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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

(Stuttgart, Otto Weisert) in einer neuen, der 6. Auflage, die mit großer Sorgfalt von Dr. O. Dammer durchgesehen worden ist. Ich las wieder einmal darin; Winter war es damals und ob auch noch der Schnee draußen lag, es wehte mir aus den Zeilen wie Lenzeshauch und Waldesduft entgegen.

In unserer nervenaufreibenden Zeit suchen wir immer nach Zerstreuung, Erholung, Unterhaltung, geben haufenweise Geld aus, um sie zu erlangen, und kehren oft von dem genossenen Vergnügen noch mehr abgespannt in die vier Wände unserer Arbeitsstube zurück. Alles paßt nicht für jeden . . . das ist wahr, aber ich glaube, Tausende würden an solchen Spaziergängen, die mit der Beobachtung der Natur vereint sind, Freude finden, wenn sie überhaupt beobachten könnten und in dem grünen Wald mehr als nur eine Menge von Bäumen und Blättern sehen lernten. Diese mögen sich Roßmäßler anvertrauen und sie werden sehen, daß Erholung und Unterhaltung von der allgütigen Mutter Natur selbst in dem ödesten Krähwinkel kostenlos geboten werden. *

Der Gläserslowak. (Zu dem Bilde S. 533.) Es ist kein beneidenswerthes Dasein, das der Stamm der Slowaken im nordwestlichen Ungarn am Oberlauf der Flüsse Waag und Gran führt, eingeengt von Polen, Tschechen und Magyaren, scheinen sie zum allmählichen Verlust ihres Volksthums bestimmt zu sein. Das Land ist nicht gerade fruchtbar und der slowakische Bauer erntet meist nur kärglichen Ertrag; Wohlstand ist selten, um so zahlreicher sind die ärmlichen Gestalten, die mit allerhand Waren, mit Leinwand, Spitzen, Mäusefallen etc. umherziehen von Dorf zu Dorf. In die Klasse dieser wandernden Hausirer gehört auch der Gläsermann auf unserem Bildchen. In einem großen flachen Korbe trägt er seine zerbrechlichen „Kunstwerke“ von Haus zu Haus; sein Absatz mag nicht eben groß sein, denn noch ist sein Korb gefüllt, und der Bauer unter der Hausthür scheint keine Lust oder kein Geld zu solchen Dingen zu haben, wenn sie auch seinem Kartoffeln schälenden Weibe und seinem Buben verführerisch in die Augen stechen. Den Künstler zieht an diesen armen Gesellen immer wieder die merkwürdige malerische Tracht an, die sich wohl als eine Erbschaft aus besseren Tagen mit zäher Ausdauer in der Ueberlieferung des Volksstammes erhält.

Eine deutsche Volksbühne in Sicht. In Berlin war von einem Komitee eine Versammlung Anfang des Sommers einberufen worden, um der schon oft erörterten Frage der Errichtung deutscher Volksbühnen näher zu treten. Etwa 100 Damen und Herren haben der Einladung Folge geleistet; man bemerkte darunter viele hervorragende Schriftsteller, Männer der Kunst, der Wissenschaft, des Baufachs. Freiherr Hermann v. Maltzan behandelte in längerem Vortrage das Thema: „Die Errichtung deutscher Volksbühnen, eine nationale Aufgabe.“ Das Volksleben brauche einen geistigen Mittelpunkt, nichts sei dazu geeigneter als die Schaubühne. Das Hoftheater und die anderen Berliner Bühnen seien bei den an sie gestellten Ansprüchen genöthigt, hohe Eintrittspreise zu fordern. Die unendliche Vergrößerung Berlins habe die Errichtung neuer Theater nothwendig gemacht; um nun den Bedarf an neuen Stücken für diese neuen Theater zu decken, hätten die Bühnenleiter ihre Zuflucht zu den Werken der fruchtbaren französischen Dichter genommen, da die deutschen Dichter weniger produktiv seien und sich zuletzt veranlaßt gesehen hätten, die französischen nachzuahmen. Die französischen Theaterstücke entsprächen aber nicht dem Geschmack des deutschen Volkes. Es müsse, zunächst in Berlin, eine Bühne gegründet werden, deren Besuch durch möglichst niedrige Eintrittspreise auch dem Unbemittelten zugänglich gemacht werde und auf welcher nur Stücke gegeben würden, die von einem deutschnationalen Geiste durchweht seien. Auch die deutschen Schriftsteller würden sich dann wieder dazu verstehen, deutschnationale Stücke zu schreiben. Im weiteren Verlauf der Debatte wurde, was den Bau des zu errichtenden Theaters betrifft, empfohlen, an etwas Bestehendes anzuknüpfen und den Ankauf des Viktoriatheaters wegen seiner großen Räumlichkeiten ins Auge zu fassen. Es wurde beschlossen, einen „Verein zur Errichtung deutscher Volksbühnen“ zu bilden, der zunächst eine Musterbühne in Berlin zu begründen habe.

