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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Feuerspritzen dienen; der Feuersgefahr wird überdies noch besonders dadurch begegnet, daß ein einziger Hebeldruck im Maschinenraum jede einzelne Schiffsabtheilung sofort unter Wasserdampf setzen kann.

Die Rettungsboote, gegenüber den plumpen Holzschaluppen

Gang im Zwischendeck.

älterer Zelt jetzt sehr vervollkommnet, sind aus Stahlblech gebaut, mit Luftkästen versehen und können, trotzdem ein jedes 60 bis 80 Personen aufzunehmen imstande ist, von wenigen Leuten sofort zu Wasser gebracht werden. Schon vor dem Antritt der Reise wird jedes Boot mit Mast, Segeln, Nahrungsmitteln und Wasser vollständig ausgestattet. Die Schnelldampfer des „Norddeutschen Lloyds“ in Bremen führen auch eine Anzahl Sheperdscher Patentflöße an Bord. Eine Korkweste, die mit Leichtigkeit einen Menschen über Wasser halten kann, erhält jeder Passagier beim Antritt der Reise verabfolgt. Endlich giebt es noch die Patentsegeltuchboote, die von geteertem und durchaus wasserdichtem Segeltuch angefertigt sind; für gewöhnlich zusammengelegt, haben sie das Aussehen einer großen Reisetasche. Im Falle der Gefahr werden durch wenige Handgriffe die Rahmen aufgeklappt, stählerne Spanten stellen sich selbstthätig auf, das Segeltuch wird straff angezogen, und das Rettungsboot für etwa 40 Personen ist fertig; es hat dann das Aussehen eines gewöhnliche Bootes.

Als Sicherheitsvorrichtung verdient auch noch die „Telegraphie nach Achter“ Erwähnung („achter“ plattdeutsch für „hinten“), welche u. a. beim Verlassen des Hafens und beim Einfahren in diesen zur Anwendung kommt. Zu älteren Zeiten stand unter besonderen Umständen bei schwierigem Fahrwasser

Ventilatoren auf Deck.


der Lootse vorn am Bug und signalisirte mittelst geschwenkter Fähnlein oder farbiger Laternen dem Manne am Steuer hinten („achter“) seine Befehle; ein System, welches auf großen Schiffen bei starkem Nebel keinen sicheren Verlaß bot. Auf den neueren Dampfern vermittelt ein eigener elektrischer Telegraph den Verkehr zwischen Vordersteven und der Kommandobrücke. Unsere Abbildung (S. 242) bietet den Vergleich zwischen älterer und neuer Zeit.

Auf demselben Bildchen ist links vom Beschauer ein Mörser sichtbar; dieser dient selbstverständlich nicht zu kriegerischen, sondern nur zu friedlichen Signal- und Salutzwecken. Zu Kriegszeiten würde übrigens wohl kaum ein feindliches Fahrzeug sich gelüsten lassen, die erfolglose Jagd hinter einem dieser Schnelldampfer her zu beginnen.

Für die Bequemlichkeit der Fahrgäste ist in so reichlichem Maße gesorgt wie kaum je zuvor; je größer ein Fahrzeug ist, um so leichter wird es, den Anforderungen in dieser Hinsicht zu entsprechen. Freilich hat auch die Größe ihre Grenzen. Bekannt ist der verunglückte Versuch der Engländer mit dem zuerst „Leviathan“, dann „Great Eastern“ genannten Riesen, der mit seinen 207 m Länge und 25,3 m Breite überall stecken blieb und kürzlich „geschlachtet“, d. h. als altes Eisen verkauft wurde. Die Größenverhältnisse der neuen Schnelldampfer sind bescheidenere. Die „Columbia“ ist nur 141 m lang und 17,7 m breit; die Tiefe vom Oberdeck bis zum Kiel beträgt 11,6 m; das „Deplacement“ (Verdrängung des Wassers durch den Schiffskörper) 10000 Tonnen. Von den fünf Verdecken: Promenade-, Ober-, Haupt-, Zwischen- und Orlogdeck, sind die vier letztgenannten aus Stahlplatten wasserdicht genietet und mit Holzplatten belegt. – Wie großmächtig sich nun auch ein solcher Seeriese ausnimmt, sei es am Tage bei hellem Sonnenschein, sei es zur Nachtzeit, welch er im Glanze seiner 800 elektrischen Glühlampen und seiner 10 großen Sonnenbrenner strahlt, der Raum an Bord ist doch stets weise einzutheilen und genau auszunutzen, denn außer Ladung und Vorräten muß Unterkunft geschaffen werden für 376 Passagiere I. Klasse, 126 II. Klasse, 400 III. Klasse, ferner für 6 Offiziere und 292 Mann Besatzung, einschließlich der 10 Maschinisten, 12 Assistenten und 80 Heizer, im ganzen also für 1200 Köpfe. Der Bequemlichkeitsbegriff kann hier also nur ein verhältnißmäßiger sein. Wer zuerst einen solchen Passagierdampfer betritt, der pflegt zwar die Pracht und die räumliche Ausdehnung der Speise- und Unterhaltungssäle der I. Klasse gebührend anzustaunen, aber später nimmt es ihn Wunder, daß selbst in den reich ausgestatteten Schlafkabinen für Familien die Betten übereinander angebracht sind. In dieser Hinsicht walten bei dem „schwimmenden Hotel“ ganz andersartige Verhältnisse ob, als bei demjenigen auf dem Festlande. So würde es beispielsweise auch ein Uneingeweihter kaum für möglich halten, daß in den drei Küchen an Bord neben den Dampfkochapparaten für die Zwischendeckspassagiere noch Raum ist für die Zubereitung der ausgesuchtesten Mahlzeiten für den Salon; kann sich doch der Küchenmeister kaum umdrehen. Indessen es geht alles, wenn man will. Wer aber die jetzigen hübschen Einrichtungen für Reisende III. Klasse, welche in Gruppen von 12 bis 18 Personen je eine Kammer zugewiesen erhalten, mit dem großen Gesammtraum des Zwischendecks alter Bauart vergleicht, der weiß nicht genug den Fortschritt der Neuzeit zu loben.

Die prachtvolle Ausstattung der Säle, der Lichtschachte und Treppenhäuser etc. lassen schon unsere Abbildungen erkennen. Hier ist wirklich nichts gespart worden, wenn man sich auch in richtiger Beschränkung vor überladenem Pomp gehütet hat. Wer Sinn hat für das deutsche Kunstgewerbe, der wird entzückt durch diese Räume wandeln; da finden sich Kabinettstücke der ausschmückenden Künste, die im Stile meist dem Barock und Rokoko huldigen. Besonders erwähnenswert dürften die Holzschnitzereiarbeiten, die Musikinstrumente und die Gemälde sein, welch letztere von Künstlern ersten Ranges herrühren. Das kostbare Mobiliar ist aus naheliegendem Grunde unverrückbar an dem Boden befestigt, ebenso sorgen entsprechende Einrichtungen bei den Mahlzeiten dafür, daß das „Schlingern“ des Schiffes nicht das Tafelgeschirr durcheinander wirft.

Die Säle und Kabinen zweiter Klasse sind etwas weniger reich, aber immerhin gleichfalls mit nicht geringen Kosten ausgestattet. Im Zwischendeck ist Sorge getragen, daß allen vernünftigen Anforderungen entsprochen werde; besonders praktische

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_239.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)