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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 42.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Sicilische Rache.

Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans.
(Fortsetzung.)


Mit einem seltsamen Leuchten im Auge wandte die Gräfin sich zum Herzog und mit einer Stimme, in welcher alle ihre Verführungskünste flüsterten und sangen, sprach sie:

„Mein lieber Herzog! Ihr verspracht mir vor wenigen Tagen, mir eine Bitte zu gewähren. – Bevor unser junger Freund auf Nimmerwiedersehen nach Neapel abreist, gestattet ihm – und gestattet mir – daß er noch ein einziges Mal seinen Kerker – die Citadelle soll doch sein Kerker sein? – verlasse und übermorgen dem Feste, das ich hier bereite, beiwohne. – Verweigert mir’s nicht – ein Abschiedsfest, Herzog! – Ihr kennt ja mein Interesse für diesen armen jungen Mann, laßt mich Abschied von ihm nehmen.“

Sie reichte dem verwunderten Herzog mit bezauberndem Lächeln ihre feine Hand. Er aber, ganz befangen in dem Banne solch berückender Liebenswürdigkeit, bedeckte sie mit feurigen Küssen. Ein Abschiedsfest – dann durfte ja er, der Herzog, hoffen, dem Herzen Teresinas der Nächste zu werden.

„Aber, Gräfin! Dazu müßt Ihr selber mir helfen,“ sagte er endlich, sich aufrichtend. – „Er sitzt dort drüben in seinem Kerker – wie Ihr die Citadelle benennt – und nach einem Balle dürften ihn seine Gedanken wohl nicht ziehen. Schreibt ihm, dem lieben Abtrünnigen, – schreibt ihm mit eigener Hand. Eurem Rufe wird er nicht widerstehen, und ich setze meine Urlaubsgenehmigung hinzu.“

„Ich will thun, was Ihr befehlt,“ und mit rascher Feder schrieb die Gräfin eines jener Frauenbriefchen, denen ein männliches Herz so schwer widersteht. Sie sprach von ihrer Reue, von ihrer Furcht, daß ihr nervöses Wesen ihn vielleicht beleidigt habe; warum er seit jenem Tage von San Placido nicht mehr bei ihr erschienen sei? ob sie denn Feinde geworden seien, während sie doch nichts sehnlicher wünsche, als seine Freundin – seine allerbeste Freundin zu sein, und den Beweis, wie herzlich sie es mit ihm meine und wie tief ihre Freundschaft für ihn sei, den werde sie ihm übermorgen geben, wenn er bei ihrem Feste erscheinen würde. – „Ich selber,“ sprach sie, während der Herzog sein Siegel unter die Erlaubniß, die Citadelle zu verlassen, drückte, – „ich selber werde dafür sorgen, daß dem Hauptmann bei seiner Herüberfahrt über den Hafen nichts geschehe. Er wird doch im Boote kommen? Unser Palazzo liegt am Meere, und einmal in diesen Mauern, wie sollte ihn die Rache jenes Sicilianers erreichen? Also, auf Wiedersehen, lieber Herzog!“ – –

Als sie allein war, blieb sie eine Weile nachdenklich an ihrem Fenster stehen. Widerstrebende Gefühle tobten in ihrer Seele. Plötzlich zuckte

Ein Enkel? Nach einem Gemälde von Eugen v. Stieler.
Photographie im Verlage der Photographischen Union in München

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_709.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)