zuckerbüchse des Deutschen Reiches.

Ein deutscher Nationalhort. Wenn die natürlichen Schätze an Kohle und Eisen der Gradmesser für den Reichthum eines Landes sind, so ist Deutschland nach dieser Seite hin in einer glücklichen Lage; es hat,

was das Eisen anbetrifft, durch die Erwerbung von Lothringen zu seinen alten Schätzen an Eisenerz ein neues fast unerschöpfliches Eisenerzlager

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_355.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)