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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

beginnen. Uebermäßige Anstrengung, unzweckmäßige Ernährung und Kleidung ruiniren die Nerven und schaden oft sehr, oder verhindern wenigstens den Nutzen.

Die Kleidung des Radfahrers sei weich, warm, leicht und luftig, damit der Austausch zwischen seiner Körperoberfläche und der umgebenden Luft nicht behindert ist.

Die Hemden sollen lang sein, damit sie sich beim Fahren nicht heraufschieben. Die Aermel sollen bis zur Hand vor gehen, um die Arme vor dem Sonnenbrand zu schützen. Wolle mit Baumwolle verwebt ist für Radfahrer der beste Stoff. Reine Wolle macht zu warm, juckt oft zu stark, ist schwer zu reinigen und verfilzt sich oft beim Waschen. Leinwand macht zu kalt, kühlt zu schnell aus.

Durchnäßte Unterkleider sollen alsbald gewechselt werden, da sie die Feuchtigkeit an die Außenluft abgeben und den Körper zu rasch abkühlen. Kurze Tricotunterhosen sind zweckmäßig und sehr zu empfehlen.

Die Beinkleider sind am geeignetsten recht elastisch von Kammgarn gestrickt. Macht sie ein Schneider aus Tuch, so soll er wenigstens alle hervorspringenden Nähte mit einem Streifen Wollstoff übernähen, damit die Haut von den Nähten nicht aufgescheuert wird. Die Beinkleider sollen ein paar Zentimeter über das Knie herabgehen und hier wie oben an der Hüfte mit einem Bunde zugeschnallt werden, den man während der Fahrt lockern kann. Straffe Hosenträger sind schädlich.

Die Strümpfe sollen handbreit über das Knie hinaufgehen und mit Bändern, welche mehrere Knopflöcher zum lockerer machen besitzen, an Knöpfen des Hosenbundes befestigt werden. Als Schuhe empfehlen sich Halbschuhe mit starken Sohlen und niederen Absätzen. Wer im Fußgelenk Neigung zum Umknicken hat, soll ein elastisches Oberleder weiter heraufgehen lassen. Die Schuhe sollen zugeschnürt nicht zugeknöpft werden, Knöpfe thun oft weh. Bei schönem, trocknem Wetter sind Zeugschuhe, die den Fuß gut ausdünsten lassen, sehr angenehm. Hat der Fuß Neigung zu scharfer Absonderung, so stäube man Salicylpulver zwischen die Zehen und auf die Sohle, was den Schweiß mäßigt und den Geruch nimmt.

Die Oberkleider sollen einen recht bequemen Schnitt haben, Brustumfang, Halsöffnung und Armlöcher dürfen ja nicht zu enge sein.

Tricotstoffe sind die passendsten; für den Winter kann man sie mit Flanell füttern lassen. Graumelirt ist die beste Farbe. Hellblau, was viele lieber wählen, macht erfahrungsgemäß so heiß wie Schwarz.

Die Kopfbedeckung soll von hellem Stoffe und luftig sein oder doch wenigstens durch Luftlöcher die Ausdünstung befördern. Ein großer Schirm schütze vor der Sonne, und bei Neigung zu starkem Schweiße kann man den Kopfring mit einer Korkschicht polstern. Bei recht heißer sonniger Zeit läßt man von der Kappe ein Stück Stoff über den Nacken herabhängen, das für gewöhnlich nach oben geknöpft ist. Handschuhe sind räthlich, denn sie schützen vor Sonnenbrand und vor mancher Verletzung. Leder paßt aber nicht hierzu, denn dasselbe bleibt zu lang naß und kalt. Im Sommer ist Baumwolle, im Winter Wolle zu wählen.

Regenröcke von Gummi sind sehr gebräuchlich, aber ich rathe ab von ihnen. Sie bringen durch Störung der Ausdünstung ein ängstigendes Gefühl. Besser ist es, einen kleinen Kragen von Gummi auf die Schultern und eine ebensolche Decke zum Schutze der Schenkel zu wählen.

Bei großen Touren ist auch die Lebensweise recht wichtig und nützt oft mehr als Kraft und Uebung.

Wenn man früh morgens auf das Rad steigt, paßt eine Tasse Kaffee, Thee oder Chokolade mit einem Brote. Nach einer Stunde Fahrzeit soll erst das Hauptfrühstück kommen, das auch ein gutes Stück Fleisch enthalten soll. Mittags während der größten Hitze wird man am besten drei bis vier Stunden ausruhen. Recht ernstlich muß man vom vielen Trinken abrathen. Man lerne den Durst bezähmen. Etwas Wasser mit Cognak bevor man wieder das Rad besteigt, oder Limonade oder Kaffee schützt oft lange vor Durst. Während der Fahrt soll man ein paar grüne bittere Blätter zwischen den Zähnen behalten und den Speichel damit sammeln. Ist die Hitze recht groß, so kann man mit großem Vortheil den Durst lindern, indem man eine dünne Schnitte rohen Rindfleisches gut gesalzen aus der Zunge liegen läßt. Das Rauchen ist nur eine Art Betäubung, welche nachträglich den Durst noch vermehrt, und paßt nicht für den Radsport.