Soviel wir ersehen, handelt es sich hier nicht um eine Volksbühne im Sinne derjenigen von Worms, Rothenburg oder Oberammergau, wo das Volk selbst mitspielt, sondern um ein Theater, in welchem Schauspieler die Rollen der Dramen darstellen und welches den Namen einer „Volksbühne“ nur auf seine billigen, für möglichst weite Kreise des „Volkes“ erschwinglichen Eintrittspreise gründet. Wenn außerdem in Berlin ein sogenanntes „freies Theater“ (Théâtre libre) in Aussicht genommen ist, an welchem die Werke der Dichter zur Aufführung kommen sollen, die von anderen Bühnen vernachlässigt werden, weil sie zu kühn oder zu genial oder nicht bühnengerecht genug sind, eine Art dramatischer „Salon der Zurückgewiesenen“, wie er neben Gemäldeausstellungen aufzutauchen pflegt, so muß man eingestehen, daß der Eifer, an dem deutschen Theater herumzudoktern, ein sehr großer ist, und daß dasselbe allgemein für einen bedenklich erkrankten Patienten gehalten wird. Ob aber die verschiedenen Methoden der Heilversuche ihm zum Heile gereichen werden, das kann nur die Zukunft lehren, die uns zeigen wird, wieviele dieser Verheißungen ein größeres oder geringeres Maß von Lebensfähigkeit besitzen.

Ein gutes Mittel gegen Fußschweiß. Seit längerer Zeit wurde gegen schweißende Füße die Chromsäure als ein vortreffliches Mittel empfohlen, welches wirksamer als die bisher bewährten Salicylpräparate sein sollte. Die Zahl der Menschen, die an diesem Uebel leiden, ist eine sehr große und namentlich im Hochsommer wird es bei Marschtouren den Ausflüglern unangenehm. Es dürfte darum vielen erwünscht sein, ein zuverlässiges Urtheil über das zur Bekämpfung desselben empfohlene Mittel zu erfahren. Dies ist leicht möglich, dank den Versuchen, welche die Medizinalabtheilung des preußischen Kriegsministeriums im vorigen Jahre anstellen ließ. Es wurden infolge dessen 18 000 an Fußschweiß leidende Soldaten mit Chromsäurelösung behandelt, eine Ziffer, die eine richtige Werthschätzung gestattet.

Das Ergebniß des an diesen 18 000 Soldaten gemachten Versuches ist folgendes: 42% wurden geheilt, 50% gebessert, 8% blieben ungeheilt. Unangenehme Nebenwirkungen wie Blasenbildung, Wundwerden, Hautausschläge wurden nur bei 0,75 Prozent und zwar namentlich bei Anwendung starker Lösungen beobachtet. Es empfiehlt sich darum, stets mit der schwächsten Lösung anzufangen.