Man soll das Fahren nicht über seine Kräfte beschleunigen. Sehr schnelles Fahren erheischt auch eine besondere Muskelanstrengung und vermehrtes Athmen, so daß das Athmen durch die Nase nicht mehr ausreicht und auch der Mund geöffnet werden muß, was recht schädlich ist. Der weise Schöpfer hat nicht umsonst angeordnet, daß wir die Luft, welche wir in unsere Lungen bringen, vorher in der Nase wärmen und vom Staub reinigen. Mit wunderbarer Vorsehung ist die Nase mit einer Fülle von kleinen Knochenmuscheln ausgestattet welche mit einer gefäßreichen recht blutreichen Schleimhaut überzogen und ganz dazu gemacht sind, ihre Wärme an die durchziehende Luft abzugeben. Die klebrige Feuchtigkeit, welche von der Nasenschleimhaut abgesondert wird, ist sehr geeignet, die durchströmende Luft von Staub zu befreien, so daß nur warme und staubfreie Luft in die Lunge gelangt.

Nach beendeter Tour entledige sich der Radfahrer seiner durchfeuchteten Unterkleider, wasche den ganzen Körper mit kaltem Wasser und reibe ihn trocken ab. Bei größeren Partien lasse man Unterkleider zum Wechseln durch die Post vorausschicken oder doch ein Hemd, in Wachsleinwand verpackt, entweder an die Lenkstange schnallen oder an einem andern Theile der Maschine befestigen.

Größere Touren unternehme man nur in Gesellschaft. Das Sprichwort sagt ganz wahr: „Getheilte Freude, doppelte Freude, geteiltes Leid, halbes Leid!“ Wenn auch im allgemeinen nur kleine Unfälle vorkommen, so ist es doch wünschenswert, dabei nicht allein zu sein. Sobald uns jemand die helfende Hand bietet, erträgt man jeden Unfall leichter.

Der erquickende kühle Luftzug, in welchem sich Radfahrer fortbewegen, ist zweifellos Ursache, daß Uebelsein und Ohnmacht mit Bewußtlosigkeit recht selten vorkommen.

Wenn in einem solchen Zustand auch der Athem stockt, so leite man sofort eine künstliche Athmung ein in der Weise, wie sie die „Gartenlaube“ kürzlich (vgl. Nr. 37) zum Zwecke der Wiederbelebung Ertrunkener beschrieben hat. Man schiebe den Unterkiefer nach vorne, so daß die unteren Zähne weiter vorstehen als die oberen, öffne den Mund und reinige den Schlund und drücke alle drei bis vier Sekunden mit beiden flachen Händen langsam auf die Brust. Dadurch wird die verlebte Luft ausgepreßt; sobald wir dann die Hände wegnehmen, dehnt sich der elastische Rippenkorb wieder aus, wobei die Lunge frische sauerstoffreiche Luft einschlürft. Auch belebende Riechmittel sind zu empfehlen, scharfer Essig, englisches Riechsalz und ähnliche. Ein Schluck frisches Waffer mit etwas Cognak oder ein Glas Wein oder Bier hat oft eine rasche und sehr gute Wirkung.

Wie ich schon angeführt habe, ist der Hitzschlag beim Radfahren gewiß unendlich selten. Sollte er vorkommen, so bringe man den Kranken an einen kühlen Ort, gebe ihm kaltes Wasser mit Cognak oder Wein zu trinken, mache kalte Umschläge und wasche den ganzen Körper kalt.

Kleine Wunden kommen beim Radfahrer vielfach vor, große aber selten. Bei jeder Wunde ist die Blutstillung das erste. Am einfachsten ist es immer, die blutende Stelle mit dem Finger oder mit der Hand zuzuhalten, bis der Arzt kommt und das blutende Gefäß zubindet. Dauert es lange, so kann man den Finger mit einem undurchlässigen Gegenstand vertauschen, den man auf die blutende Stelle bindet, mit einem Geld- oder Korkstück. Ganz außerordentlich praktisch ist ein weicher Tampon, den man sich herstellt, indem man einen Knäuel Watte in Guttaperchapapier wickelt und letzteres mit Chloroform zuklebt. Leichte Blutungen bedürfen nur kalter Wasserumschläge.

Bei einem größeren Unglück ist immer die Hilfe des Arztes zu erwarten. Doch erheischen auch kleine Wunden eine gewisse Sorgfalt, wenn sie keine Gefahren bringen sollen; durch die kleinsten Hautwunden können Zersetzungskeime eindringen und dann eine starke örtliche oder allgemeine Erkrankung herbeiführen. Man befreie die Wunde von allem Schmutz, desinfiziere sie und verbinde sie antiseptisch.

Ein kleiner Eßlöffel voll konzentrirter flüssiger Karbolsäure auf ein Quart Wasser ist eine sehr brauchbare antiseptische Flüssigkeit, mit welcher man die Hände, welche die Wunde berühren sollen, und die Wunde selbst reinigen und desinfizieren kann. Nachdem dies geschehen ist, gießt man einen halben Kaffeelöffel voll der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_750.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)