Was zunächst das Mittel selbst anbelangt, so wird eine Lösung chemisch reiner Chromsäure angewandt, deren Stärke der Arzt zu bestimmen hat. Soll der Fuß damit behandelt werden, so darf er keine Wunden aufweisen; ist dies der Fall, so muß die Abheilung derselben abgewartet werden. Der Fuß wird rein gebadet und mit grobem Handtuch gut abgetrocknet. Hierauf trägt man die Chromsäurelösung vermittelst eines Haarpinsels auf und wartet, bis die Säure mit der Haut sich fest verbunden hat. Ist dies geschehen, so kann man den Fuß wieder bekleiden. Am besten aber wählt man zu dieser Einpinselung die Zeit unmittelbar vor dem Zubettgehen. Die Wirkung der Chromsäurelösung besteht darin, daß die Haut trocken, derber und widerstandsfähiger wird. Oft ist jedoch nach 8 bis 14 Tagen eine wiederholte Einpinselung nöthig, worauf die Wirkung länger anhält.

Das neue Mittel ist in seiner Wirksamkeit den Salicylpräparaten gleichwerthig, es hat aber den Vorzug, daß es das reinlichste Fußschweißmittel und leicht anzuwenden ist. Es ist unschädlich, wenn ein vollständig chemisch reines Präparat und in richtiger Stärke angewandt wird. In der Armee wird es unter steter ärztlicher Aufsicht angewandt, und dies sollte auch im Privatleben der Fall sein. *

Unter dem geflügelten Rad. Die Eisenbahnen des Deutschen Reiches besaßen am Schluß des am 31. März 1888 ablaufenden Betriebsjahres eine Armee von 343 400 Beamten und Arbeitern. Bei einer Bevölkerung von 48 Millionen ist hiernach jeder 140. Mensch ein „Eisenbahner“, ein überraschendes Ergebniß, wenn man bedenkt, daß dieser Stand vor noch 50 Jahren kaum vorhanden war. Ein gemeinschaftliches Vermögen von 105½ Millionen Mark, welches in 319 Pensions-, Unterstützungs-, Kranken- und Sterbekassen angelegt ist, bildet den wirthschaftlichen Kitt, der diese Armee auf dem Boden gegenseitiger Interessen zu einem großen Ganzen verbindet.




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

B. E. in K. Hans Arnold dankt bestens für den hübschen „Stoff“ und freundlichen Brief und hofft, daß der erstere früher oder später in der „Gartenlaube“ zur Erscheinung kommen kann.

Gustav Gr. in Tegel. Die von dem „Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen“ vor mehreren Jahren ins Leben gerufene allbekannte Einrichtung der zusammenstellbaren Rundreisen hat sich längst weit über die Grenzen des genannten Vereins ausgedehnt. Nachdem sich in diesem Jahre die schweizerischen und die skandinavischen Personenbeförderungsanstalten angeschlossen haben, bilden zur Zeit die Eisenbahnen Deutschlands, Luxemburgs, Oesterreich-Ungarns, Rumäniens, Belgiens, der Niederlande, der Schweiz und Skandinaviens einen einheitlichen Rundreisebezirk.

Paul K., St. Avold. Derartige Zeitschriften, wie Sie eine suchen, giebt es verschiedene, so z. B. das „Echo littéraire“, herausgegeben von Aug. Reitzel in Lausanne (Depot für Deutschland bei K. Gustorff in Leipzig) und, erst seit kurzem neu ins Leben gerufen, „Le Salon et la Famille“, unter Redaktion von Professor Feller herausgegeben von A. Dressel in Berlin. Beide Zeitschriften, jene monatlich zwei-, diese dreimal erscheinend, verfolgen den Zweck, durch Darbietung eines guten unterhaltenden, fesselnden und belehrenden französischen Lesestoffes das Studium dieser Sprache zu fördern und möglichst anregend zu gestalten.

Frau Br. in Wiehl. Die „Palmen“ in dem Ausdrucke „Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen“ sind eine sinnbildliche Bezeichnung des Reiches der Ideale, das für den, welcher darin wandelt, seine Schmerzen und Enttäuschungen birgt. Das Citat stammt aus Goethes „Wahlverwandtschaften“.

L. O. in Straßburg. Die Zither hat, wie schon der Name verräth, in der Kithara der alten Griechen ihr Vorbild.

J. P. in Neuwied. Ein solches Werk, wie Sie es wünschen, ist eben im Erscheinen begriffen. Es betitelt sich „Deutsches Fürstenbuch“, verspricht Lebensbilder der zeitgenössischen deutschen Regenten aus durchweg berufenen, sachverständigen Federn und erscheint, herausgegeben von Professor Dr. Anton Ohorn, lieferungsweise in der Rengerschen Buchhandlung zu Leipzig. Die Porträts der Fürsten sind in Lichtdruckbildern nach Zeichnungen des Malers Herrfurth in Weimar beigegeben. Wir denken auf das Werk zurückzukommen, wenn es vollständig vorliegt, was im Herbste dieses Jahres der Fall sein dürfte.

Dem wißbegierigen Primaner A. S. Woher das X der Mathematik stammt? Das ist allerdings eine etwas umständliche, aber darum um so merkwürdigere Geschichte. Daß die nach Spanien einwandernden Araber im Besitz uralter Wissensschätze ganz besonders in Astronomie und Mathematik waren, ist Ihnen bekannt. Der arabische Ausdruck für den Begriff des X, also einer angenommenen Größe, lautet Schai (wörtlich „ein Ding“) und wurde in der mathematischen Anwendung zum einfachen Sch abgekürzt. Die Spanier übersetzten dieses Sch durch X, welches bei ihnen den gleichen Laut hatte und diesen Laut behielt bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Erst von dort an erhielt das spanische X den Laut Ch, den es heute noch hat (vgl. Ximene, Quixote). Das X der Mathematik aber spricht jedes Volk nach seiner Mundart aus, da es nur einen Begriff, keinen Lautwerth bedeutet.

B. v. T. in Stuttgart. Auf Ihre Frage, womit sich unsere Vorfahren zuerst kleideten, mit wollenen Stoffen oder mit Leinwand, geben die Ausgrabungen aus vorgeschichtlicher Zeit eine ziemlich genaue Auskunft. Dr. Georg Buschau hat die Funde nach dieser Richtung einer genauen Prüfung unterworfen und ist zu folgenden Ergebnissen gelangt: In vorgeschichtlicher Zeit trugen die damaligen Bewohner Deutschlands so wie heute Wolle und Leinwand. Die Wolle, meistens Schafwolle, wurde jedoch vor dem Flachs zu Geweben verarbeitet. So finden wir in der Bronzezeit ausschließlich wollene Stoffe; in der Eisenzeit aber tritt schon neben Wolle auch Leinen auf. Die vorgeschichtlichen Schafe waren, wie wir dabei bemerken möchten, dunkle und keine weißen Schafe.

Olga W. in W. Also das „Heimleuchten“ interessirt Sie? Früher verstand man freilich etwas anderes darunter als heute. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts besaß jeder bessere Hausstand eine große Laterne, welche bei Gängen während der Nacht durch die Dienerschaft vorangetragen zu werden pflegte. Wie heutzutage an den Bahnhöfen und Straßenecken, so standen damals an den Ausgangspforten der Theater und anderer öffentlicher Lokale „Leuchtemänner“ mit brennenden Pechfackeln, die ihre Dienste mitunter in recht zudringlicher Weise anboten. Mit der Einführung der öffentlichen Beleuchtung sind diese „Leuchtemänner“ verschwunden; das „Heimleuchten“ hat sich aber als sprichwörtliche Redensart in den deutschen Sprachschatz herübergerettet.


Inhalt: Gold-Aninia. Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué (Fortsetzung). S. 533. – Im Sächsischen Erzgebirge. Von Anton Ohorn. S. 539. Mit Abbildungen S. 536 und 537, 539, 540 und 541. – Schatten. Novelle von C. Lauckner (Fortsetzung). S. 544. – Süßes Glück. Illustration S. 545. – Blätter und Blüthen: Etwas gegen die Langeweile in der Sommerfrische. S. 547. – Der Gläserslowak. S. 548. Mit Illustration S. 533. – Eine deutsche Volksbühne in Sicht. S. 548. – Ein gutes Mittel gegen Fußschweiß S. 548. – Unter dem geflügelten Rad. S. 548. – Kleiner Briefkasten. S. 548.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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